Schweizer Wohltäter unter Beschuss
Ein Schweizer Verein sammelt für ein Kinderdorf in Marokko gegen eine Million Franken. Jetzt gibts heftige Kritik. Die Rede ist von Betrug und der Veruntreuung von Spenden.
Veröffentlicht am 25. April 2017 - 09:39 Uhr
Es war einmal ein älterer Herr, der in seinem Leben fast alles erreicht hatte. Da merkte er, dass das grösste Glück darin besteht, anderen zu helfen. Er kam auf die Idee, im fernen Marokko ein Dorf für uneheliche, verstossene Kinder zu gründen. Und so geschah es.
Der Mann heisst Hansjörg Huber, ist gut 70 und war Versicherungsagent. Und das Dorf für Kinder hat er tatsächlich gebaut. Es heisst Dar Bouidar und liegt rund 30 Kilometer südlich von Marrakesch am Fuss des Hohen Atlas. Die Planung begann 2009, drei Jahre später fanden erste Bauarbeiten statt. Über 1,5 Millionen Franken aus eigenen Mitteln sowie sehr viel Zeit und Herzblut hat Huber nach eigenen Aussagen in das Kinderdorf investiert.
Das Projekt findet noch heute neue Unterstützer. Etwa den deutschen Kinderarzt Gerd Sparrer. Diesen Februar verbrachte er zwei Wochen in Dar Bouidar. Seine Erfahrungen hielt er in einem Bericht fest – eine Lobeshymne. Sparrer sieht Dar Bouidar als grossartiges Beispiel privaten, karitativen Engagements, einer Vision, die tatkräftig umgesetzt worden ist.
Auch mit Spendengeldern. Allein in der Schweiz kam in den letzten fünf Jahren rund eine Million Franken für Dar Bouidar zusammen.
«Huber hat mich nachweislich zweimal betrogen.»
Brida von Castelberg, grösste Einzelspenderin
Doch seit einiger Zeit steht Hansjörg Huber heftig in der Kritik. Der marokkanische Verein und der Schweizer Unterstützungsverein Kinderdorf Marrakesch sind in Turbulenzen geraten. In beiden Vereinen gab es interne Auseinandersetzungen, teils mit juristischem Nachspiel.
So wurde die Direktorin des Kinderdorfs im September 2015 Knall auf Fall entlassen. Im Oktober 2015 traten alle Vorstandsmitglieder des Schweizer Vereins zurück. Diesen Februar legte der Kassier des marokkanischen Vereins sein Amt unter Protest nieder. In allen Fällen wurden ein eigenmächtiges Vorgehen von Huber und undurchsichtige finanzielle Praktiken angeprangert. Dass einiges schiefläuft, zeigt auch die Zahl der Mitglieder. Vor anderthalb Jahren waren es über 1000, heute sind es noch rund 200.
Was ist los in Dar Bouidar? Huber präsentiert seit Jahren die Gebäude, in denen gelegentlich ein Kinderarzt arbeitet, die Aufenthalts- und Spielräume für die Kinder und die Galerie mit seiner Gemäldesammlung. Oder die Moschee auf dem zwölf Hektar grossen Gelände. Er sei wohl der einzige Schweizer, der eine Moschee besitze, steht in einer der vielen Broschüren. An anderer Stelle heisst es, ein grosszügiger Spender habe die Moschee finanziert.
«Mit der Wahrheit geht Huber ausgesprochen locker um», sagt Brida von Castelberg, ehemalige Chefärztin der Frauenklinik des Zürcher Stadtspitals Triemli. Sie ist die grösste Einzelspenderin von Dar Bouidar.
Die Angestellten sagen nichts. Vielleicht auch weil Ibtissam Majdar, die Leiterin des Kinderdorfs, im September 2015 fristlos entlassen wurde. Sie hatte Marc Schaetzle, den damaligen Präsidenten des Schweizer Vereins, auf Unregelmässigkeiten und inkorrekte Verbuchungen von Ausgaben hingewiesen. Schaetzle, seine Frau Joya und Ärztin von Castelberg zogen nach den Gesprächen mit Majdar die Notbremse. Sie verfassten eine Mail an alle Mitglieder und traten aus dem Schweizer Verein aus.
An einer ausserordentlichen Generalversammlung im Oktober 2015 traten auch die restlichen fünf Vorstandsmitglieder aus; sie könnten es nicht länger verantworten, im Vorstand eines Vereins zu sitzen, der mit Spendengeldern auf solche Weise umgehe. Vereinsguthaben von rund 230'000 Franken überwies man auf ein Sperrkonto bei einer Zürcher Anwaltskanzlei, gegen Huber wurde eine Betrugsklage eingereicht. Doch drei Monate darauf verfügte die Zürcher Staatsanwaltschaft, das Geld müsse dem Verein unter dem mittlerweile neu konstituierten Vorstand überwiesen werden.
Marc Schaetzle, während dreier Jahre Präsident von Dar Bouidar, will sich öffentlich nicht mehr zum Fall äussern. Brida von Castelberg dagegen sagt, sie sei «tief enttäuscht von Hubers Verhalten», vor allem wegen seines Umgangs mit der damaligen Direktorin und einer jungen Ärztin, die er stundenlang ausgefragt habe und von der Polizei habe verhören lassen. Es sei für sie unmöglich geworden, weiter mit Huber zusammenzuarbeiten.
«Huber hat mich nachweislich zweimal betrogen», sagt von Castelberg. So habe er ihr für den Bau des einfachen Ärztehauses 97'000 Franken in Rechnung gestellt, obwohl nur 35'000 Franken budgetiert gewesen seien. In einem zweiten Fall habe er 92'000 Franken Spendengeld für den Kauf eines Ambulanzfahrzeugs für andere Zwecke verwendet. Von Castelberg hatte die eine Hälfte gespendet, eine Stiftung die andere. Das Fahrzeug wurde nachweislich nicht gekauft. Nach Androhung einer Klage zahlte Huber der Stiftung die 41'610 Franken zurück, von Castelberg wartet bis heute auf die Rückzahlung.
Ein anderer Spender, der sich von Dar Bouidar abgewendet hat, ist der Zürcher Kinderarzt Andreas Schmidt. Es sei «eine einzige Katastrophe», sagt er. Huber habe viele Spender «nach Strich und Faden angelogen». Schmidt ist überzeugt, dass bei diesem Projekt Spendengelder veruntreut worden sind. Da habe «jemand unter dem Deckmantel der humanitären Arbeit versucht, sich zu bereichern».
«Gegen mich wurde ein Komplott geschmiedet. Ich musste eingreifen, um mein Lebenswerk zu retten.»
Hansjörg Huber, Gründer des Kinderdorfs
Schmidt erzählt von einem luxuriösen Tourismusprojekt, das Huber auf dem Grundstück neben dem Kinderdorf errichten wolle. Huber habe ihm die Pläne gezeigt. Ein solches Projekt können Europäer in Marokko auf Landwirtschaftsland nur mit einer Ausnahmebewilligung verwirklichen. Das Kinderdorf könnte, sollte das zutreffen, bloss Mittel zum Zweck gewesen sein, um eine solche Bewilligung zu erhalten.
Andere Informanten sehen das ähnlich, lassen sich aber nicht zitieren. Manche scheinen Hubers mögliche Rache zu fürchten, andere haben offenbar nicht ganz legale Geschäfte mit ihm betrieben und sind erpressbar.
Gründer Huber sieht das alles anders. Vereinspräsident Schaetzle habe mit Direktorin Majdar ein Komplott gegen ihn geschmiedet. Er habe keine andere Wahl gehabt, als einzugreifen, «um mein Lebenswerk zu retten». Diese Sichtweise teilt André Kilchenmann, emeritierter Professor und einstiger Beirat von Dar Bouidar. Er war 2014 «vorwiegend aus gesundheitlichen Gründen» zurückgetreten. Er habe Huber damals mehrfach auf kritische Punkte aufmerksam gemacht, doch dieser habe seine Ratschläge leider erst im Nachhinein beherzigt.
«Huber war immer ein Mensch, der höchste Ziele verfolgt hat», sagt Kilchenmann. «Er hat sich nie mit halben Lösungen zufriedengegeben. Das ist seine Art.» Er schliesse aber absolut aus, dass Huber betrogen habe.
Das Projekt Dar Bouidar hat einen weiteren Geburtsfehler. Huber hatte mehrfach behauptet, er sammle Geld ausschliesslich für Betrieb und Unterhalt des Kinderdorfs. Den Landkauf und die Bauten finanziere er mit eigenen Mitteln. Doch schon länger ist klar, dass das so nicht stimmt. In Broschüren wie auf der Website des Vereins wird aktiv um Spendengelder zur Fertigstellung der geplanten zehn «Familienhäuser» gebeten. Manche Insider vermuten gar, Huber habe Spendengelder abgezweigt, um Löcher in seinem privaten Budget zu stopfen. Huber weist all diese «gemeinen Anschuldigungen» kategorisch zurück.
Die Turbulenzen im Schweizer Unterstützungsverein hat Huber überstanden. Und der neue Vorstand scheint voll auf seiner Seite zu stehen. Für das Projekt wird nun unter dem neuen Namen «Les Enfants de l’Atlas – Village Dar Bouidar» geworben.
Ungemach droht nun aber in Marokko. Der Immobilienhändler Laurent Hage ist Ende Februar 2017 unter Protest als Kassier von Dar Bouidar zurückgetreten. Er habe in den vier Monaten seiner Arbeit «nie Zugang zu den Konten gehabt», sagt er. Es existiere «weder eine Kassa- noch eine Kontoführung, weder eine Jahresbilanz noch eine Genehmigung der Jahresrechnung». Dar Bouidar werde «von Cowboys der untersten Schublade verwaltet, die Gesetze kaum respektieren». Hage hat im vergangenen Dezember gegen die Verantwortlichen des Vereins Anzeige erstattet.
Auch hier stellt Huber die Sache anders dar. Hage sei ein «schwerkranker, nicht zurechnungsfähiger Mann», der an «Parkinson im fortgeschrittenen Stadium» leide. Zudem habe er die Direktorinnen des Kinderdorfs «bedroht und sexuell belästigt».
Die Lage ist verworren. Das dürfte zum einen daran liegen, dass die meisten Delikte, falls sie stattgefunden haben, in Marokko begangen wurden und daher von dortigen Gerichten beurteilt werden müssten. So bleibt wohl offen, ob es zu strafrechtlich relevanten Taten gekommen ist. Hansjörg Huber kämpft weiter mit aller Energie für sein Projekt. Beim Besuch vor Ort spricht er von neun weiteren Kinderdörfern, die er mit einem spanischen Verein realisieren will.
Kritiker aus der Schweiz schütteln den Kopf. Dar Bouidar verfüge bis heute weder über eine Betriebsbewilligung noch über die Bewilligung, medizinische Tätigkeiten auszuführen, sagen sie. Das Dorf erhalte zudem keine Kinder mehr von der Kafala, der marokkanischen Kinderschutzbehörde. Huber sei ein «riesiger Hochstapler mit viel Charisma», sagt Brida von Castelberg. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis der Betrug auffliege, glaubt ein anderer Informant.
Huber widerspricht vehement. Er verweist auf einen «Vertrag, der mit dem Gesundheitsministerium abgeschlossen und vom lokalen Parlament ratifiziert wurde». Derzeit lebten 42 Kinder in Dar Bouidar. Auch diese Zahl bestreiten Kritiker. Kann der charismatische Gründer die kritischen Fragen nicht rasch klären, droht zumindest ein gigantischer Imageschaden.
10 Kommentare
Lieber Herr Stauffer,
Ich habe mehr erwartet!
Vorallem mehr Qualität und Wahrheit in Ihrer journalistischen Recherchen. Von wo haben Sie diese Zahlen? Alle sind falsch!
Das Auto Toyota Prado kostete 413'600 DH (ca 43'000.-- CHF)
und wurde anbezahlt mit 122'600.-- DH. (Auszüge aus der Buchhaltung Cooper Lybrand Revision + publiziert im Internet!)
Im Juni 2015 sollte ich die Restzahlung leisten, brauchte hingegen das Auto noch nicht, da die Bewilligung zum Ausrücken seitens der Regierung noch nicht vorlag. Dann hat die Toyota Garage den Vertrag aufgelöst und die Anzahlung zurückbezahlt. Ich würde dann das Modell mit dem Euro Katalysator erhalten. An Brida von Castelberg vor Zeugen mitgeteilt)
Als nun Frau von Castelberg sich zurückziehen wollte, habe ich - entgegen aller Regeln - und dem Frieden zu Liebe, meiner Partnerin Brida von Castelberg freiwillig das gestiftete Geld der Stiftung "Wilhelm Doerenkamp" zurückbezahlen wollen.
Dr. A Adnani, Vice Präsident der marokanischen Organisation hat sich darauf vehement geweigert irgendwelche Stiftungsgelder aus Marokko zurückzubezahlen. Dann habe ich den Betrag von CHF 41'610.-- von meinem Schweizer Konto bezahlt. Eigenmächtig und nocheinmal, aus Freundschaft zu Brida. Und nun bin ich ein Hochstapler, wenigstens mit Charisma...
Die Immobilienzahlen sind noch weiter entfernt von realen Zahlen, welche alle auf der marokanischen Web-Seite publiziert sind.
Woher Sie die Zahlen von 92'000.-- und 97'000.-- CHF nehmen kann ich nicht nachvollziehen... Hätten sie mich gefragt, ich hätte Ihnen die Wahrheit dokumentiert! Ich kenne nämlich zeitlebens nur diese Version: diejenige der Wahrheit. Ich habe ihnen bereits geschrieben und gesagt, dass ich niemandem mehr etwas beweisen muss, nicht einmal mir selbst! Das ist ein schönes Gefühl und im Kinderdorf die nun 43 Kinderlein zu beherzen und deren Entwicklung zu verfolgen ist täglich kraft- und mutspendend für den sinnsuchenden Alten.
Mein einziges Ziel ist, die, der Regierung und der Königsfamilie versprochenen 10 Kinderdörfer zu bauen, ein Leuchtturm in der marokkanischen Gesellschaft, um den Hiesigen zu zeigen, wie sie das Problem der 12'000 jährlich ausgesetzten Kinder lösen könnten. 4 Dörfer sind bereits durch gleichgesinnte Menschen versprochen und in Vorbereitung. Dieses Ziel werde ich erreichen, auch ohne Unterstützung der berühmten Schweizer Gynäkologin.
Diese Dame hat einfach meine/unsere Freundschaft nicht verstanden und anderen Leuten zugehört, welche Einfluss hatten.
Und nun beginnt die Dame einen Rachezug, mit bösen Behauptungen und Verleumdungen, auch unter der Gürtellinie. Unwürdig und einfach "no comment". Schade für die Energie, welche ich den Kindern widmen wollte. Das Gute wird immer siegen, vorallem wenn die Energien und die Leistungen nicht "pro domo", in eigener Sache, sondern für die Schwächsten dieser Gesellschaft ohne jegliche profilierungsneurotische Absicht bestimmt sind.
Die Firma PwC Pricewater-House Cooper macht die Revision des Schweizer Vereins. Hier in Marokko ist es die Cooper Lybrand, eine der grössten Revisionsgesellschaften des Landes. Diese Revisionen sind auf den Web-Seiten publiziert. Transparenter geht nicht!
Kommen sie, verehrte Beobachter Leser und Leserinnen unser Kinderdorf am Fusse des Atlas besuchen. Sie werden begeistert sein. Wir garantieren Ihnen, dass jeder Franken, ohne Abzug von Verwaltungskosten, direkt für den Unterhalt der Kinder oder den Bau eines Kinderdorfes verwendet wird.
Ich verbürge dies mit meinem Vermögen, meiner Ehre und meiner Person.
www. kinderdorf-marrakech.ch
https://dev.atlas-children.org
www. lesenfantsdarbouidar.com
Facebook les enfantsdarbouidar.com
Hansjörg Huber
Gründer und Präsident