Ich sehe vor allem zwei Erklärungen für Ihre Reaktion. Erstens gibt es eine «Melancholie der Erfüllung». Dem Durchschnittsmenschen ist offenbar am wohlsten, wenn er nach etwas strebt. Wenn wir unterwegs zu einem Ziel sind oder uns aus einer belastenden Situation befreien wollen, brauchen wir nicht über den Sinn des Lebens nachzudenken. Noch sind wir zwar nicht glücklich, aber wir wähnen uns auf dem Weg zum Glück. Endlich angekommen, stellt sich nach der Entspannung und Erleichterung oft ein Gefühl der Leere und Sinnlosigkeit ein. Das ist normal und geht in der Regel schnell vorbei. Da man sich ja befreit oder ein Ziel angestrebt hat, um einen bestimmten Zweck zu erreichen, wird einen bald die neue Aufgabe, der weitere Lebens- und Entwicklungsweg mit Neugier und Freude erfüllen. Wer wie Sie diplomiert wurde, kann sich im erlernten Beruf entfalten.

Eine zweite Erklärung für ihr «Lochgefühl» könnte die «Erschöpfungsdepression» sein. Vielleicht haben Sie sich zum Erreichen des Ziels zu viel zugemutet. Kaum lässt die Anspannung nach, fordern Körper und Seele ihr Recht.

Glück ist kein immerwährender Zustand
Die Batterien müssen wieder aufgeladen werden. Das Rezept: eine Auszeit mit Schlaf, viel frischer Luft, Wellnesstraining, zwischenmenschlichem Kontakt. Ist die Kraft zurückgekehrt, kann man sich der neuen Aufgabe zuwenden.

Vielleicht hat Ihre Enttäuschung auch damit zu tun, dass man sich falsche Vorstellungen vom Glück macht. Glück ist wie alle anderen Gefühle nur ein vorübergehender Zustand. Auch «glückliche Menschen» erleben nicht nur Momente des Wohlbefindens, dazwischen gibt es in jedem Leben Schmerz, Leid, Enttäuschung und Wut.

Oft hängt die Enttäuschung damit zusammen, dass wir nur auf eine und oft auf die falsche Karte gesetzt haben. Zufriedenheit erreicht man nicht durch Befriedigung eines einzelnen Bedürfnisses, sie ist etwas Ganzheitliches. Laut dem US-Psychologen Abraham Maslow sind wir erst zufrieden, wenn in folgenden Bereichen kein Mangel mehr herrscht:

Partnerinhalte
 
 
 
 
  • Physiologische Bedürfnisse – Hunger, Durst, Sexualität
  • Bedürfnis nach Sicherheit
  • Bedürfnis nach gegenseitiger Liebe und Zugehörigkeit
  • Bedürfnis nach Wissen und Erkenntnissen
  • Bedürfnis, anerkannt und respektiert zu werden
  • Bedürfnis, sich entfalten zu können

Buchtipp
Abraham H. Maslow: «Motivation und Persönlichkeit»; rororo, Reinbek bei Hamburg, 2002, Fr. 14.60