Beobachter: Jan Poëll, umgeben Sie sich gern mit schönen Menschen?
Jan Poëll: Ja. Und meine Frau ist die Schönste – und sie ist noch nicht operiert, wenn Sie darauf hinauswollen.

Beobachter: Sie sagen «noch nicht»?
Poëll: Wer weiss. Sollte sie es für nötig erachten, würde ich sie operieren. Doch das ist unwahrscheinlich. Sie ist über 50 und, so meine ich, sehr zufrieden mit sich. (Lacht)

Beobachter: Kommt es vor, dass sich jemand explizit wegen seines Partners unters Messer legt?
Poëll: Nein. In 30 Jahren kam nur in zwei, drei Fällen der Mann mit und meinte, es sei Zeit für eine Brustvergrösserung oder so. Solche Fälle nehme ich gar nicht an.

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Beobachter: Warum nicht?
Poëll: Eine Schönheitsoperation beschliesst man nicht spontan oder weil man erwartet, dadurch im Job oder auf Partnersuche erfolgreicher zu sein. Die Schönheitschirurgie ist kein Wundermittel. Wir können ein trauriges, abstossendes Gesicht straffen, aber nicht schön und sympathisch machen.

Beobachter: Was heisst denn «schön» für Sie?
Poëll: Schönheit kommt von innen, so altbacken das klingt. Damit ein Gesicht schön ist, muss es Zufriedenheit, Wohlbefinden ausstrahlen. Wenn jemand ständig mit herunterhängenden Mundwinkeln durchs Leben läuft, nützt eine schönere Nase wenig.

Beobachter: Schönheitschirurgie statt Psychotherapie ist also ein Trugschluss?
Poëll: Jein. Eine tiefsitzende Unzufriedenheit mit sich oder fehlendes Selbstwertgefühl sind mit dem Messer nicht zu beseitigen. Wer das erwartet, erlebt zwangsläufig eine Enttäuschung. Eine Schönheitsoperation kann insofern ein psychologisches Problem zusätzlich zementieren. Aber es gibt auch die andere Seite: Menschen, die danach selbstsicherer werden, aufblühen und ganz anders durchs Leben gehen. Diese Leute litten oft jahrelang unter ihrer Erscheinung, meist auch nur unter einem Detail.

Beobachter: Haben Sie schon spontan Leute angesprochen, weil Sie fanden, da liesse sich etwas machen?
Poëll: Nein, auch wenn es mich manchmal reizen würde. Wenn Sie jemanden sehen mit einer Warze auf der Lippe und Sie wissen, in zehn Minuten wäre die weg… So etwas ist doch schade.

Beobachter: Welche Kriterien finden Sie entscheidend für eine Operation?
Poëll: Primär der Leidensdruck. Wer sich bei mir unters Messer legt, hat sich die Sache x-mal überlegt. Die Mehrheit der Klienten will keine «Runderneuerung» oder die verflossene Jugend zurück, sondern spezifische Unschönheiten beseitigen. Auf Fotos oder beim Blick in den Spiegel springt einem stets dieses «störende Ding» ins Auge: die grosse Nase, die Tränensäcke. Oder sie mussten sich ständig anhören, sie sähen müde und schlapp aus. Irgendwann sagen sie sich: «Jetzt reichts, ich lass das korrigieren.» Ein solcher Entscheid steht jedem Menschen offen.

Beobachter: Doch oft stimmen Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung nicht überein.
Poëll: Das stimmt. Deshalb gibt es auch keine Garantie dafür, dass das Ergebnis letztlich den Erwartungen der Patientin entspricht – auch wenn die Operation aus medizinischer Sicht erfolgreich war.

Beobachter: Zweifeln Sie manchmal, ob ein Eingriff angezeigt ist oder nicht?
Poëll: Natürlich – aber dies zu entscheiden, liegt letztlich nicht an mir.

Beobachter: Wie oft weisen Sie Patientinnen ab?
Poëll: Sehr oft. Wenn eine Frau einen grösseren Hintern möchte oder der Mann ein Sixpack aus Silikon; so was mache ich nicht. Nicht, weil ich es nicht könnte – solche Eingriffe sind technisch keine besondere Herausforderung. Aber sie sind Unsinn. Letztlich ist jede Operation eine Körperverletzung und birgt entsprechende Risiken. Es sind in der Schweiz schon Menschen beim Fettabsaugen gestorben! Allerdings können insbesondere Frauen, die sich die Brust vergrössern lassen wollen, ganz schön stur sein.

Beobachter: Sie selbst joggen jeden Morgen. Das wäre doch nicht mehr nötig, dank Leuten wie Ihnen.
Poëll: So einfach ist es eben nicht. Ich versuche Klientinnen immer zunächst dazu zu bringen, das zu machen, was sie selbständig für ihre Schönheit tun können. Wenn ich jemandem zwei Liter Fett absauge, verändert das auf lange Sicht wenig. Bringe ich die Person aber dazu, auf natürlichem Weg zehn Kilo abzuspecken, dann verschönert sie das nachhaltig, weil sie zufriedener ist.

Beobachter: Wer ist komplizierter: Männer oder Frauen?
Poëll: Die Männer. Frauen sagen: «Herr Doktor, ich habe hier auf dem Nasenrücken einen Höcker, bitte korrigieren Sie das.» Der Mann sagt: «Ich kann mein Gesicht nicht mehr sehen, bitte tun Sie etwas.»

Beobachter: Werden Ihre Patienten tendenziell jünger?
Poëll: Nein. Doch man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass heute das Aussehen generell eine zunehmende Bedeutung hat – aber nicht nur unter Jugendlichen. Die Hürde, sich dafür unters Messer zu legen, ist aber nach wie vor hoch.

Beobachter: In den USA kriegen Jugendliche eine Brustvergrösserung zum 16. Geburtstag.
Poëll: Wie viel Wahres hinter dieser Aussage steckt, weiss ich nicht. Aber Tatsache ist, dass die Amerikaner eine andere Einstellung zu Schönheitsoperationen haben. Ein Freund praktiziert in Kalifornien. Er macht im Jahr rund 500 Brustvergrösserungen.

Beobachter: Und Sie?
Poëll: Zwischen 40 und 50. Meiner Meinung nach liegt eine vernünftige Brust im B-Körbchen-Bereich. Wer es grösser mag, muss sich einen anderen Arzt suchen oder sehr gute Gründe haben. Viel häufiger als Brustvergrösserungen sind jedoch Brustverkleinerungen – aus ästhetischen und gesundheitlichen Gründen.

Beobachter: Haben die Risiken generell abgenommen?
Poëll: Wenn Sie vom ausgebildeten plastischen Chirurgen ausgehen, ja. Man hat heute mehr Erfahrung, und die chirurgischen Techniken sind besser. Die Kehrseite der Medaille sind die vielen Scharlatane, die sich in diesem Markt tummeln und behaupten, Schönheitschirurgen zu sein.

Beobachter: Haben Sie nie das Gefühl, Sie pfuschen dem lieben Gott ins Handwerk?
Poëll: Das tue ich ja auch – zu Recht. Gott hinterlässt nun mal gewisse Dinge, die korrekturbedürftig sind. Ich glaube nicht, dass alles über seinen Schreibtisch geht.

Beobachter: Sind Schönheits-OPs salonfähig geworden?
Poëll: Die Akzeptanz ist heute sicher höher. Leute, die sich einer kosmetischen Operation unterzogen haben, müssen sich nicht mehr wochenlang verstecken. Man redet allgemein offener darüber.

Beobachter: Sie setzen mit Ihrer Arbeit die Messlatte höher. Wer nicht schön ist, kann ja etwas dagegen tun.
Poëll: Ich setze keine Messlatten, sondern komme nur den Wünschen der Patienten nach – wenn sie realistisch sind und ich überzeugt bin, dass ich etwas verbessern kann. Ich verhelfe Menschen zu mehr Wohlbefinden und Lebensqualität. Darin sehe ich nichts Verwerfliches. Und ich könnte mir kein schöneres Fachgebiet vorstellen: Nirgendwo sonst gibt es so glückliche Patientinnen und Patienten.