Aufs Rentenalter vorbereiten?
Was ein Kurs zur Vorbereitung des Rentenalters bringen kann.
Veröffentlicht am 9. Dezember 2014 - 10:26 Uhr
Kurt F.: «Ich werde in drei Jahren pensioniert. Meine Frau will mich unbedingt in einen Vorbereitungskurs für Rentner schicken. Ich finde das unnötig. Was meinen Sie?»
Ein solcher Kurs ist durchaus eine grosse Chance. Vielleicht verbirgt sich aber hinter dem Drängen Ihrer Frau auch deren Angst vor der neuen Situation, wenn Sie plötzlich den ganzen Tag zu Hause bleiben. Sprechen Sie mit ihr darüber und legen Sie die Karten offen auf den Tisch. Dann ergeben sich meist von selbst gute Lösungen. Nach solchen würde ich allerdings erst suchen, wenn Sie wirklich pensioniert sind und tatsächlich ein Problem in dieser Richtung entstehen sollte.
Der Eintritt ins Rentenalter ist nur ein Beispiel für die Übergänge, die zum Leben gehören. Es verläuft nämlich nicht in einem gleichmässigen Fluss, sondern in Phasen mit unterschiedlichen Herausforderungen. Das beginnt schon mit dem Schuleintritt. In der Pubertät erzwingt die Geschlechtsreife den Abschied von der Kindheit, mit dem Eintritt ins Berufsleben wird man zum «richtigen» Erwachsenen. Eine feste Partnerschaft verlangt weitere Veränderungen. Ehe und Elternschaft sind grosse Herausforderungen. Die weibliche Menopause, aber auch die Situation nach dem Auszug der Kinder oder das Ende einer Partnerschaft müssen ebenfalls bewältigt werden.
Übergänge sind sowohl Belastungen wie auch Chancen. Sie fördern die Reifung und Entwicklung unserer Persönlichkeit, wenn wir sie bewusst angehen. Dabei müssen wir drei Phasen grosse Beachtung schenken:
- Erstens geht bei Lebensübergängen immer eine Zeit zu Ende. Es ist wichtig, noch ein letztes Mal zurückzuschauen, sich sowohl an das Schöne zu erinnern und seinen Verlust zu betrauern als auch erleichtert Dunkles, Schweres oder Belastendes loszulassen. Oft kann man dabei als hilfreiches Ritual konkret in der Wohnung aufräumen, alte Erinnerungsstücke oder Fotos entsorgen oder neu einordnen.
- Die zweite Phase ist beinahe noch wichtiger und darf nicht ausgelassen werden. Es ist die Phase der Offenheit, in der noch alles brachliegt. Das Alte ist abgeschlossen, und das Neue hat sich noch nicht herausgeformt, ist in der Schwebe, im Werden. In dieser Situation muss man etwas Angst und Unsicherheit ertragen können. Es wäre ein Fehler, gleich in eine neue, vorgefertigte Rolle zu schlüpfen: so zu werden, wie Rentner zu sein haben, oder Erwachsene oder Verwitwete. Jede Übergangsphase ist eine Möglichkeit zur kreativen Neugestaltung des Lebens. Allmählich wird die meist auch gefühlsmässig turbulente Übergangsphase zu Ende gehen.
- Als dritten Schritt wird man die Zukunft Element für Element so neu gestalten, dass die Anforderungen und eigenes, individuelles Wesen gut zusammenpassen.
Hermann Hesse sagt es sehr schön in seinem Gedicht «Stufen»:
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
- Räumen Sie auf und nehmen Sie Abschied vom Vergangenen.
- Ertragen Sie ein gewisses Mass an Labilität, Unsicherheit und Angst.
- Fürchten Sie eine allfällige Leere nicht, sondern erkennen Sie die darin enthaltene Freiheit.
- Geben Sie sich genügend Zeit für die Neuorientierung.
- Suchen Sie Ihren eigenen Weg und verpassen Sie sich keine Konfektionsidentität.
Buchtipp: Verena Kast: «Lebenskrisen werden Lebenschancen. Wendepunkte des Lebens aktiv gestalten»; Verlag Herder, 2014, 192 Seiten, CHF 19.90