Viel Stutz für wenig Schutz
Günstige Sonnencremen schützen nicht schlechter als teure. Wer ein hochpreisiges Produkt wählt, tut damit nicht seiner Haut einen Gefallen, sondern dem Portemonnaie des Herstellers.
aktualisiert am 9. Juni 2020 - 14:42 Uhr
«Auch ich finde Sonnenschutzmittel sehr teuer», sagt Reinhard Dummer, Professor an der Dermatologischen Klinik der Universität Zürich. Die Gründe für teils horrende Preise kennt er nicht, vielleicht habe es mit den Entwicklungskosten für neue Lichtschutzfilter zu tun.
So erklären auch Hersteller die hohen Preise. Valérie Giot Murer vom Piz-Buin-Hersteller Johnson & Johnson sagt: «Schutzfilter sind vergleichsweise teure Inhaltsstoffe.» Yolanda Pantli von Biotherm (L’Oréal) doppelt nach: «Sonnenschutzfilter sind die kostenintensivsten Inhaltsstoffe der Sonnenschutzmittel.»
Etwas günstiger ist es bei Spirig (Daylong). Bei diesen Marken kosten 100 Milliliter Sonnencreme mit Schutzfaktor (SF) 30 rund 20 Franken. Für einen kompletten Schutzanstrich werden 36 Milliliter (= sechs Teelöffel) empfohlen - für eine Familie summiert sich der Sonnenschutz dann doch merklich.
Fette Margen
Doch sind die Schutzfilter tatsächlich die Preistreiber? Die Hersteller beziehen ihre Schutzfilter von Chemiefirmen. Eines dieser Unternehmen, das nicht genannt sein will, gab dem Beobachter Auskunft. Diese Firma verlangt für die Menge SF-20-Filter der neuesten Generation, die in 100 Milliliter Sonnencreme enthalten ist, gerade mal 85 Rappen. Die Kosten steigen proportional zum Schutzfaktor - die gleiche Menge SF 30 kostet knapp Fr. 1.30, bei SF 40 sinds rund Fr. 1.70. Die Kosten der Schutzfilter betragen bei teuren Produkten höchstens fünf Prozent des Endpreises.
Bei günstigeren Marken von Coop, Migros oder auch bei Nivea, bei denen 100 Milliliter mit SF 30 rund acht Franken kosten, machen die Schutzfilter rund 15 Prozent des Verkaufspreises aus. Der Preis hat also gerade bei den teuren Produkten weniger mit den Herstellungskosten zu tun als mit hohen Margen. «Für mich wird bei den teuren Produkten einfach die Zahlungsbereitschaft derjenigen ausgenützt, die glauben, teuer sei prinzipiell besser», so Jacqueline Bachmann, Geschäftsführerin der Stiftung für Konsumentenschutz.
Geiz gibt Sonnenbrand
Je höher der Schutzfaktor, desto höher der Preis: Klar, verkaufen die Hersteller lieber Cremen mit hohem SF - doch sinnvoll ist das nicht unbedingt. «Die meisten Konsumenten glauben, mit einem SF 40 doppelt so gut geschützt zu sein wie mit einem SF 20. Dies ist jedoch ein Trugschluss», sagt Ruth Barbezat von der Krebsliga Schweiz. Bereits ein SF 20 hält rund 95 Prozent der UVB-Strahlen ab, ein SF 40 bloss etwa drei Prozent mehr, obwohl es dafür doppelt so viele chemische oder physikalische UV-Filter braucht. Hierzulande genügt SF 20 bis 25, mit Einschränkungen allerdings.
Einmal Vollanstrich und dann stundenlang an der Sonne liegen, das ist ein gefährliches Verhalten. «Sonnencremen sollten nur als Ergänzung zu vernünftigem Verhalten und Kleidung eingesetzt werden, erst das ergibt den optimalen Schutz», sagt Experte Dummer. Ein hoher SF garantiert nicht für Sicherheit: «Weil die Produkte mit hohem Lichtschutzfaktor teurer sind, wendet man meistens weniger an, was den Schutz stark reduziert», erklärt Ruth Barbezat. In der Tat: Wer nur die Hälfte der empfohlenen Dosis Sonnencreme einreibt, verringert dadurch die Schutzwirkung um zwei Drittel.