«Das ist eine versteckte Preiserhöhung»
Praktisch geräuschlos hat die Zahnärzte-Gesellschaft Anfang Jahr ihre Tarife angepasst - versteckte Tariferhöhung oder sinnvolle Anpassung an die moderne Zahnmedizin?
Veröffentlicht am 23. August 2018 - 09:34 Uhr,
aktualisiert am 23. August 2018 - 09:02 Uhr
Ein neues Tarifmodell der Zahnärzte zeigt Wirkung. Patienten erhalten seit Anfang Jahr teilweise höhere Rechnungen für gleiche Leistungen. So kriegen Kunden beispielsweise Rechnungen für die Dentalhygiene , die gut ein Drittel höher ausfallen als sonst.
Hintergrund der verteuerten Zahnreinigung ist der revidierte Privatpatiententarif Dentotar, der wiederum auf den neuen «Zahnarzt-Tarif UV/MV/IV» basiert. Diesen hatte die Schweizerische Zahnärzte-Gesellschaft SSO zusammen mit ihren Tarifpartnern der Unfall- (UV), der Militär- (MV) und der Invalidenversicherung (IV) unterzeichnet. Der Tarif ist seit Januar 2018 gültig. «Die alte Tarifordnung aus dem Jahr 1994 bildete die moderne Zahnheilkunde nicht mehr ab, weswegen eine Revision zwingend notwendig war», erklärt Marco Tackenberg von der SSO zu den Gründen.
Jeder zahnärztlichen Leistung ist eine bestimmte Anzahl von Taxpunkten zugeordnet (z.B. 19.20 für eine Zahnröntgenaufnahme). Diese Taxpunktzahl wird mit einem Taxpunktwert multipliziert, den jede Zahnarztpraxis selber bestimmt. Der Taxpunktwert kann neu zwischen 1.00 bis 1.70 Franken liegen. Daraus ergibt sich dann der Preis der Leistung in Franken. Das war schon immer so – und wird weiterhin so bleiben. Geändert haben sich allerdings die Zuordnung von Taxpunkten zu einzelnen Positionen im Leistungskatalog sowie die Taxpunktwerte der Zahnärzte.
Was bedeutet Dentotar finanziell für die Patienten ? Für Preisüberwacher Stefan Meierhans ist die neue Tarifordnung unerfreulich und «eine versteckte Tariferhöhung». Dies sei vor allem bei zeitbezogenen Leistungen der Fall, also Leistungen, die nach ihrer Behandlungsdauer verrechnet werden. «Es sind Preiserhöhungen von rund 30 Prozent zu beobachten.» Meierhans unterlegt dies mit Rechenbeispielen, bei denen er die Preise einzelner Leistungen nach altem und neuen Katalog gegenüberstellt.
Ein Vergleich der vom Zahnarzt vorgenommenen Leistung «Mundhygiene pro 5. Min» ergibt etwa, dass diese nach altem Tarifkatalog rund 334 Franken pro Stunde kostete, während nach neuem Katalog 439 Franken fällig werden. Gerechnet wurde hier mit dem Tarif für Sozialversicherungen, weil dieser immer – also unabhängig vom behandelnden Zahnarzt – den gleichen Taxpunktwert besitzt und sich somit besser für einen Vergleich eignet. Man müsse davon ausgehen, dass solch eine Erhöhung bei einer Vielzahl an Leistungen vorgenommen wurde.
Zahnärztliche Leistung:
Mundhygiene, vom Zahnarzt vorgenommen (Tarif für Sozialversicherungen mit fixem Taxpunktwert)
Alter Tarif:
9 Taxpunkte pro 5 Minuten x 12 = 108 Taxpunkte pro Stunde x Taxpunktwert Fr. 3.10 = Fr. 334.80 pro Stunde
Neuer Tarif:
36.6 Taxpunkte pro 5 Minuten x 12 = 439.20 Taxpunkte pro Stunde x Taxpunktwert Fr. 1.- = Fr. 439.20 pro Stunde
Für die SSO war die tarifliche Anpassung zwingend nötig. Der bisherige Tarif wurde 1994 eingeführt und basierte auf einem Indexstand von 1992. Der revidierte Tarif beinhalte nun einen Leistungskatalog, der die moderne Zahnmedizin abbilde, so Mediensprecher Marco Tackenberg. Zudem geht der SSO im Privatpatientenbereich nicht von einem spürbaren Kostenschub aus, da die Zahnärzte die Teuerung der letzten 20 Jahre durch den individuell bestimmbaren Taxpunktwert bereits ausgeglichen hätten. SSO-Sprecher Tackenberg versichert: «Weder zahnmedizinische Behandlungen noch die Dentalhygiene sollten deutlich teurer werden». Einzelne Fälle von Preiserhöhungen im Privatpatientenbereich erklärten sich daraus, dass die jeweiligen Zahnärzte Ihre Tarife, also Taxpunktwerte, über Jahre hinweg nicht der Teuerung angepasst hätten. Bei der Dentalhygiene sei der Tarif wegen der allgemeinen Teuerung und insbesondere der Lohnteuerung seit langer Zeit nicht mehr kostendeckend gewesen, so Tackenberg.
Die Schweizerische Stiftung SPO Patientenschutz wollte auf die Anfrage des Beobachters zum neuen Zahnärztetarif und dessen Auswirkungen auf die Patienten keine Stellung nehmen.
4 Kommentare
Mein Mann musste einen Weisheitszahn ziehen lassen. Danach 2 x Wundbehandlung, da die Wunde nicht zu ging und er Schmerzen hatte. Bei der Abrechnung ist mir aufgefallen, dass der Zahnarzt auch das Ausstellen für
1 Rezept verrechnet. Fr. 44.16. Finde ich total frech. Ein Aufwand von ca. 2 Minuten.
Sehr geehrte Frau Zingg, besten Dank für Ihre Rückmeldung zu unserem Artikel. Wir haben über teure Rezepte beim Zahnarzt mal in diesem Artikel berichtet: https://www.beobachter.ch/kons…
Wenn Sie möchten, können Sie uns Ihren Fall aber mal per Mail an mailto://info@… schildern und wir prüfen, ob wir nochmals einen Artikel schreiben können.
Freundliche Grüsse, Ihre Beobachter-Redaktion
Die SSO hat schon lange das Kartellgesetzt aus dem Jahr 1992 verletzt, indem es moderne Systeme wie zum Beispiel Zahnarztzentren (Bsp. Graubünden) oder unbeliebte Kollegen einfach aus dem Notfalldienst ausschliesst und somit aushungert.
Die SSO ist so gross geworden, dass kleinere (unbequeme) Praxen einfach ignoriert werden.
IV und KFO Abklätung sind jenseits von Vernunft. Dr. Med. Dent M vom Brocke