Wenn Preise Glückssache sind
Testkäufe beim Grossisten TopCC zeigen, dass die Preise am Regal oft nicht mit dem übereinstimmen, was an der Kasse verrechnet wird. TopCC gelobt Besserung.
Veröffentlicht am 18. Februar 2009 - 13:37 Uhr
Seit anderthalb Jahren führt Thomas Schmid zusammen mit seiner Frau in Fischbach-Göslikon AG das Restaurant Lohren. Um sich mit frischen Waren zu versorgen, fuhr der Wirt bisher zum Grossmarkt TopCC im nahen Hendschiken. Mittlerweile verlässt sich Schmid aber lieber auf die etwas teurere Variante und lässt sich Lebensmittel und Getränke frei Haus liefern.
Dahinter stecken weder Bequemlichkeit noch plötzlicher Reichtum. «Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Rechnungen bei TopCC sehr oft nicht stimmen», erklärt er. Es sei schon vorgekommen, dass er 110 Franken zu viel bezahlt habe. Will heissen: Die Waren wurden an der Kasse teurer verrechnet, als sie am Gestell angeschrieben waren. Schmid fühlt sich übers Ohr gehauen.
Andere Wirte bestätigen diese Erfahrung. Carlo Dosch vom Restaurant La Bodega in Winterthur hat Ähnliches erlebt und gehört. «Ich kenne einige Kollegen, die nicht mehr oder nur selten bei TopCC einkaufen, weil sie nicht jedes Mal die Rechnung kontrollieren wollen. Ich zähle mich dazu.» Denn diese Kontrolle ist ein zeitraubendes Unterfangen: Bei dem zur Spar-Gruppe Schweiz gehörenden Abholmarkt, der 2008 einen Umsatz von 285 Millionen Franken erzielte, sind die Preise lediglich am Regal angeschrieben. Wer sichergehen will, dass an der Kasse alles richtig verrechnet wird, braucht entweder ein Elefantengedächtnis oder muss sich den Preis jeder einzelnen Ware notieren.
Bei vielen Artikeln sind bis zu vier unterschiedliche Beträge angegeben: mit Mehrwertsteuer und ohne, unterschieden in einen Preis für das Einzelprodukt und in einen Grossmengenpreis. Dies vereinfacht die Sache nicht gerade.
Der Beobachter machte die Probe aufs Exempel und begleitete die beiden Wirte zu Einkäufen bei TopCC in Hendschiken und Winterthur. Fazit nach drei Touren: Fehlerquoten von 8 bis über 18 Prozent. Beim ersten Einkauf wurden von total 48 Artikeln neun falsch verrechnet, beim zweiten Versuch waren es zwei von 21, und beim dritten wurden an der Kasse erneut zwei von 25 Artikeln nicht korrekt belastet.
Bei den Abweichungen handelte es sich in der Regel um relativ geringe Beträge, und manchmal war die Ware gar billiger als am Regal angegeben. Eine systematische Täuschung kann dem Grossisten nicht vorgeworfen werden. Dennoch: Fehlerquoten im Prozentbereich versetzen den obersten TopCC-Chef in blankes Erstaunen. «Wir machen selber regelmässig in allen Filialen Stichproben. Die Fehlerquoten liegen normalerweise im Promillebereich», sagt Geschäftsleiter Thomas Weilenmann.
Die Ungereimtheiten bei den drei Testkäufen des Beobachters kann er sich nicht erklären. Die Preise würden zentral erfasst, die Etiketten automatisch ausgedruckt. «Sie müssen jedoch von Hand ausgewechselt werden, da liegt eine gewisse Fehlerquelle.»
TopCC gelobt Besserung: Als Sofortmassnahme wurden alle rund 160'000 Regaletiketten in den acht Filialen ausgetauscht. Zudem sollen die Abteilungsleiter künftig besser geschult werden. «Sollten diese Anstrengungen nichts bringen, überlegen wir uns, im Bereich der Frischprodukte mit teilweise täglich wechselnden Preisen auf ein System mit elektronischen Etiketten zu wechseln. Die Etikettierung würde dann vollautomatisch online laufen», so Weilenmann.
Ob TopCC damit das Vertrauen von erzürnten Kunden wie Thomas Schmid und Carlo Dosch zurückgewinnen kann, ist ungewiss. Während Geschäftsleiter Weilenmann sagt, er habe noch nie negatives Kundenfeedback wegen fehlerhafter Abrechnungen erhalten, geben beide Wirte an, deswegen sogar mehrmals reklamiert zu haben. Vielleicht sollte der Grossist seine Angestellten auch im Bereich Kommunikation besser schulen.