Für einmal ist der Slogan «Geiz ist geil» im Wortsinn gemeint: In Kleininseraten, beispielsweise im «Blick», werben «einsame geile Hausfrauen» für vermeintlich billiges erotisches Vergnügen an der Strippe. Bloss 7,5 Rappen pro Minute koste der Spass, steht da. Ein Schnäppchen, verglichen mit den bei 0906-Nummern üblichen zwei bis fünf Franken pro Minute. «Aus reiner Neugier» wählte darum Felix Siebner (alle Namen von Betroffenen geändert) aus Altnau TG die angegebene Nummer, hängte aber nach weniger als drei Minuten wieder auf. Er rechnete mit einer Belastung seiner Telefonrechnung von vielleicht 20 Rappen.

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Die böse Überraschung fand sich wenige Tage später im Briefkasten in Form einer Rechnung über 135 Franken. Auf der Homepage der Firma MEN Mobile Entertainment Network GmbH aus Au SG ist ersichtlich weshalb: Wer auf besagte Telefonsexnummer anruft, muss eine Pauschalgebühr in der Höhe von 135 Franken bezahlen. Dafür darf er einen Monat lang täglich 60 Minuten dem Sexgeflüster lauschen. Macht 7,5 Rappen pro Minute - aber eben nur theoretisch.

Tipp: Rechnung nicht bezahlen

Bevor das Live-Gespräch beginnt, hört der Anrufer zwar eine kostenlose Bandansage. Der mit «Hoi Süsser» beginnende Text ist aber sehr verwirrlich, und während der entscheidenden Passage stöhnt eine Frau lasziv im Hintergrund, so dass die 135-Franken-Pauschale praktisch unverständlich bleibt. Deutlich zu verstehen sind dagegen die «hammergünstigen 7,5 Rappen pro Minute». Dutzende Betroffene haben sich in den letzten Wochen beim Beobachter-Beratungszentrum gemeldet; sie alle erhalten den Rat, die Rechnung nicht zu bezahlen, weil mangels Preistransparenz kein gültiger Vertrag zustande gekommen sei.

Auch wenn MEN-Mobile-Geschäftsführerin Manuela Grasso über ihren Anwalt ausrichten lässt, sowohl Werbung wie Bandansage seien «rechtsgenüglich», so verstösst das Angebot gegen die geltende Preisbekanntgabeverordnung. Dort ist festgehalten, dass in der Werbung für solche Mehrwertdienste «die Grundgebühr und der Preis pro Minute» genannt werden müssen. «Kommt ein anderer Tarifablauf zur Anwendung, so muss die Taxierung unmissverständlich bekanntgegeben werden.» Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat darum die Firma verzeigt; die St. Galler Behörden ermitteln.

Viel nützen wird das nicht - im besten Fall resultiert eine kleine Busse. So war es in einem vergleichbaren Fall aus dem Jahr 2003. Weil er in den Inseraten für seine Sextelefonlinien keine Preisangaben machte, verurteilte das Bezirksgericht Zürich den Betreiber Philippe Gilomen zu einer Busse über 2'500 Franken plus Verfahrenskosten. Gilomen, nach eigenen Angaben Chef des schweizweit grössten Imperiums von Sextelefonlinien mit insgesamt 35 Angestellten, rekurrierte nicht gegen den Schuldspruch - die Busse bezahlte er wohl aus der Portokasse.

Abzocke über 052-Nummer

Gilomen besitzt auch die Telebilling AG, die das Inkasso für eine ganze Reihe von Telefonsexfirmen übernimmt, die ihm teils selbst gehören und zu denen beim Beobachter ebenfalls regelmässig Klagen eingehen. Etwa der Fall des 36-jährigen, leicht behinderten Eugen Huber. Sein Beistand sperrte die 0900-Nummern, doch dann erhielt er eine SMS einer Frau, die angeblich eine Beziehung mit ihm wollte, wenn er sie nur endlich zurückrufe. Für den etwas mehr als eine Stunde dauernden Anruf auf eine gewöhnliche, mit der Vorwahl 052 beginnende Nummer erhielt Huber postwendend eine Rechnung über 388 Franken. Erst nachdem der Beistand reklamiert hatte, liess Telebilling die Forderung fallen.

Den gleichen Ärger hatte Peter Siegenthaler aus Dietlikon ZH. Er habe einen Anruf verpasst, hiess es in einer SMS. Als er arglos zurückrief, merkte er den Schwindel zwar rasch - trotzdem wurden ihm für die siebensekündige Verbindung Fr. 10.60 verrechnet.

Die Liste der getäuschten Kunden liesse sich wohl endlos verlängern. Wie MEN Mobile operieren auch Telebilling-Firmen mit gewöhnlichen geographischen Vorwahlen (zum Beispiel 044). Fies, weil sich diese im Gegensatz zu den bekannten 0906-Sexnummern nicht sperren lassen. Für Thomas Meier von der Stiftung für Konsumentenschutz ist dies «ein dauerndes Ärgernis», weil die Firmen ihr Geschäft in einem «Graubereich» machen dürften. Zudem werde der Jugendschutz unterlaufen. «Alle Mehrwertdienste dürften nur unter speziellen Nummern erreichbar sein», findet Meier, damit etwa Eltern die Nummern einfach und zuverlässig sperren lassen können. Diese Forderung fand aber bei der letzten Revision des Fernmeldegesetzes kein Gehör. Einer der Gründe: Die Mehrzahl der Geschädigten reklamiert gar nicht - weil ihnen der Vorfall peinlich ist.

Dass es bei der Abzockerei längst nicht nur um Angebote per Telefon geht, belegt der Fall von Marcel Peterhans. Der 17-Jährige geriet beim Surfen im Internet über ein Werbe-Pop-up-Fenster auf die Website smschat.ch. Dort vermitteln junge Damen den Eindruck, auf Partnersuche zu sein. Der Jugendliche wollte mit Marina Kontakt aufnehmen, denn diese suchte laut dem Inseratetext «nette Menschen, mit denen man sich über alles unterhalten kann und Spass hat, damit die Wochenenden nicht mehr so einsam sind». Doch seine Kurzmitteilung an Marina löste einen Chat aus, bei dem er mit SMS geradezu bombardiert wurde: insgesamt 270 Stück, manchmal im Zwei-Sekunden-Takt - und die meisten kosteten drei Franken.

«Ich hatte kaum Zeit, selber eine SMS zu senden, um das Ganze zu stoppen», erinnert sich Peterhans. Seine Versuche mit den Begriffen «Abo-Stopp» und «Chat-Stopp» blieben erfolglos - richtig wäre «Stopp» gewesen. Erst nach fünf Stunden hatte der Spuk ein Ende, und Peterhans war um 721 Franken und 91 Rappen ärmer, wie er der nächsten Handyrechnung entnehmen musste.

Angestellte als Lockvögel

Hinter smschat.ch steckt eine Firma namens Upoxa aus Belgrad, die rund 40 weitere, praktisch identische Schweizer Websites betreibt (siehe nachfolgender Kasten  «Lauter Lockvögel: Die Upoxa-Liste»). Aus dem Kleingedruckten wird klar, dass es Marina und Co. gar nicht gibt. Laut den allgemeinen Geschäftsbedingungen dürfen Upoxa-Angestellte als Lockvögel arbeiten und die angeblichen Chat-SMS selber schreiben.

Diese Geschäftspraxis ist gewiss stossend - dennoch scheiterte der Versuch, sich bei der Schlichtungsstelle der Telekombranche zu beschweren. Die Betreiberfirma Upoxa ist an der Ombudscom ohnehin nicht beteiligt, und weil Peterhans’ Handyfirma Orange kein Fehlverhalten nachgewiesen werden konnte, blieb es beim Vorschlag, Orange solle «aus Kulanz» den Rechnungsbetrag um 50 Franken reduzieren. Für Peterhans’ Mutter «ein Witz».

Sie machte darum das einzig Richtige: Sie bezahlte nur den unbestrittenen Teil der Handyrechnung, dann darf nämlich die Telefonfirma gemäss Fernmeldegesetz den Anschluss nicht kappen. Die umstrittene Forderung müsste jetzt die Anbieterin Upoxa gerichtlich einfordern. Dass sie dies auch wirklich tun wird, darf bezweifelt werden.

Lauter Lockvögel: Die Upoxa-Liste

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(ohne Anspruch auf Vollständigkeit)