Kein Grund zum Haareausraufen
Veröffentlicht am 15. Oktober 2002 - 00:00 Uhr
Barbara K., 23, ist stark verunsichert. Ihr Coiffeur hat am Hinterkopf eine münzgrosse, völlig kahle Stelle entdeckt. Bisher hatte sie noch nie gesundheitliche Probleme, und in ihrer Familie haben alle schönes, dichtes Haar.
Der kreisrunde Haarausfall (Alopecia areata) ist neben dem Haarausfall bei Männern die häufigste Haarerkrankung. Er befällt Frauen und Männer gleichermassen und kann in jedem Alter auftreten.
Als Ursache wird eine Störung der körpereigenen Abwehrvorgänge vermutet. Man geht davon aus, dass Immunzellen, die eigentlich Viren oder Bakterien abwehren sollten, ihre Aktivität gegen die Farbstoff bildenden Zellen in den Haarwurzeln des eigenen Körpers richten. Das heisst: Das Immunsystem erkennt die Haare als Fremdkörper und stösst sie ab – man spricht deshalb von einer Autoimmunerkrankung.
Der kreisrunde Haarausfall ist nicht ansteckend, kommt aber – genetisch bedingt – in gewissen Familien gehäuft vor. Oft zeigen sich auch Veränderungen an den Fingernägeln, oder die Funktion der Schilddrüsen ist gestört.
Da es sich «nur» um eine Störung des Haarwachstums und nicht um die Zerstörung des Haars respektive der Haarwurzeln handelt, ist die Prognose oft günstig. Bei jedem dritten Patienten wachsen die Haare bald wieder nach, als wäre nichts gewesen. Das Hauptproblem bei der Alopecia areata ist die Ungewissheit über deren Verlauf. Stark unterschiedlich ist auch die örtliche Betroffenheit: Von einer einzelnen Stelle wie bei Barbara K. bis zum Ausfall aller Haare – inklusive Wimpern, Brauen und Barthaaren – ist alles möglich. Dieser schlechteste Fall tritt bei ein bis zwei Prozent aller Patienten ein.
Leider gibt es fast keine Anhaltspunkte für eine Prognose. Ist der Haarausfall gering, ist die Chance für eine Spontanheilung am grössten. Eher ungünstig fällt die Prognose aus, wenn sich auf den Nägeln Veränderungen zeigen.
In therapeutischer Hinsicht gibt es verschiedene Ansatzpunkte, wobei sich bislang keiner durchsetzen konnte. Zur Anwendung kommen – neben kortisonhaltigen Lösungen und Lichtbehandlungen – auch Zinktherapien. Andere Ansätze unterdrücken das Immunsystem mit Medikamenten oder versuchen, durch das Auslösen von lokalen Ekzemen eine Veränderung der Immunreaktion zu erzielen. Auch Therapieverfahren aus der komplementären Medizin können Erfolg bringen.
Barbara K. sollte die Kahlstelle dem Hausarzt zeigen und mit ihm das weitere Vorgehen besprechen. Verstärkt sich der Haarausfall, ist die Überweisung an einen Hautarzt angebracht.