Wirklich nichts für Warmduscher
Aquafit oder Aquajogging erfreut sich seit einigen Jahren wachsender Beliebtheit. Mit gutem Grund: Strampeln im Wasser ist harter Sport bei nahezu perfekten Trainingsbedingungen.
aktualisiert am 23. Mai 2018 - 15:52 Uhr
Wer das nicht gewohnt ist, der kommt sich ziemlich dämlich vor, mit einem knallbunten Aquanoodle-Schlauch zwischen den Beinen durchs Wasser zu gehen. Selbst mit Westen und Gurten am Körper beschleicht einen das peinliche Gefühl der frühesten Nichtschwimmerjahre. Kleiner Tipp: nicht abschrecken lassen, es lohnt sich. Denn der gesunde Trendsport Aquajogging macht nicht nur Spass, er verschafft auch Fitness
und tut spürbar gut (siehe Infobox «Fitnessprogramm für den ganzen Körper»).
Kursleiterin Lisa Lenherr lacht über so viel Anfangsskepsis. Mit ihrer Gruppe hat sie eben die Aufwärmübungen im brusttiefen Wasser beendet. Nun entlässt sie die Truppe ins tiefe Element des Schulschwimmbads in Schwerzenbach ZH. Gurte und Poolnoodles aus Schaumstoff um schmale und weniger schmale Taillen sorgen für den nötigen Auftrieb.
Mit Tempo und Musik gehts freischwebend von Übung zu Übung: quer durchs Becken im Stelz-, Lauf- und Hürdenschritt, immer der Wasserträgheit entgegen. Die Arme gespannt, den Körper gerade und nicht zu weit nach vorn beugen. Warum? Weil es gilt, sich aufrecht durchs Wasser zu bewegen und nicht zu schwimmen. «Gar nicht so einfach», sagt die 37-jährige Kursteilnehmerin Sandra. Sie ist seit vier Jahren überzeugte Aquajoggerin.
Ist die Balance gefunden, machen die vielseitigen Übungen grossen Spass: Kniehebeläufe, Anfersen, Schreitlauf über imaginäre Hindernisse oder intensives Gehen mit durchgestreckten Beinen. Je schneller die Bewegung im Wasser, desto grösser ist der Widerstand. Mit flossengleichen Handschuhen wird das Ganze härter. «Ich achte sehr darauf, dass die Übungen dem Gesundheits- und Fitnesszustand der Teilnehmer angepasst sind», sagt die Trainerin.
Gut, dass das Wasser hilft, die Körpertemperatur zu regulieren. So schwitzt man nicht so sehr. «Und am nächsten Tag hat man keinen Muskelkater », beruhigt eine Aquajoggerin.
«Eine intensive Trainingsminute im Wasser entspricht rund fünf Minuten auf dem Trockenen.»
Lisa Lenherr, Aquafit-Trainerin
Zwischen 20 und 80 Jahre alt sind die Wasserratten, die diesen Sport zu ihrem auserkoren haben. Ausdauer- und Muskelaufbau, Hautmassage, Figurtraining treibt sie an. «Man kann die Übungen individuell dosieren, und nach 45 Minuten weiss man, was man getan hat», sagt Kursteilnehmer Heinz. Der 56-Jährige versteht nicht, weshalb nur wenige Männer Aquajogging betreiben. «Das ist ein reines Imageproblem», weiss Lisa Lenherr. Denn: Eine intensive Trainingsminute im Wasser entspricht rund fünf Minuten auf dem Trockenen - also kein Sport für Warmduscher
.
Aquafit, Aquatrim oder Aquajogging heissen die Kurse, die Schwimmvereine, Rheumaliga und andere Gruppen anbieten. «Dieser Wildwuchs von Namen meint dieselbe Sache», sagt Matthias Brunner, Geschäftsführer der Aqua Team Bern. Brunner gilt als Vorreiter auf dem Gebiet der Aquafitness in der Schweiz.
«Man muss sich der Kreislaufbelastung beim Aquafit bewusst sein.»
Hans-Ulrick Backes, Sportmediziner
Mit Aquafit gemeint ist: Laufen in tiefem und stehtiefem Wasser, kombiniert mit Übungen, die Auftrieb, Druck und Widerstand des nassen Elements für optimales Ganzkörpertraining nutzen. «Aquajogging ist sehr zu empfehlen, besonders was den Bewegungsapparat und die allgemeine Fitness angeht», bestätigt der St. Galler Sportmediziner Hans-Ulrich Backes. Schränkt aber ein: «Man muss sich der Kreislaufbelastung bewusst sein. Herz-Kreislauf-Krankheiten sind deshalb vorgängig abzuklären, damit es nicht zu unliebsamen Überraschungen kommt.»
Auch für Rückenpatienten ist Aquajogging nur unter Anleitung ideal, wie Matthias Brunner erklärt: «Die Schwerelosigkeit verleitet zu schlechter Haltung. Das muss man üben.» Diabetiker sollten ebenfalls achtgeben: Der Blutzuckerspiegel verhält sich im Wasser anders als auf dem Land.
Wer sich fit genug fühlt, muss Aquajogging nicht nur in Hallenbädern üben, sondern kann auch mal einen See überqueren. Eine sportliche Herausforderung allemal - mit Gurt, Weste oder Schaumstoffnoodle.
Aquajogging ist ein optimales Ganzkörpertraining. Es ist gesund, stärkt den Bewegungsapparat und fördert die allgemeine Fitness.
- Gewicht: Aquajogging ist weniger anstrengend als Sport gleicher Intensität an Land. Die Leistung liegt aber wesentlich höher. Selbst Untrainierte können zwischen 600 und 800 Kilokalorien pro Stunde verbrauchen.
- Herz/Kreislauf: Durch den Wasserdruck wird die Atmung intensiviert, die Herz-Kreislauf-Funktionen werden angekurbelt.
- Gelenke und Bänder: Verletzungsrisiko und Verschleiss sind minim. Die schiere Aufhebung der Schwerkraft macht selbst aus ruckartigen Belastungswechseln gleitende Bewegungen. Gelenke, Bänder, Sehnen und Muskeln werden geschont, Wirbelsäule und Bandscheiben entlastet.
- Muskulatur: Bewegungen im Wasser lockern und dehnen die Muskulatur. Das Üben gegen den natürlichen Widerstand kräftigt die Muskeln und fördert die Ausdauer.
- Haut: Durch den Wasserdruck wird die Haut sanft massiert, besser durchblutet, das Gewebe gefestigt: Das ist gut gegen Cellulite. Der Druck wirkt wie eine Ganzkörper-Lymphdrainage, bei der die Lymphflüssigkeit zurück in den Blutkreislauf transportiert und über die Nieren ausgeschieden wird.
- Durchblutung: Der Blutrückfluss aus den Beinen zum Herzen wird durch den Wasserdruck erleichtert, was bei Venenerkrankungen und schweren Beinen wohltuend wirkt - auch für Schwangere, die unter Schwellungen leiden.
- Haltung: Beweglichkeit, Koordination und Balance werden geschult.