Es gibt Momente, da fühlt sich Monika als sässe sie im falschen Film. Im Wartezimmer ihres Kieferorthopäden zum Beispiel: Mütter kommen mit ihren Kindern zum Kontrolltermin. Die Mädchen und Buben tragen Brackets, Zahnspangen mit Metallklötzchen und Drahtbögen. Eine solche Spange hat auch Monika Sager seit einem Jahr. Wesentlicher Unterschied: Sie ist 39 Jahre alt – und nicht mit der Mutter da.

An ihren schiefen Zähnen hatte sich Monika schon lange gestört. Aber noch vor ein paar Jahren hätte sie sich nicht vorstellen können, eine Spange zu tragen. Sie dachte sich: «Dafür bin ich doch zu alt.»

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«Schaufeln» auf Familienfotos

Der Entschluss, sich die Zähne richten zu lassen, fiel im Sommer vor ein paar Jahren, als sie sich am Computer die Bilder eines Familienfests herunterlud. Sie sah nur ihre «beiden Schaufeln», die schrägstehenden oberen Schneidezähne. Von der Seite fotografiert und im Gegenlicht kamen sie besonders gut zur Geltung. Da stand für sie fest: «Jetzt ist Schluss. Ich möchte endlich schöne Zähne haben.»

An diesem Entschluss war nicht zu rütteln – auch nicht, nachdem Monika klar war, was alles auf sie zukommen würde: Ihre Zähne standen extrem eng; um Platz zu schaffen, mussten drei gezogen werden. Dann wurde die fest sitzende Spange auf die obere und untere Zahnreihe montiert – und dort, sagte man ihr, müsse sie für eineinhalb Jahre oder länger bleiben.

Alle vier Wochen ist ein Zahnarzttermin fällig, um die Drahtbögen nachzuspannen oder zu wechseln. Kostenpunkt der ganzen Prozedur: rund 11'000 Franken, zu bezahlen aus der eigenen Tasche. Denn versichert sind solche Zahnkorrekturen in der Regel nicht. Aber egal: «Ich war bereit, das alles auf mich zu nehmen», sagt sie.

Sie entschied sich für die günstigste Variante: Metallbrackets, die auf die Frontseite der Zähne geklebt werden. Denn sie sagte sich: «Man darf die Spange ruhig sehen. Ich stehe dazu.»

Freundinnen und Arbeitskollegen hatten sie vorgewarnt. Zwar habe keiner gesagt: «Spinnst du, eine Zahnspange? In deinem Alter!» Sie hätten es im Gegenteil bewundernswert gefunden, so etwas noch zu machen. Doch es habe auch andere Stimmen gegeben wie etwa: «Aber deine Zähne sind doch in Ordnung, sie gehören zu dir, so, wie sie sind.»

Monika sieht das anders – und freut sich «wahnsinnig» darauf, dereinst mit geraden Beisserchen zu strahlen. Bis es so weit ist, wird es noch mehrere Monate dauern. Und das heisst: durchhalten und mitunter Schmerzen ertragen. Das Nachspannen der Drahtbögen sei unangenehm, der Druck danach enorm. «Das tut weh, hat mir schon schlaflose Nächte bereitet», sagt sie. Zudem sei es gewöhnungsbedürftig, mit Zahnspange zu leben. Die Metallklötzchen reiben an der Innenseite der Lippen, anfangs hätten sich hier und da sogar wunde Stellen gebildet. Sie half sich mit einer Salbe aus der Apotheke und gab sich wortkarg: «Das Sprechen war besonders schmerzhaft.»

Diskrete Kontrolle vor dem Spiegel

Ausserdem wird das Zähneputzen zur Prozedur. Es muss praktisch neu erlernt werden, damit keine Folgeschäden entstehen. «Man muss aufpassen, dass es um die Metallklötzchen herum keine Ablagerungen gibt», sagt Monika Sager. Sie kaufte sich zusätzlich eine Munddusche – «um wirklich alle Speisereste zu entfernen».

Beim Essen passe sie besonders auf. In harte Brotrinde oder in einen Apfel zu beissen, riskiere sie lieber nicht. Aus Sorge, es könnte sich eines der Klötzchen vom Zahn lösen. Und wenn sie zum Apéro geladen ist, gehört nach den Häppchen die Kontrolle vor dem Toilettenspiegel inzwischen zur Routine. Wäre ja peinlich, die anderen Gäste anzulächeln – mit Brackets voller Reste des eben verzehrten Rauchlachs-Canapés.

«Im Moment fühle ich mich ganz gut mit der Spange», sagt Monika. Und an den nächsten Kontrolltermin denkt sie einfach noch nicht. Dafür an die Familienfeier im Frühling. Dann wird ihr Gottenmädchen konfirmiert. Es ist 15 – und trägt eine Zahnspange. Eine mit Metallklötzchen und Drahtbögen.

Der Teenager, das steht fest, wird zur Konfirmation die Apparatur draussen und schöne Zähne haben. Ob Monika dann auch so weit sein wird, kann ihr Kieferorthopäde noch nicht sagen. «Was solls», sagt sie lachend, «dann ist es halt die Tante, die mit Zahnspange zum Fest kommt.»

Spange: Die Hintergründe

Gründe für eine Zahnkorrektur
Die Ästhetik steht bei Erwachsenen an erster Stelle. Hinzu kommt, dass Zahnspangen salonfähig geworden sind. Zum einen, weil sich auch bekannte Personen wie Ruth Metzler die Zähne haben richten lassen. Zum anderen, weil die Technik besser geworden ist. Die Behandlungsdauer ist kürzer als früher, die Spangen sehen besser aus. So gibt es
heute durchsichtige Brackets aus Keramik.

Weitere Gründe für eine Korrektur können Zahnfehlstellungen sein, die Probleme machen, etwa beim Beissen und Kauen.

Zahnkorrekturen bei Erwachsenen sind im Trend. Orthopäden haben heute mehr erwachsene Patienten als vor 15 Jahren. Damals lag der Anteil bei fünf Prozent, heute beträgt er 25.

Nicht einfach ein Lifestyle-Produkt
Eine Zahnkorrektur ist kein x-beliebiges Trendprodukt, das man mal eben anpasst, sondern eine aufwendige Behandlung. Dazu gehört zunächst eine ausführliche Beratung durch einen Zahnarzt/Kieferorthopäden, gegebenenfalls mit Untersuchung und Röntgenaufnahmen. Vorsicht ist geboten, wenn man Ihnen die Behandlung aufdrängt, nicht auf Ihre Fragen eingeht, Sie über Risiken und Nachteile nicht aufklärt. Und wenn man Ihnen nicht zeigt, dass es eventuell eine günstigere Lösung gibt; so kann es zum Beispiel reichen, nur gewisse Zähne einzureihen.

Risiken und Langzeitfolgen
Penible Pflege ist bei festen Zahnspangen elementar, sonst kommt es zu Karies, Entkalkung der Zähne und Zahnfleischproblemen. Ist die Spange weg, haben Zähne die Tendenz, sich in die alte Stellung zurückzubewegen. Deshalb werden zur Stabilisierung häufig Drähte auf die Zahninnenseiten geklebt. Sie bleiben dort jahrelang, manchmal sogar auf Lebzeiten.

Zahlt die Versicherung?
Nein. Erwachsene über 20 müssen Zahnkorrekturen in aller Regel selbst bezahlen.

Zahnspange für Erwachsene

1. Fest sitzende Spange (aussen)

Fest montierte Zahnspange, bestehend aus Metall- oder Keramikteilen (Brackets), die auf die Zähne geklebt und mit elastischen Drahtbögen verbunden werden.

Die Drahtbögen ziehen die Zähne in die gewünschte Position. Sie müssen einmal pro Monat nachgespannt oder gewechselt werden. Der Zahn samt der Wurzel kann so langsam bewegt werden.

Bei grösseren Kieferfehlstellungen können chirurgische Eingriffe nötig sein – zum Beispiel das Ziehen von Zähnen.

Geeignet für kleinere Korrekturen bis zu grossen Zahnbewegungen.

Vorteil: Effizient, wirkt 24 Stunden am Tag.

Nachteil: Metallbrackets sind deutlich sichtbar, Keramikbrackets etwas weniger auffällig.

Dauer der Behandlung: 6 bis 24 Monate

Kosten: Für oben und unten 7000 bis 12'000 Franken. Kleine Behandlungen kosten deutlich weniger.

Quelle: Getty Images

2. «Getarnte» Spange (innen)

Gleiches Prinzip wie bei der fest sitzenden Spange; die Brackets werden jedoch auf der Innenseite der Zähne befestigt.Auch hier werden die Zähne mit Drähten in die gewünschte Position gebracht. Die Konstruktion muss einmal im Monat nachgespannt werden.

Geeignet für kleinere Korrekturen bis zu grossen Zahnbewegungen.

Vorteil: Effizient, wirkt 24 Stunden am Tag / Man sieht die Spange nicht.

Nachteil: Anfangs gewöhnungsbedürftig: Die Spange irritiert die Zunge (wird als störend empfunden, wunde Stellen möglich).

Dauer der Behandlung: 6 bis 24 Monate

Kosten: Für oben und unten 11000 bis 15'000 Franken.

Quelle: Getty Images

3. Transparente Schiene (Aligner)

Elastische Folie, die über die Zahnreihen gestülpt wird. Sie ist transparent und somit kaum zu sehen. 12 bis 40 der Folien werden in einer bestimmten Reihenfolge jeweils zwei Wochen lang getragen – jede Folie rückt die Zähne ein Stück weiter, bis die gewünschten Positionen erreicht sind. Die Bewegung beschränkt sich hauptsächlich auf die Zahnkrone.

Gute Mitarbeit des Patienten ist zwingend: Die Behandlung wirkt nur, wenn die Folien nach Vorschrift getragen werden.

Geeignet für kleinere Korrekturen.

Vorteil: Kann zum Essen und Putzen entfernt werden.

Nachteil: Starke Unregelmässigkeiten werden damit kaum korrigiert.

Dauer der Behandlung: 6 bis 24 Monate

Kosten: Für kleinere Behandlungen 8000 Franken, für mittlere nach Absprache.

Quelle: Getty Images