So trickst Juul mit dem Docht
Der E-Zigarettenhersteller Juul hat seine Flüssigkeitsbehälter, die so genannten «Pods», umgebaut. Die neuen Modelle geben wesentlich mehr Nikotin ab. Das erhöht die Suchtgefahr.
Veröffentlicht am 6. Oktober 2020 - 16:15 Uhr,
aktualisiert am 7. Oktober 2020 - 15:10 Uhr
Im September 2019 hatte Jonathan Green dringenden Gesprächsbedarf. Der Chef von Juul Schweiz schickte keinen Geringeren als den Lobbyisten und ehemaligen Schweizer Botschafter Thomas Borer vor, um sich als Interviewpartner zum Thema E-Zigaretten anzudienen. Der Beobachter verzichtete dankend.
Ein paar Wochen später konnte sich Green in der «Schweiz am Wochenende» zu Wort melden und stellte dort eine interessante Forderung: Die Schweiz solle den Nikotingehalt bei E-Zigaretten von 20 auf 60 Milligramm pro Milliliter Flüssigkeit anheben, also gleich viel wie in den USA. Dort sprechen Fachleute mittlerweile von einer «Epidemie», die das Juul-Gerät dank des schnellen und starken Nikotinkicks unter Jugendlichen ausgelöst hat.
Greens damalige Forderung war nichts weiter als eine gekonnt platzierte Nebelpetarde. Juul hatte zu diesem Zeitpunkt in Europa längst klammheimlich ein neues Gerät eingeführt. Es sieht dem ursprünglichen Stick zum Verwechseln ähnlich, weist aber einen entscheidenden Unterschied auf: Der Docht des Zigarettenersatzes besteht neu aus Baumwolle statt aus Kieselsäure. Dadurch kann pro Zug wesentlich mehr Nikotin eingesogen werden als mit dem alten Gerät.
Das Tückische daran: Juul wirbt seither mit einem Nikotingehalt von nur noch 18 statt 20 Milligramm. Dass davon ein wesentlich höherer Anteil aufgenommen wird, verschweigt das US-Unternehmen, das zu rund einem Drittel dem Tabakkonzern Altria (Philip Morris) gehört.
Juul auf die Schliche gekommen sind Forscher des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung. Sie massen bei den «Pods» einen deutlich höheren Dampfausstoss als bei den herkömmlichen Juuls und kamen zu einem eindeutigen Befund: «Der Nikotinausstoss des modifizierten europäischen Juul-Geräts kommt der US-amerikanischen Hochnikotinvariante sehr nahe.» Nichtraucher, die mit E-Zigaretten mit einem derart hohen Nikotinausstoss beginnen, «haben ein wesentlich höheres Risiko, abhängig zu werden». Diese Einschätzung teilt auch die deutsche Präventionsmedizinerin Martina Pötschke-Langer: «Diese Veränderung am Gerät steigert das Suchtpotenzial enorm.»
Der Wissenschaftliche Ausschuss für Gesundheits-, Umwelt- und aufkommende Risiken (SCHEER) der Europäischen Union sieht in einem im September veröffentlichten Report starke Hinweise, dass elektronische Zigaretten Jugendliche zu Rauchern machen. Das in den Dampfgeräten enthaltene Nikotin birgt nach den Erkenntnissen der Forschenden ein hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten mit Langzeitschäden.
Der E-Zigaretten-Hersteller nimmt auf konkrete Fragen des Beobachters nur sehr allgemein Stellung. «Unsere Studien zeigen für unsere Kieselsäure- und Baumwolldochtprodukte mit 18 mg/ml eine ähnliche Nikotinabgabekurve, die im Übrigen in beiden Fällen viel niedriger ist als bei einer (Tabak-) Zigarette», sagt ein Sprecher. Er betont jedoch, dass nach Ansicht von Juul «die Ermöglichung einer ähnlichen Nikotinwirkung und -erfahrung wie bei brennbaren Zigaretten entscheidend ist, um erwachsenen Rauchern den Stopp von Tabakzigaretten zu erleichtern». Besser lässt sich ein Widerspruch kaum formulieren.
Ob Schweizer Dampferinnen und Dampfer noch lange an einer Juul nuckeln können, ist fraglich. Man sei mit den Schweizer Mitarbeitern «in Konsultationen getreten zu unserem Plan, uns aus dem Schweizer Markt zurückzuziehen», schreibt der Juul-Sprecher.
5 Kommentare
Eigentlich hätte ich mehr Objektivität vom Beobachter erwartet. Im Artikel schreibt der Beobachter, «…Das in den Dampfgeräten enthaltene Nikotin birgt nach den Erkenntnissen der Forschenden ein hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten mit Langzeitschäden…»
Hierfür gibt es keine wissenschaftliche Evidenz, leider fehlt auch eine Quellenangabe.
Die auf dieser Aussage oft basierende Studie von Stanton Glantz wurde wegen Fehlaussagen und Manipulation von wissenschaftlich anerkannten Fachzeitschriften gelöscht und musste von Stanton Glantz zurück gezogen werden. (Findet man alles in 15Min googeln…., wenn man will).
Zurückgezogene Studie (ncbi.nlm.nih.gov) / (ahajournals.org) (http://bit.ly/2SFC… (engl.) http://bit.ly/3bNf…)
JUNK SCIENCE - American Heart Association Journal Finally Retracts Study Implying That E-Cigarettes Cause Heart Attacks Before People Use Them (reason.com) http://bit.ly/37H6… (engl.)
Zum Thema Nikotin-Gehalt: Auch ich mische meine Nikotin-Dosis selbst. Ist dies zu stark, inhaliere ich zuviel Nikotin, wehrt sich mein Körper unmittelbar durch Übelkeit und leichtem Schwindel. Sind die Liquids höher konzentriert, zieht man(n) einfach weniger oder seltener daran. Eine ernsthafte «Vergiftung» ist auf diesem Weg unmöglich.
Langzeitschäden? Es gibt nur wenige, begleitete Langzeitstudien zu E-Zigaretten. Weltweit ist, durch die sachgemässe Verwendung von E-Zigaretten, KEIN einziger Todesfall bekannt geworden. Dem gegenüber stehen aber Tausende Krebsopfer pro Jahr durch das Rauchen.
Guten Tag. Die Studie von Stanton Glantz ist uns selbstverständlich bekannt, aber wir beziehen uns nicht darauf. Die Gefahr von Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch das in E-Zigaretten enthaltene Nikotin wurde unter anderem durch die WHO festgestellt (https://www.who.int/fctc…). Zum gleichen Schluss kommt auch das im Text erwähnte Wissenschaftskomitee der Europäischen Kommission (siehe im Text verlinktes Dokument).
Die Recherche für diesen Artikel lässt zu wünschen übrig. Juul deklariert seit längerer Zeit deutlich auf jeder Packung, dass sie einer "new technology" entspreche. Still und heimlich wäre wohl anders.
ich bin Vaper, also Dampfer. also nicht mit E-Zigis wie Juul und Co. sondern mische mir meine Liquids selber. ich benutze dazu industriell gefertigte Verdampferköpfe. ich empfinde dabei immer wieder einen etwas "chemischen Geschmack" bei den ersten paar Zügen, wenn ich den Verdampferkopf auswechselte. zudem passiert mir immer wieder mal ein "dry-hit", was sehr unangenehm ist. (Inhalation bei ausgetrockneter Watte) mich würde schon lange interessieren ob es dazu "Schadstoff-Untersuchungen" gibt. auch zu der eventuellen Zunahme der Schadstoff-Entwicklung, wenn sich die Lebensdauer des Verdampferkopfes dem Ende zuneigt (Watte wird immer schwärzer) oder bereits leicht "kokelt".
(ich konnte übrigens meinen Nikotinkonsum massiv drosseln mit dem dampfen, bin nahezu bei "0", und rauche als jahrzehntelanger Raucher (1 Pkt/Tag) seit fast 2 Jahren keine Zigarette mehr)
Die Absicht vom Beobachter in Ehren, aber es wäre schön, mit solchen 'Bevormundungen' endlich aufzuhören! Jeder, der raucht, weiss, dass Rauchen eine Sucht ist resp. schnell wird. Also sollte man auch schwachsinnige Entscheidungen jedem einzelnen Volljährigen selbst überlassen! Dies nennt resp. nannte sich mal SELBSTVERANTWORTUNG.
Ich suche 'verzweifelt' bereits seit Jahrzehnten Argumente um mit dem Rauchen anzufangen. Bislang habe ich noch keine gefunden! ;-)