Totale Vereinnahmung
Frage: Zurzeit liest man viel über pseudowissenschaftliche oder esoterische Gruppen wie die Raëlisten, die angeblich einen Menschen geklont haben. Wie kann man erkennen, dass eine bestimmte Gruppierung eine Sekte ist?
Veröffentlicht am 18. Februar 2003 - 00:00 Uhr
Längst nicht alle Sekten erkennt man daran, dass sich ihre Mitglieder in zartes Rosa kleiden oder dass ein «Sprachrohr Gottes» den Weltuntergang prophezeit. Und längst nicht alle Sekten missionieren auf der Strasse oder an der Haustür. Zuweilen sind sie gut getarnt: als Jugendklub, als wissenschaftliche oder politische Gruppierung, als religiöse Gemeinschaft oder als einfacher Verein.
Vorsicht ist geboten, wenn eine Gruppe exakt das anbietet, was einem angeblich immer gefehlt hat, und wenn sie behauptet, dass sie jedes Problem der Welt erklären und lösen könne. Die Lehre einer Sekte gilt ihren Mitgliedern fast immer als die einzig wahre und erlösende Erkenntnis. Meist können sie dieses Wissen aber nicht erklären und locken Zweifler mit den Worten, es sei besser, «einfach mal mitzukommen, um die Gruppe zu erleben».
Kritik von aussen wird als Beweis dafür angesehen, dass die Sekte Recht hat. Über Andersdenkende macht man sich lustig und bezeichnet sie als unwissend. Rationales Denken und gesunder Menschenverstand werden ebenso verteufelt wie fundierte Wissenschaft. Schliesslich habe das alles der Menschheit bisher bloss geschadet.
Vorschriften zum Sexualverhalten
Was gut und was böse ist, weiss eine Sekte ganz genau. So ist es nicht erstaunlich, dass oft auch das Sexualverhalten genau vorgeschrieben wird: Entweder wird Enthaltsamkeit gepredigt, oder man hält die Mitglieder zu Gruppensex und Partnertausch an.
Die meisten Sekten haben einen Guru, ein Medium, eine Meisterin oder eine Präsidentin, der oder die immer alles weiss und zu jedem Problem die passende Lösung kennt. Einige wenige Gruppen finanzieren sich über Spenden, die meisten jedoch verlangen von ihren Anhängern Beiträge. Diese können so hoch sein, dass die Mitglieder in finanzielle Abhängigkeit geraten.
Sekten vereinnahmen ihre Mitglieder total: In der Freizeit muss für die Gruppe gearbeitet werden. Allein ist man selten, stets sind andere Mitglieder anwesend.
In die Fänge einer Sekte geraten übrigens nicht nur «einfältige» und «labile» Personen: Jeder macht Phasen durch, in denen er auf der Suche nach dem Sinn des Lebens besonders leichtgläubig und empfänglich für vermeintlich einfache Problemlösungen ist. Sich diese Tatsache vor Augen zu führen, ist neben Information die beste Prävention.