Kein Download ist illegal – oder doch?
Der Bundesrat will das Urheberrechtsgesetz reformieren und der heutigen Zeit anpassen. Was bedeuten die geplanten Änderungen für den Konsumenten?
Veröffentlicht am 24. November 2017 - 15:17 Uhr,
aktualisiert am 16. Januar 2018 - 15:01 Uhr
Die Tiefen des Internets sind unergründlich: Es gibt Dutzende von Plattformen, auf denen sich kostenlos Filme, Serien oder ganze Musikalben und Hörbücher streamen oder downloaden lassen. Meistens sind selbst die neusten Filme auf diesen Plattformen schon kurz nach der Premiere im Kino in guter bis sehr guter Qualität gratis verfügbar.
Den Film- und Musikverleihern sind diese Angebote schon seit Jahren ein Dorn im Auge. Doch obwohl in den meisten europäischen Ländern sowie in den USA die Gesetze stetig verschärft worden sind, ist es ein Kampf gegen Windmühlen. Für jedes verschwundene Portal tauchen zwei neue auf. Die «Allianz gegen die Internetpiraterie» beziffert die Kosten, die der Kreativindustrie alleine in der Schweiz dadurch entgehen, auf mehr als 100 Millionen Franken pro Jahr. Trotzdem geht die Schweiz einen anderen Weg als umliegende Länder: Sie kriminalisiert nicht die Konsumenten, sondern die Anbieter solcher Portale.
Früher dauerte es oft mehrere Monate, bis Serien oder Filme im Schweizer Handel gekauft werden konnten – und meist ausserdem zu einem überhöhten Preis. Deshalb gab es für Film-, Musik- und Serienfans, die nicht warten konnten und an den neusten Veröffentlichungen interessiert waren, gar keine andere Möglichkeit, als kostenlose und damit «dubiose» Streaming- und Downloadportale zu nutzen.
Inzwischen allerdings hat sich dieses Problem massiv entschärft und es gibt zahlreiche nutzerfreundliche Plattformen, die für wenig Geld ein riesiges Angebot an Filmen, Serien und Musik bereitstellen.
Die Vorteile von kostenpflichtigen Portalen gegenüber den Gratis-Angeboten:
- Die Medien sind in sehr guter Bild- und Ton-Qualität verfügbar.
- Die Medien sind auf allen unterschiedlichen Geräten verfügbar.
- Die Medien sind werbefrei.
- Im Hintergrund wird keine Schadsoftware geladen.
- Man unterstützt die beteiligten Künstler anstatt fragwürdige Internetseiten.
Eine Auswahl an Plattformen für Filme und Serien:
- Netflix
- Google Play
- iTunes
- Hollystar
- Amazon
Mehr dazu: «Die beliebtesten Streamingdienste für Filme & Serien im Direktvergleich»
Eine Auswahl an Plattformen für Musik:
- Spotify
- Google Play
- iTunes
- Tidal
Mehr dazu: «Spotify, Apple & Co. – wer tönt am besten?»
Der Entwurf des neuen Urheberrechtsgesetzes, den Bundesrätin Simonetta Sommaruga nun präsentierte, legt den Fokus vor allem auf folgende zwei Punkte:
- Die sogenannte «Stay-Down-Regel» soll die Piraterie im Internet eindämmen. Hosting-Provider werden dazu verpflichtet, illegale Angebote nicht nur einmal von ihren Servern zu entfernen, sondern auch dafür zu sorgen, dass die urheberrechtlich geschützten Werke nicht erneut hochgeladen werden.
- Den Eigentümern von Urheberrechten soll es möglich sein, IP-Adressen, unter denen urheberrechtlich geschützte Werke illegal zum Download angeboten werden, zu speichern und weiterzuleiten. Diese Praxis war bisher verboten.
Beide Massnahmen sind auf illegale Angebote in der Schweiz beschränkt. Sie haben damit auf Betreiber von ausländischen Seiten wie thepiratebay.org oder kinox.to keinen Einfluss.
Oli Manser* aus Pratteln BL erschrak, als er den Brief las. Einige Tage zuvor hatte er sich bei der Suche nach einem Film auf dem Streamingportal Braflix.de kostenlos registriert, den Film aber nicht gefunden. Er vergass die Sache – bis er die Rechnung über 358.80 Euro in der Hand hielt. Da stand, er habe die fünftägige kostenlose Testphase nicht gekündigt, worauf sie sich in ein kostenpflichtiges Jahresabo gewandelt habe. In aggressivem Ton forderte ihn Braflix.de (mittlerweile nicht mehr online) zur Zahlung auf und drohte mit Inkasso-, Anwalts- und Gerichtskosten. Manser zahlte.
Gleiche Masche, anderes Portal: Sara Egli* aus Biel erhielt eine Rechnung in derselben Höhe, nachdem sie sich gratis beim Portal Kinolox.de registriert hatte. Beide Anbieter täuschen auf ihren fast gleichen Portalen ein Gratisangebot vor.
- Tipp: Geben Sie Ihre Daten im Netz nie unbedacht weiter.
- Wer beim Gratis-Registriervorgang nicht ausdrücklich auf eine kostenpflichtige Vertragsverlängerung hingewiesen wird, kann eine Rechnung bestreiten. Ein Hinweis auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen reicht nicht.
Nicht vorgesehen sind dagegen sogenannte «Netzsperren»: Ganze Websites für Internet-Surfer aus der Schweiz unzugänglich zu machen – so wie es beispielsweise Portugal handhabt – sei nicht mehrheitsfähig und komme damit für den Bundesrat nicht in Frage, so Sommaruga. Sowohl die Stiftung für Konsumentenschutz wie auch der Dachverband der Kulturschaffenden (Suisseculture) sind zwar mit dem neuen Gesetz nicht ganz zufrieden, beide wollen den Vorschlag aber unterstützen. Das Gesetz geht nun mit guten Chancen ins Parlament.
Für den Konsumenten ändert sich mit dem neuen Gesetz nichts, wie Bundesrätin Sommaruga bestätigte: «Wer Kulturgüter wie Filme oder Musik für den Eigengebrauch streamt oder aus dem Internet runterlädt, macht sich auch weiterhin nicht strafbar.»
- Was gilt als Eigengebrauch?
Im Urhebergesetz steht geschrieben: «Als Eigengebrauch gilt jede Verwendung im persönlichen Bereich und im Kreis von Personen, die unter sich eng verbunden sind, wie Verwandte oder Freunde.» Ausserdem darf das Material im Schulunterricht gezeigt werden. Beispiel: Ein Film darf zuhause Verwandten und Freunde gezeigt werden, nicht aber sämtlichen Arbeitskollegen. Auch Freunde auf Facebook oder Instagram gehören nicht zum engen Personenkreis.
- Was darf straffrei für den Eigengebrauch heruntergeladen werden?
Filme, Serien, Musik, E-Books und Hörbücher.
WICHTIG: Der Upload und damit die Bereitstellung dieser Medien im Internet ist hingegen strafbar.
- Was darf nicht heruntergeladen werden?
Spiele für PC, Handy und Konsole (bspw. «Call of Duty») oder Computerprogramme (bspw. «Photoshop»).
- Warum ist das Herunterladen in der Schweiz im Gegensatz zu vielen anderen Ländern erlaubt?
In der Schweiz wird auf Datenträger bereits beim Kauf eine pauschale Urheberrechtsabgabe von rund 2 bis 6 Rappen pro Gigabyte Speicherplatz erhoben. Der Gesetzgeber zieht damit schon im Vornherein eine Entschädigung für allfällige Urheberrechtsverletzungen mit ein. Die Abgabe erhalten Verwertungsgesellschaften wie beispielsweise die Suisa, welche die Interessen der Künstler vertritt. Der Schlüssel, nach dem Suisa die Abgabe berechnet, ist nicht öffentlich einsehbar.
«Wer beispielsweise ein iPad-Tablet mit 128 Gigabyte Speicherkapazität kauft, bezahlt dafür unabhängig von der tatsächlichen Nutzung rund 13 Franken an pauschalen Urheberrechtsabgaben», sagte Rechtsanwalt und Digitalexperte Martin Steiger gegenüber «Watson». Schweizer Konsumenten bezahlen laut seinen Berechnungen weltweit die höchsten Abgaben.
Verstösst man gegen das Urheberrecht, wenn man ein Produktbild aus dem Web für eine Verkaufsplattform verwendet? Sind Creativ Commons-Lizenzen immer kostenlos? Ist es erlaubt, unter Freunden einen Film vorzuführen, den man vorher aus dem Internet heruntergeladen hat? Und was kommt mit künstlicher Intelligenz im Rahmen des Urheberrechts auf uns zu? Mitglieder des Beobachters erhalten Antworten auf diese und weitere Fragen.
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