Dubioses Geschäft mit GPS-Trackern
Mit ihren Mini-GPS-Geräten könne man Mensch und Tier jederzeit orten, verspricht die Firma Web Science. Doch Geräte sind defekt – und die Nutzung kann strafbar sein.
Veröffentlicht am 25. August 2023 - 06:00 Uhr
«Meine Hündin ist eine Wildsau», sagt Ruth Rüedi lachend. «Da kam mir der GPS-Tracker ganz gelegen.» Im August 2022 fuhr sie mit ihrem Labradoodle Kiri ins Tessin. Dort wollte sie ihre Hündin frei herumrennen lassen, ohne sie aus den Augen zu verlieren.
Kurz vor den Ferien stiess Ruth Rüedi auf den Webshop Swisstrack aus Zug. Er verkauft kleine GPS-Tracker. Sie lassen sich an Autos, Velos oder eben Tieren anbringen. Mit einer App könne man jederzeit den Standort des Trackers abrufen. Für 170 Franken bestellte Rüedi deshalb den Mini-GPS-Tracker inklusive SIM-Karte und Hundehalsband.
Keine Antwort von Swisstrack
Nach ein paar Tagen landete das Paket in ihrem Briefkasten. Dann folgte die Ernüchterung. «Das Gerät ist offline», stand auf dem Tracker. Und egal, was Ruth Rüedi machte: Das Ding liess sich nicht aktivieren. Innerhalb eines Monats schrieb Rüedi dem Support von Swisstrack 18 E-Mails. Doch dieser wimmelte die Kundin ab und schrieb, dass der Fehler bei ihr liege, nicht beim Gerät.
Schliesslich schickte sie den GPS-Tracker zurück, zusammen mit einem Notizzettel, auf dem ihr Name, ihre Handynummer und Mailadresse standen. Mit im Paket: die SIM-Karte mit PIN-Code, die Ruth Rüedi für die Aktivierung des Trackers bestellt hatte. Es kam keine Antwort von Swisstrack.
Die gebrauchte SIM-Karte
Ein Jahr später erhielt Ruth Rüedi einen Anruf. Ein Herr Guido Pally wollte die SIM-Karte seines GPS-Trackers aktivieren, ob sie ihm da helfen könne. Rüedi war verwirrt. Ihr Gesprächspartner erklärte, er habe einen gelben Notizzettel in seinem Tracker-Set gefunden. «Sie arbeiten bei Swisstrack, oder?», fragte er nach. Dann ging den beiden ein Licht auf. Auch Guido Pallys Gerät liess sich nicht aktivieren, es blieb offline. Für 185 Franken hatte er einen GPS-Velotracker bestellt. Er erhielt ein Gerät, mit dem er keine Verbindung herstellen konnte – und die SIM-Karte von Ruth Rüedi.
Seit 2020 haben sich mehrere Swisstrack-Kundinnen und -Kunden beim Beratungszentrum des Beobachters gemeldet. Sie alle beklagen nicht funktionierende Geräte und unbeantwortete Rücksendungen. Die Anfragen des Beobachters an die Web Science GmbH, die hinter der Marke Swisstrack steckt, blieben unbeantwortet.
«Kundinnen und Kunden haben Anspruch auf eine Rückzahlung, wenn das Gerät nicht funktioniert», sagt Nicole Müller, Rechtsberaterin beim Beobachter. «Sie müssen den Mangel sofort mitteilen, am besten mit einem eingeschriebenen Brief.» Wer keine Antwort erhält, kann eine Betreibung einleiten. Wie die Zuger Staatsanwaltschaft auf Anfrage schreibt, seien bereits mehrere Anzeigen gegen den Inhaber der Web Science GmbH eingegangen. Das Verfahren läuft. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Hundetracker oder Spionagetool?
Auch was die Firma anbietet, ist aus rechtlicher Sicht problematisch. Im Werbevideo zum Tracker wird die Anwendung des GPS-Geräts erklärt: «Aufgrund seines Gewichts kann der Tracker unbemerkt in Taschen oder Rucksäcken verstaut werden.» Das perfekte Tool also, um eine Person zu stalken. Nicole Müller rät davon ab, diese Funktion zu nutzen: «Den Standort einer Person zu überwachen, kann unter gewissen Umständen strafbar sein, wenn sie nichts davon weiss.»
Die Funktionen des Trackers gehen aber noch weiter. «Das im GPS-Tracker verbaute Abhörmikrofon ermöglicht das problemlose Mitverfolgen von Gesprächen», verspricht die Firma. Per Anruf verbinde sich das Handy mit dem GPS-Gerät. So könne die Umgebung des Trackers jederzeit abgehört werden.
«Auch wer diese Funktion nutzt, macht sich strafbar», warnt Nicole Müller. Einer Person aus der Ferne zuzuhören, sei illegal, wenn sie nicht eingewilligt habe. Einen Hinweis auf die strafrechtlichen Folgen der Standortüberwachung oder des Abhörmikrofons sucht man auf der Website von Swisstrack vergebens.
Auch das Anbieten des Geräts kann illegal sein. «Wer Geräte verkauft, die insbesondere dem widerrechtlichen Abhören dienen, kann sich gemäss Art. 179sexies Strafgesetzbuch strafbar machen», sagt Nicole Müller. Auf die Nachfrage des Beobachters, ob sich die Firma dessen bewusst sei, kam keine Antwort. Auch hier gilt die Unschuldsvermutung.
7 Kommentare
Ist ja unglaublich, wie lange diese Firma unbescholten davon kommt. Ich bin schon vor 2Jahren darauf reingefallen und habe dies auch damals im Trustpilot kund getan. Ich konnte zum Glück das Teil retournieren und bekam den Betrag retour. Wann endlich verschwindet dieser Schwindel und alles unter "SWISS"!
Sie schreiben, Standortüberwachung einer Person und Gespräche-mithören sei strafbar. Aber machen das nicht eigentlich alle Computer, TV-Geräte, Autos etc. heutzutage? Hier wird das treffend erklärt: https://www.youtube.com/watc…
Und was nun weiter ?
Ein paar Anfragen die ohne Antwort bleiben und das wars dann?
Die Firma Web Science GmbH wurstelt einfach weiter so und betrügt weiterhin Interessenten des Gerätes.
Tatsächlich macht die Firma unbeirrt weiter. Ich hatte das Geld zurück erhalten bis auf einen Restbetrag von CHF 30. Ich hatte zwar betrieben, die Firma erhob Rechtsvorschlag. Frustriert gab ich auf, und darauf baut die Firma wohl.
Immerhin stelle ich fest, dass sie inzwischen das Schweizer Wappen auf der Homepage entfernt hatten. Damit wurde vor zwei Jahren, als ich das Teil kaufte, noch geworben. Dabei ist alles billigster Chinaschrott. Ich meldete das der Lauterkeitskommission, die gab mir recht. Swisstrack antwortete darauf, dass sie das nicht interessiert, und das solche Klagen sinnlos seien. Als nach einem Jahr nach wie vor das Schweizer Kreuz auf der Webseite war, bestätigte die Lauterkeitskommission, dass sie nichts machen können. Ich hätte natürlich klagen können und die Bewertung der Lauterkeitskommission beilegen. Aber nochmals: Swisstrack baut einfach darauf, dass die Leute zuvor aufgeben.
Interessant: Lesen Sie mal bei Trustpilot die Bewertungen der Firma. Achtung: Die Firma taucht unter swisstrack.org wie auch swisstrack.ch auf.
Guten Tag Herr Sägesser
Auch ich gehöre zu den Geprellten. Gerne möchte ich mich an der Sammelklage beteiligen.
Da ich schon etwas älter bin, verfüge ich nur beschränkt über IT-Wissen.
Könnten Sie mir bitte kurz mitteilen, wie ich fortfahren muss, um mich an dieser Sammelklage zu beteiligen?
Vielen Dank im Voraus und freundliche Grüße, Roger Stöckli
Meine Adresse lautet: mailto://stoec…
Ich bin seit Wochen mit denen in Kontakt und dachte gar nicht dran, das es Betrug ist bis ich gerade diesen Artikel gefunden habe . Ich habe heute meinen Anwalt kontaktiert und würde mich ebenfalls an einer Sammelklage beteiligen wollen. Bei Interesse bitte Kontaktaufnahme unter: mailto://konta…
Guten Tag Herr Sägesser,
ich würde mich an einer Sammelklage auch beteiligen, weil ich auch durch diese Firma geschädigt bin.
Bei weiteren Fragen bitte an mailto://d@asc…