Laserstrahl bringt Licht ins Dunkel
Ältere Menschen müssen sich nicht damit abfinden, dass ihre Sehkraft matter und «löchrig» wird. Eine Therapieform bietet der Altersblindheit Einhalt.
Veröffentlicht am 5. Dezember 2000 - 00:00 Uhr
Seien es nun Verkehrsampeln, Werbeplakate oder Gesichtsausdrücke: Sehr viele Informationen nehmen wir optisch auf. Irgendwann nach dem 60. Geburtstag kann es aber passieren, dass – zunächst fast unmerklich – Störungen im ständigen visuellen Informationsfluss auftreten. Zum Beispiel fehlen beim Lesen auf einmal Buchstaben mitten im Wort. Oder Farben wirken fahler und grauer. Und mitunter erscheinen in der Mitte des Gesichtsfelds kleine Bereiche dunkel, wie durch eine Sonnenbrille betrachtet.
Derartige Sehstörungen sind charakteristisch für Altersblindheit, eine Sehbehinderung, die im medizinischen Fachjargon als feuchte Makuladegeneration bezeichnet wird. Die Makula ist ein etwa zwei Millimeter grosser, ovaler Bereich der Netzhaut. In der Makula sitzt der grösste Teil der so genannten Zapfenzellen, die für Farbsehen, Scharfsehen und die Kontrastempfindlichkeit verantwortlich sind. Was der Mensch genau ins Auge fasst, nimmt er mit den Sinneszellen der Makula wahr und sieht es scharf.
Wie kommt es zu den seltsamen Sehstörungen? Zwischen dem «Gehäuse» des Auges (der Lederhaut) und der Netzhaut, die den hinteren Teil des Auges von innen auskleidet, liegt eine mittlere Schicht, die Aderhaut. Sie ist von zahlreichen Blutgefässen durchzogen, die die Sinneszellen der Netzhaut versorgen. Bei der feuchten Makuladegeneration wachsen aus der Aderhaut neue Gefässe bis unter die Makula. Und einige von ihnen sind undicht, so dass Flüssigkeit, manchmal auch Blut, austritt – daher die Bezeichnung feuchte Makuladegeneration.
Als Folge davon wird die Makula uneben. Der Effekt ähnelt jenem der Zerrspiegel auf dem Jahrmarkt: Gerade Linien sehen krumm und verzogen aus. Durch Flüssigkeitsansammlungen hinter der Netzhaut entstehen die «Sonnenbrillenflecken», die der Arzt Skotome nennt. Weil farbtüchtige Sinneszellen zugrunde gehen, entstehen kleine Löcher im Gesichtsfeld, und das Gesehene wirkt grauer.
Warum bei einigen Menschen neue Gefässe hinter der Makula wachsen, ist trotz intensiver Forschung bis heute nicht ganz klar. In jedem Fall verläuft der gesamte Krankheitsprozess sehr schnell: Innerhalb von zwei Monaten bis drei Jahren kann das Gefässwachstum die Sinneszellen der gesamten Makula zerstören und eine schwere Sehbehinderung verursachen. Auf eines legen Fachleute deshalb grössten Wert: Menschen mit diesen typischen Sehstörungen sollten sich unverzüglich durch ihren Augenarzt oder einen Netzhautspezialisten untersuchen lassen. Seit über zehn Jahren lässt sich die feuchte Makuladegeneration mit der dynamischen Fototherapie behandeln. Wenn die Voruntersuchungen abgeschlossen sind, wird dem Patienten in eine grosse Vene, meist im Arm, ein Farbstoff injiziert. 15 Minuten später hat sich eine ausreichende Menge des Farbstoffs in den neu gebildeten Gefässen in der Makula abgelagert. Jetzt kommt ein speziell entwickelter Laser zum Einsatz, der mit einer so genannten Spaltlampe versehen ist. Mit ihrer Hilfe kann der Augenarzt den Augenhintergrund betrachten und so mit dem Laser genau auf die überzähligen Blutgefässe «zielen». Das Laserlicht aktiviert im Auge den zuvor gespritzten Farbstoff: Er gibt jetzt Sauerstoffradikale ab, die die neuen Gefässe hinter der Makula abtöten. Die Laserbehandlung dauert etwas mehr als eine Minute und ist schmerzfrei. Die behandelten Patienten müssen allerdings in den folgenden drei bis vier Tagen eine spezielle Sonnenbrille tragen und sollten keine Sonnenbäder nehmen. Das verhindert, dass Farbstoffreste im Körper aktiviert werden.
Durch mehrmaliges Wiederholen der Behandlung ist es nach ersten Erfahrungen mit dieser Therapie möglich, das Fortschreiten der feuchten Makuladegeneration aufzuhalten. Allerdings handelt es sich bei der dynamischen Fototherapie um kein Reparaturverfahren; einmal zerstörte Sinneszellen kann auch sie nicht wieder beleben. Die Netzhaut ausserhalb der Makula bleibt intakt. Betroffene werden daher nicht blind. Sie können auch mit fortgeschrittener Makuladegeneration grössere Gegenstände und Menschen gut erkennen und sich in fremder Umgebung allein orientieren. Wenn früh genug untersucht und behandelt wird, muss auch das Lesevergnügen nicht vorbei sein.