Dicke Post von der Swisscom
Die Swisscom schickt ihren Festnetz-Kunden umfangreiche Post: einen «Vertrag» und sechs Seiten Kleinstgedrucktes. Viele Kundinnen und Kunden verstehen nicht, was sie damit anfangen sollen.
aktualisiert am 20. März 2017 - 14:24 Uhr
Im Beratungszentrum des Beobachters häufen sich die Fragen zum dicken Kuvert, das die Swisscom in diesen Wochen an ihre Festnetz-Kunden verschickt: «Als Laie verstehe ich den juristischen Text nicht», sagt Barbara E.* (Name der Redaktion bekannt) stellvertretend für viele.
Offenbar ist es auch schwierig, in den Swisscom-Shops Hilfe und Erklärungen zu bekommen – so die Meldungen von Ratsuchenden an der Beobachter-Beratungshotline. Annina Merk, Mediensprecherin der Swisscom, räumt ein: «Wir sind daran, die Leute zu schulen.»
Um das Verständnis zu erleichtern, hat der Beobachter die Antworten auf die wichtigsten Fragen zusammengestellt:
Der bestehende Vertrag läuft selbstverständlich weiter - allerdings mit den neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), wenn Sie diese nicht ablehnen. Wenn Sie mit den neuen AGB nicht einverstanden sind, können Sie spätestens bis zum Inkrafttreten der Änderung den Vertrag mit der Swisscom kündigen und zu einem andern Anbieter wechseln.
Wenn Sie nur mit der Datenschutzerklärung nicht einverstanden sind, können Sie dieser widersprechen, ohne den Vertrag als Ganzes kündigen zu müssen (siehe unten).
Bestandteil der neuen AGB ist eine umfangreiche Datenschutzerklärung (siehe unten). Auffallend ist zudem, dass Swisscom die Mahnspesen von 20 auf 30 Franken erhöht.
- Wenn Sie den Brief im Februar 2017 erhalten haben, treten die neuen AGB am 1. April 2017 in Kraft.
- Wenn Sie den Brief im März 2017 bekommen haben, gilt der 1. Mai 2017 als Startdatum.
Nein, wer die neuen AGB akzeptiert, hat keine neue Mindestvertragslaufzeit.
Mit dieser Erklärung schafft sich die Swisscom die Grundlage für eine weitgehende Bearbeitung, Weitergabe und Vermarktung von Kundendaten.
Sie beschreibt darin, welche Daten sie von Kunden sammelt:
- Namen
- Vornamen
- Geschlecht
- Alter
- Geburtsdatum
- Nationalität, Adresse
- Telefonnummer
- E-Mail-Adresse
- Beruf
Hinzu kommen:
- Vertrags- und Abonnementsdaten
- Daten über Kundenaktivitäten und -vorlieben,
- ausserdem Suchwörter und Surfverhalten auf den Swisscom-Internetseiten und den Socialmedia-Profilen der Swisscom
Kurz: Daten zu allem, was Sie als Kunde mit einem Swisscom-Gerät oder im Rahmen einer Swisscom-Dienstleistung machen.
Diese Daten verknüpft die Swisscom mit Daten von Dritten (z.B. Haushaltsgrösse, Einkommensklasse, Einkaufsverhalten) und bildet so Kundensegmente und Kundenprofile.
Schliesslich behält sie sich mit der Datenschutzerklärung vor, Angaben zu Alterskategorie, Geschlecht und Wohnregion weiterzugeben sowie statistische und analytische Informationen zu Datenanalysen zu verkaufen, beides ohne Personenbezug.
Für eine weitergehende Nutzung der Kundendaten benötigt die Swisscom die ausdrückliche Einwilligung der Kunden.
Drei Stufen sind zu unterscheiden:
- Im Rahmen der Vertragsabwicklung darf die Swisscom die Personendaten bearbeiten.
- Für Datenbearbeitungen, die über diesen Zweck hinausgehen wie zum Beispiel für Marketing, legt die Swisscom nun diese Datenschutzerklärung vor.
Wenn Sie als Swisscom-Kunde ihr nicht widersprechen und die Datenverwendung nicht untersagen, darf die Swisscom die Daten für eigene Marketingzwecke verwenden oder sie anonymisiert (Alterskategorie, Geschlecht, Wohnregion) an Dritte weitergeben (Opt-out).
Dazu ein Beispiel: Eine Person im Segment «männlich, 40- bis 50 Jahre alt, aus dem Bezirk Bern-Mittelland» erhält Werbung für klassische Herrenmode von Modegeschäften in der Region Bern.
- Als bestehender Kunde haben Sie schon mit den alten AGB der Erstellung von Kundenprofilen zugestimmt.
Wenn die Swisscom nun Kundenprofile von Neukunden erstellen oder generell besonders schützenswerte Daten (z.B. Verhaltensprofile) bearbeiten will, benötigt sie dafür eine ausdrückliche Einwilligung der Kundinnen und Kunden (Opt-in).
Dazu lässt sich nur ein erfundenes Beispiel notieren, weil dies heute noch nicht passiert:
Wenn die Swisscom Personendaten mit Standortdaten verknüpft, kann sie sagen, wie viele 20- bis 40-jährige Personen sich zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Standort befinden. Diese Information ist nützlich für Unternehmen, die ihre Verkaufsorte optimieren wollen.
Für eine solche Datenverwendung braucht die Swisscom eine explizite Einwilligung des Kunden (Opt-in). Wie sie diese einholen wird, sei noch offen, sagt die Swisscom.
Die Swisscom hat dafür eigene Fachpersonen, die – so ihre Auskunft – im Austausch mit dem Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten damit beauftragt sind, die Einhaltung des Datenschutzgesetzes zu gewährleisten.
Wenn Sie keine Datenbearbeitungen möchten, welche über die notwendige Vertragsabwicklung hinausgeht, können Sie dies der Swisscom untersagen. Dafür gibt die Swisscom Zeit bis zum Inkrafttreten der Bestimmungen (siehe oben).
Doch die Kundinnen und Kunden können auch später jederzeit die Verwendung ihrer Daten verbieten.
Für diese Ablehnung bietet die Swisscom verschiedene Kanäle an:
- Telefon 0800 800 800
- im Swisscom-Shop oder
- via Einloggen ins Swisscom-Kundenportal
Die Sperrung übers Internet empfinden nicht alle Nutzer als übersichtlich. Einfacher ist deshalb ein eingeschriebener Brief (siehe unsere Mustervorlage), den die Swisscom, wie sie angibt, mit einem Rückruf beantwortet.
Gut zu wissen: Die datenschutzrechtlichen Einschränkungen oder Ablehnungen können Sie machen, ohne dass Sie den Swisscom-Vertrag kündigen müssen.
Nein. Vorläufig erhalten nur bisherige Festnetzkunden die neuen Vertragspapiere, ausserdem alle Neukundinnen und -kunden inklusive Mobile. Betroffen sind zudem die Festnetzkunden von M-Budget und Wingo.
Nein. Den Stimmabdruck verwendet die Swisscom nur intern und nur zur Identifikation ihrer Kundschaft. Diese Daten werden auch intern nicht anderweitig verwertet.
Musterbrief: So widerrufen Sie die Verwendung Ihrer Personendaten
Musterbrief herunterladen (Word-Format)
Stimmanalyse: Hokuspokus mit fatalen Folgen?
Mit Stimmanalyse identifizieren Firmen wie die Swisscom ihre Kunden. Damit öffnet sich ein gigantisches Geschäftsfeld. Die Folgen machen Angst.
Nehmt ruhig meine persönlichen Daten!
Kaum jemand bezahlt noch mit Geld für Smartphone-Apps – sondern mit seinen persönlichen Daten. Das ist problematisch, weil die Nutzer sorglos damit umgehen.
4 Kommentare