Die älteren Mitmenschen werden immer reicher, jene über 85 Jahre sind sogar die wohlhabendste Bevölkerungsgruppe der Schweiz. Das im Jahr 2015 vererbte Vermögen betrug rund 63 Milliarden Franken – das ist fast doppelt so viel wie vor 20 Jahren. Diese Tendenz lässt sich für Senioren generell feststellen: Musste vor 30 Jahren noch die Mehrheit der Pensionierten aufs Geld schauen, so sind es heute gemäss Pro Senectute noch knapp ein Viertel.

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Senioren-Rabatte bei der Migros

Doch genau aus dieser vergangenen Zeit stammen die Senioren-Rabatte: Sei es in Museen, in Kinos, auf Schiffen oder im Zug – vielerorts erhalten Senioren Rabatte, unabhängig vom Vermögen. Häufig bezahlen sie weniger für den Eintritt als ein 18-Jähriger. Seit letztem Sommer bietet sogar die Migros Aare (Kantone Aargau, Solothurn, Bern) solche Vergünstigungen an: Menschen über 60 können an jedem ersten Dienstag im Monat zehn Prozent günstiger einkaufen. Offenbar ist das Angebot beliebt, mehr als 100'000 entsprechende Kundenkarten sind im Umlauf.

Coop-Sprecher Ramon Gander hält wenig vom «Marketingtrick» der Konkurrenz, wie er gegenüber dem «Bund» sagte: «Als Genossenschaft ist uns wichtig, unsere Kunden gleich zu behandeln und keine Diskriminierung, zum Beispiel nach Alter, Geschlecht oder Berufsgruppen, vorzunehmen.» Die Migros Aare hält dagegen fest, sie wolle so die älteren Kunden an sich binden. Und Kundenbindung sei so alt wie das Marketing selbst. Zudem wisse man aus langjähriger Erfahrung, dass andere Kunden den Senioren den Rabatt «durchaus gönnen» würden.

Diese Rabatte sinnvoll findet Peter Burri Follath von Pro Senectute: «Senioren sind eine wachsende Bevölkerungsgruppe. Da macht es Sinn, diese durch Rabatte an sich zu binden.» Weiter weist er daraufhin, dass Senioren grundsätzlich stärker auf Vergünstigungen ansprechen, da sie sich nicht mehr im aktiven Wertschöpfungsprozes der Wirtschaft integriert fühlen: «Weil Senioren grossmehrheitlich von Altersrenten leben, sind Rabatte ein wichtiges Thema für sie.»

Öffentlich kritisiert das niemand

Kritische Worte zum Senioren-Rabatt gibt es aber kaum. Auf Anfrage des Beobachters zeigten sowohl Bergbahnen-Betreiber wie auch Politiker Verständnis für die Frage nach dem Sinn solcher Vergünstigungen. Doch diese öffentlich kritisieren wollte niemand. Man habe Angst vor der Reaktion der Kunden, hiess es. Beim sogenannten «Schneepass Zentralschweiz» wurde vor einigen Jahren der Preis für ein Senioren-Abo moderat angepasst. Die Folge seien «massive Anfeindungen und ein Shitstorm» gewesen.

Einzig die Jungfreisinnigen haben sich in der Vergangenheit schon öffentlich und kritisch geäussert: «Rabatte für die Senioren braucht es nicht. Sie stammen aus einer Zeit, als in der Schweiz die Altersarmut noch ein Thema war», sagte 2010 die damalige Präsidentin. Heute allerdings lautet die Losung der Partei: «Welche Altersgruppe Rabatte erhält, soll betriebswirtschaftlich Sinn machen. Da braucht es keine Regelung der Politik.»

Familienverhältnisse «zu kompliziert»

Gleichzeitig werden aber Familien- und Kindervergünstigungen immer weiter abgebaut oder gar abgeschafft: Das Verkehrshaus Luzern, diverse Skigebiete oder das Alpamare in Pfäffikon haben solche Rabatte aus dem Sortiment genommen, was zu einem Sturm der Entrüstung führte. Der Grund: Die Familienverhältnisse seien «zu kompliziert» geworden, so das Verkehrshaus Luzern: «An den Kassen ist es oft zu schwierigen und unangenehmen Situationen gekommen, weil Familientickets beispielsweise für Alleinerziehende oder Patchwork-Familien nicht ausgestellt werden konnten.» Bei anderen spielen ökonomische Überlegungen eine Rolle.

Philippe Gnägi, Präsident von Pro Familia, zeigt ein gewisses Verständnis für Senioren-Rabatte: «Ich gönne jedem diese Vergünstigungen. Allerdings sollten auch Familien wieder häufiger davon profitieren. Schliesslich sind sie es, die die Zukunft verkörpern.» Zudem zeige die Erfahrung, dass mehr Familien ein Museum besuchen, wenn sie vergünstigten Eintritt geniessen: «Viele Familien müssen nämlich aufs Geld schauen. Rabatte für Kinder sorgen hier dafür, dass auch Familien weiterhin Zutritt zu Kultur und Sport haben.»

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Quelle: Beobachter Edition
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