Wann Kopfweh gefährlich wird
Wenn der Kopf längere Zeit schmerzt, befürchten manche eine schwerwiegende Ursache. Neurologin Susanne Wegener erklärt, wann Kopfweh mehr als Schmerz ist.
Veröffentlicht am 10. Dezember 2020 - 18:43 Uhr
Beobachter: Frau Wegener, wie häufig sind Kopfschmerzen tatsächlich gefährlich?
Susanne Wegener: Rund 90 Prozent aller Kopfschmerzen sind wirklich einfach nur das: Kopfschmerzen. Am häufigsten handelt es sich um Spannungskopfschmerzen, gefolgt von Migräne-Kopfschmerzen und deutlich seltener sogenannten Cluster-Kopfschmerzen, bei denen es zum heftigen Schmerz im Bereich von Schläfe und Auge kommt. All diese Arten von primären Kopfschmerzen tun zwar weh, sind aber kein Symptom einer schwerwiegenderen Erkrankung.
Was ist mit den übrigen 10 Prozent?
Bei diesen handelt es sich um sekundäre Kopfschmerzen; solche also, die etwa durch eine Krankheit ausgelöst werden. Eine Ursache kann beispielsweise eine Hirnblutung sein. Abhängig vom Schweregrad kann diese in der Tat sehr gefährlich, im schlimmsten Fall sogar tödlich enden. Zum Glück ist das sehr, sehr selten. Auch die Hirnvenenthrombose kann insbesondere bei jüngeren Frauen oder Schwangeren auftreten. Auch sie zeigt sich durch zunehmend stärker werdende Kopfschmerzen. Wenn zu den Kopfschmerzen zudem hohes Fieber dazukommt, ist auch eine Hirnhautentzündung nicht ausgeschlossen. Auch diese muss natürlich sofort behandelt werden.
Kann auch ein Hirntumor Kopfschmerzen auslösen?
Er kann. Wobei in diesem Fall meist nicht der Tumor die Kopfschmerzen verursacht, sondern der Druck, der durch ihn aufs Hirn ausgeübt wird. Ich kann Sie aber beruhigen: Ein Hirntumor wäre bei meiner persönlichen Kopfschmerzen-Sorgenliste eher auf den hinteren Plätzen. Denn meistens kündigt sich ein Hirntumor mit Symptomen wie Sehstörungen, Lähmungserscheinungen, Sprachstörungen oder epileptischen Anfällen an. Jene Fälle, in denen jemand ausschliesslich unter Kopfschmerzen leidet und schliesslich eine Hirntumor-Diagnose erhält, sind wirklich die Ausnahme.
In welchen Situationen kann man angstfrei aufs Ende der Kopfschmerzen warten?
Sicherlich dann, wenn man die Art der Kopfschmerzen schon von früher kennt. Auch wenn die Schmerzen nicht so stark oder allmählich aufgetreten sind, steckt meistens nichts Besorgniserregendes dahinter. Dasselbe gilt selbstverständlich auch dann, wenn man eine Ursache erahnen kann – etwa zu viel Alkohol am Vorabend
oder zu viel Stress bei der Arbeit. Ebenfalls beruhigt sein darf man in der Regel dann, wenn Kopfschmerzen ohne Begleitsymptome wie
Fieber oder Ausfallerscheinungen auftauchen und wieder an Intensität abnehmen. In diesen Fällen kann man erst einmal abwarten, ob die Kopfschmerzen von allein wieder verfliegen.
Gibt es Warnsignale, bei denen man umgehend eine Ärztin aufsuchen sollte?
Absolut. Wenn Schmerzen vom Charakter her völlig unbekannt oder sehr heftig sind und noch dazu akut auftreten, würde ich dazu raten, schnell zu reagieren. Auch dann, wenn man sich zuvor den Kopf heftig gestossen hat oder sogar einen Unfall hatte, können Kopfschmerzen auf eine schwerwiegendere Ursache hinweisen. Wenn es dann auch noch zu Lähmungserscheinungen oder Gleichgewichtsausfällen kommt, sollte man sofort den Notarzt rufen.
Was, wenn die Symptome nicht ganz so heftig, aber doch sehr störend sind?
In diesem Fall sollte man zuerst einmal die häufigsten Auslöser für Kopfschmerzen zu eliminieren versuchen. Konkret: Stress, Schlafmangel, Dehydrierung. Weg vom Bildschirm, entspannen, schlafen und viel Wasser oder Tee trinken kann vielfach wahre Wunder bewirken. Auch Sport – im Idealfall draussen, wo man buchstäblich den Kopf lüften kann – hilft oftmals. Kurzum: Bevor man sich vor Hirnblutungen, Hirntumoren oder anderen schlimmen Ursachen fürchtet, darf man bei Kopfschmerzen getrost zuerst einmal an die naheliegenden Auslöser in unserem hektischen Alltag denken.
Was ist mit Schmerzmitteln?
Helfen die natürlichen Massnahmen nicht, kann man durchaus gängige Schmerzmittel ausprobieren und beobachten, wie der Körper darauf reagiert. Sind die Schmerzen nach einigen Tagen immer noch nicht verflogen, kann es sich lohnen, den Hausarzt zu kontaktieren. Dieser misst in der Regel den Blutdruck
, analysiert das Blutbild und stellt in einem generellen Untersuch fest, ob es sinnvoll ist, den Patienten oder die Patientin an einen Kopfschmerzspezialisten zu überweisen.
Wie lange ist die Selbstmedikation unbedenklich?
Man sollte nicht häufiger als zehnmal im Monat Medikamente gegen Kopfschmerzen einnehmen – schon gar nicht ohne eine ärztliche Empfehlung.
Gibt es Risikogruppen, die bei Kopfschmerzen schneller reagieren sollten als andere?
Insbesondere jüngere Frauen sind verhältnismässig häufig von Migräne betroffen; Männer eher von Cluster-Kopfschmerzen. Symptomatische Kopfschmerzen wiederum betreffen vielfach eher Ältere. Deshalb gilt: Ältere Menschen, Personen, die Blutverdünner einnehmen oder verschiedene andere Erkrankungen haben, sollten Kopfschmerzen ernster nehmen als andere und im Zweifelsfall schneller eine Ärztin aufsuchen.
Neurologin Susanne Wegener ist Oberärztin in der Klinik für Neurologie am Universitätsspital Zürich. Im Jahr 2017 erhielt sie eine Förderungsprofessur des Schweizerischen Nationalfonds für ihr Forschungsprojekt mit Schlaganfall-Patienten.
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1 Kommentar
Seit einem Jahr klettere ich beim DAV Karlsruhe und habe seitdem Nackenschmerzen, die zeitweise auch als Kopfschmerzen auftreten. 1975 wurde ich von einem Auto erfasst. Deshalb liegt eine Durchblutungsstörung in der linken Körperhälfte und ein Taubheitsgefühl vor. Ursache der Nackenschmerzen kann auch die Rückenmarksverletzung durch den Unfall sein. Hoffentlich kann ich das Klettern fortsetzen, denn neben Nackenschmerzen treten auch Kopfschmerzen zeitweise auf