Psychotherapie: «Bringt mich Psychoanalyse weiter?»
Eine Behandlung auf der Couch ist nicht immer nötig – Koni Rohner zeigt Alternativen.
Veröffentlicht am 6. Februar 2002 - 00:00 Uhr
Ich gehe dreimal pro Woche in die Psychoanalyse. Die Probleme sind aber immer noch da, und ich bin nicht weitergekommen. Jetzt frage ich mich, ob es andere Formen der Behandlung gibt, die schneller zum Ziel führen. Ich will nicht Jahre an mir arbeiten, bis die «Päckli» vielleicht gefunden und geöffnet werden können. Veronika U.
Es gibt heute in der Tat wirksame Behandlungsformen, die weniger Zeit beanspruchen. Zwar ist die Psychoanalyse, bei welcher der Klient auf einer Couch liegt und der Therapeut hinter seinem Kopf sitzt, zuhört und von Zeit zu Zeit eine Deutung ausspricht, die Mutter der meisten modernen Psychotherapien. Aber selbst Sigmund Freud, der diese Behandlungsform vor 100 Jahren entwickelte, schrieb 1933 in seinen Vorlesungen, dass sie nur «eine unter vielen» sei. Er legte mehr Wert auf seine Erkenntnisse über das Wesen der Seele als auf die Heilmethode.
Fachleute schätzen, dass es heute in westlichen Ländern 300 bis 400 verschiedene psychotherapeutische Schulen gibt, die zum Teil auch unterschiedliche Vorstellungen von Störungen, ihren Ursachen und geeigneten Behandlungstechniken haben. Während die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts dadurch gekennzeichnet war, dass sich die Schulen voneinander abgrenzten und gegenseitig bekriegten, ist heute die zentrale Frage, was denn eigentlich übergreifend wirkt.
Der Zürcher Professor Heinz Stefan Herzka zählt die Psychotherapie zu den bedeutendsten Errungenschaften des 20. Jahrhunderts. Psychotherapie ist die Entdeckung der heilenden Kraft von zwischenmenschlichen Beziehungen und steht im Dienst der Lebensqualität. Leider haben weder Politiker noch Krankenkassen verstanden, dass die Gesundheits- oder besser Krankheitskosten wesentlich sinken dürften, wenn die Menschen ihr seelisches Ungleichgewicht wahrnehmen und mit Spezialisten daran arbeiten würden, bevor körperliche Schäden entstehen. Im kleinen Rahmen des Einzelnen funktioniert es genau gleich wie im grossen Massstab auf unserem Planeten: Wenn ein Ungleichgewicht besteht, nehmen destruktive Prozesse überhand.
Wie Sie gute Therapeuten erkennen
Der Zürcher Psychotherapeut Peter Hain hat mit international berühmten Berufskollegen Gespräche geführt und versucht, die wichtigen Aspekte einer heilenden Beziehung herauszukristallisieren. Einen wirksamen Therapeuten kann man demnach anhand der folgenden vier Fähigkeiten erkennen:
- Er ist empfindsam, nimmt den Klienten ernst und ist fähig, sich einzufühlen, ohne zu werten. Er ist voller Interesse, Neugier und Flexibilität und hat sich einen Anfängergeist bewahrt. Das heisst, er ist bereit, vorurteilslos die Persönlichkeit des Klienten kennen zu lernen.
- Es ist eine klare Heilungsabsicht spürbar. Er glaubt an die heilende Kraft im Klienten selbst.
- Er ist fähig, Intensität zu erzeugen. Das bedeutet: In der Therapie wird nicht nur geredet; starke Gefühle werden mit Leib und Seele erlebt.
- Selbstverständlich soll der Therapeut auch eine solide Ausbildung absolviert haben und verschiedene Techniken beherrschen. Schliesslich ist der Klient auch Konsument: Sind die genannten Bedingungen nicht erfüllt, sollte er sich jemanden suchen, der die Dienstleistung Psychotherapie wirksamer erbringt.