Die «stille Pandemie» – und andere Überraschungen
Das war die Woche vom 4. bis zum 10. September im Beobachter.
Veröffentlicht am 8. September 2023 - 17:32 Uhr
Liebe Leserinnen und Leser
Es ist leider so: Strom wird nächstes Jahr teurer. Und zwar so richtig viel teurer. Ein Durchschnittshaushalt wird 220 Franken mehr für Energie bezahlen müssen. Warum? Und warum sind die Tarife nicht überall in der Schweiz gleich? Und können Sie sich gegen die höhere Rechnung wehren? Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten dazu recherchiert.
(Und falls Sie schon jetzt mit dem Stromsparen anfangen möchten: Hier entlang bitte.)
Damit zur Geschichte der Woche
Ist die Pandemie vorbei? Wenn man Google fragt, liefert die Suchmaschine rund 7’740’000 mögliche Antworten. Ganz weit oben auf der Trefferliste findet man die Meldung, dass die Weltgesundheitsorganisation den globalen Gesundheitsnotstand im Mai für beendet erklärt hat.
Dass Sie diesen Freudentag aber sehr wahrscheinlich nicht mal mitbekommen haben, zeigt: Wenn wir Nicht-Epidemiologen über eine «Pandemie» reden, dann meinen wir damit kein Naturereignis. Nichts mit einem klaren, messbaren Anfang und Ende – wie zum Beispiel ein Erdbeben. Gemeint ist vielmehr etwas zutiefst Menschliches: ein gemeinsames Verständnis, dass wir als Gesellschaft zusammenstehen und eine Gefahr für unsere Gesundheit in den Griff bekommen müssen. Und egal, wie Sie heute zu Covid stehen: So gesehen ist «die Pandemie» tatsächlich schon lange «vorbei».
Heute möchten wir Ihnen einen Text über ein Problem empfehlen, das manche unterdessen als «die stille Pandemie» bezeichnen. Und der Begriff passt tatsächlich ganz gut. Denn es ist ein enormes Problem. Es existiert weltweit, wobei die Schweiz besonders stark betroffen ist. Und solange wir als Gesellschaft nicht viel mehr darüber reden, werden wir es nicht in den Griff bekommen. Unsere Autorin:
«Die meisten Männer, mit denen ich gesprochen habe, wollten nicht einmal anonymisiert im Text erwähnt werden. Möglich waren die Gespräche nur, weil ich die Partnerinnen kenne. Es ist etwas, wofür man sich schämt. Das hat mich nachdenklich gemacht, weil ich mir vorstelle, dass so zur körperlichen Versehrtheit ein grosses stilles Leiden kommt.» – Tanja Polli
Und die Neuigkeiten aus der Redaktion
Diese Woche hatte der Beobachter Besuch. Organisiert hat ihn Andreas Thut, der sich in der Chefredaktion um unser digitales Produkt kümmert. Er erzählt gleich selbst:
«Gast in der Redaktionskonferenz war Dmitry Shishkin, ehemaliger BBC-Journalist, Digitalexperte und momentan ein sehr gefragter Mann in den Medienhäusern der Welt. Warum? Shishkin hat früher als andere erkannt, dass Medien sich viel konsequenter auf die wahren Bedürfnisse ihres Publikums ausrichten müssen. (In der Vergangenheit sagte meist irgendein alter Hase, wohl aufgrund von Hosensackwärme mal Pi: «Dieses Thema wird gern gelesen!» Später kamen Online-Analysten und sagten: «Verbrechen und Büsis klicken gut.» Beides war nicht wirklich zufriedenstellend.) Doch statt Journalistinnen und Journalisten mit Marketing-Slang und kryptischen Kennzahlen zu traktieren, hat Shishkin ein simples, unmittelbar verständliches Modell entwickelt: Die sogenannten User-Needs, also Nutzerbedürfnisse.
Shishkins Modell geht davon aus, dass Leserinnen und Leser eigentlich stets sehr klare Erwartungen an einen Beobachter-Artikel haben (und das unabhängig vom Thema): Entweder möchten Sie zum Beispiel einfach auf den neuesten Stand gebracht werden – Update me! Oder Sie möchten neue, noch wenig bekannte Sichtweisen erfahren – Give me perspective! Oder Sie suchen Ablenkung und möchten einfach gut unterhalten werden – Divert me. Oder, und das ist vielleicht unser Lieblings-User-Need: Sie suchen nach Inspiration. Shishkin sagt ausserdem, dass Nutzerinnen pro Artikel am liebsten ein einziges Bedürfnis befriedigt haben wollen, das aber richtig – und nicht drei aufs Mal. Schon seit Mai sind wir am Üben, unsere Artikel möglichst sauber nach diesen Nutzerbedürfnissen auszurichten.»
Uns interessiert natürlich: Gelingt uns das? Wie nehmen Sie den Beobachter in den letzten Wochen wahr? Und gibt es Nutzerbedürfnisse, die wir noch nicht auf dem Schirm haben? Eine E-Mail von Ihnen würde uns sehr freuen.
Apropos E-Mail
Was Sie gerade gelesen haben, ist ein Auszug aus dem Beobachter-Newsletter. Immer am Sonntag geben wir darin Einblick in die Redaktion – und stellen die wichtigste Geschichte der Woche ins Schaufenster.