Rita und Bernhard Engel wohnen mit ihren drei Kindern in einem geräumigen Einfamilienhaus am Dorfrand von Hauptwil TG - tagsüber. Abends zügeln sie in einen gut eineinhalb Kilometer entfernten Wohnwagen. «Zu Hause können wir nicht mehr schlafen und gefährden unsere Gesundheit», sagt Bernhard Engel. Seine Frau Rita spricht von «Ausnahmezustand» und listet auf, woran Eltern und Kinder leiden: Kopf- und Halsschmerzen, Bluthochdruck, starke Verspannungen und Gleichgewichtsstörungen.

Verantwortlich macht das Ehepaar einen Elektrozaun mit sechs Querdrähten in rund fünf Metern Abstand zum Haus. Bernhard Engel, als Elektroplaner vom Fach, schaltet in der Küche die Stereoanlage an und stellt eine bestimmte Wellenlänge ein, ein Knattern ist zu hören. «Das sind die Stromentladungen im Weidezaun.»

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Eher psychische Ursachen?

Peter Alther, Tierarzt und Besitzer des umzäunten Grundstücks, sieht die Situation ganz anders: «Ein Weidezaun ist keine Hochspannungsleitung. Ein Magnetfeld lässt sich höchstens noch in einem Meter Abstand nachweisen.» Die gesundheitlichen Beschwerden von Familie Engel hätten wohl andere, psychische Ursachen. Den Strom abstellen will er nicht: «Sonst gehen unsere Hühner, Schafe und Geissen raus, und der Fuchs kommt rein.»

Tatsache ist, dass Menschen unterschiedlich auf elektrische und magnetische Felder reagieren. Je nach Experten schwanken die Schätzungen zur Zahl der Elektrofühligen in der Bevölkerung zwischen fünf und dreissig Prozent. Im Körper bewirken elektrische und magnetische Wechselfelder künstliche Wirbelströme (siehe Artikel zum Thema «Elektrosmog: Ständig unter Spannung»). Am stärksten ist die elektrische Spannung im Bett, wenn kein Körperkontakt zum Boden besteht.

Bernhard Engel lässt sich nicht ins psychische Abseits drängen. Er erinnert sich an das letztjährige Freihalteverbot wegen der Vogelgrippe: «Damals waren auch Althers Hühner im Stall, kein Strom floss, und wir haben gut geschlafen. Kaum war das Verbot aufgehoben, habe ich wieder wach gelegen.» Auch seine Frau und der älteste Sohn hätten so reagiert.

Der Elektrosmog-Spezialist Josef Peter von der Firma MPA Engineering in Effretikon ZH hat für Engels eine elektrobiologische Messung durchgeführt und «störende, nicht zulässige Immissionen» vom Nachbargrundstück festgestellt. Alther hingegen zweifelt die angewendete Methode an: «Diese so genannte Messung sagt gar nichts aus.»

Längst steht nicht nur der Zaun unter Spannung. Engels haben mehrfach bei Althers reklamiert. Auch nachts, was diese gar nicht goutierten. Bernhard Engel, dem der Nachbar das Betreten des Grundstücks schriftlich verboten hat, wandte sich an die Gemeinde und verlangte, dass das Gefahrenpotenzial des Weidezauns und seine Rechtmässigkeit in der Wohn- und Gewerbezone abzuklären seien. Alther konterte mit einer Anzeige wegen Verstosses gegen das Umweltschutzgesetz; es geht dabei um alte Gerätschaften, die auf einem Grundstück Engels lagern.

Die Gemeinde Hauptwil hat nun das Eidgenössische Starkstrominspektorat beauftragt, den Elektrosmog am Zaun zu messen. «Das Resultat liegt uns noch nicht vor», sagt Gemeindeammann Walter Luginbühl. Ferner kläre man ab, ob die Tierhaltung zonenkonform sei. Zurzeit sehe er aber keine Handhabe, sie zu verbieten.

Engels fühlen sich hingehalten und haben Aufsichtsbeschwerde beim Kanton erhoben. Das wiederum brachte Hauptwils Gemeindeobere in Rage. Bernhard Engel, der bisher im Auftragsverhältnis das Stromnetz im Dorf betreut hatte, erhielt die Kündigung.

Quelle: Daniel Ammann