Das amerikanische Bettenvermittler-Portal Airbnb ärgert Hoteliers und lässt Ökonomen vom Ende des Kapitalismus träumen. 2008 als Mischung aus Luftmatratze und Frühstück an den Start gegangen, bietet das Unternehmen aus San Francisco heute in 190 Ländern 1,5 Millionen Unterkünfte an. 40 Millionen Gäste buchten eine Airbnb-Unterkunft seit der Gründung, und jeden Monat kommt eine weitere Million dazu.

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Airbnb strotzt vor Stärke

Die Firma ist inzwischen 24 Milliarden Dollar wert – fast so viel wie Hilton, die weltgrösste Hotelkette. 2015 will Airbnb den Umsatz auf 900 Millionen Dollar verdreifachen. Und bei Google wird heute so oft der Begriff Airbnb eingegeben wie die Namen der Reiseportale Booking.com, Hotels.com und Ebookers.com zusammen. Ein immenser Erfolg –und das, obwohl anfangs nicht einmal die Risikokapitalisten im Silicon Valley auch nur einen Dollar auf Airbnb wetten wollten.

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In der Schweiz hinken Angebot und Nachfrage noch etwas hinterher. Auf 271’000 Hotelbetten kommen 13'000 Airbnb-Unterkünfte. Die 200'000 Airbnb-Gäste in den vergangenen zwölf Monaten sind ein Klacks im Vergleich zu den 35,9 Millionen Übernachtungen in Schweizer Hotels. Doch Airbnb holt schnell auf und kann dabei einen entscheidenden Vorteil ausspielen: tiefe Preise. In Genf kostet eine Airbnb-Unterkunft im Schnitt 102 Franken, ein Hotelzimmer dagegen 235; in Zürich 96, das Hotel 170 Franken.

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Airbnb-Mitgründer Nathan Blecharczyk hat grosse Pläne für seine Firma. Innert fünf Jahren will er den Anteil am weltweiten Vermietungsgeschäft von aktuell 1 auf 10 Prozent steigern. Airbnb verstehe sich aber nicht nur als Teil einer neuen Hotelbranche, sondern wolle den gesamten Tourismus aufrollen, erläuterte er dem «Spiegel», als sei es eine Selbstverständlichkeit. «Es geht nicht um Milliarden, sondern um Billionen von Dollars.»

Airbnb wird für die Hotellerie zu dem, was Uber für die Taxis ist: eine existenzielle Bedrohung. Auch wenn vorläufig erst die Ein- bis Drei-Sterne-Hotels bluten müssen. Das heisst nicht, dass teure Häuser ungeschoren davonkommen, sagt Martin von Moos, Präsident der Zürcher Hoteliers. «Wenn unten die Preise fallen, entsteht auch ein Preisdruck auf die höheren Kategorien.» Für die vom starken Franken gebeutelte Branche kommt es noch dicker. Denn Airbnb ist nicht das einzige Parahotellerie-Angebot im Internet. Es gibt immer mehr kommerzielle Plattformen: Homelink, Homeforhome, Lovehomeswap oder die deutsche Haustauschferien für Häusertausch, 9flats, Onefinestay oder Wimdu aus Berlin für die Vermittlung von Zimmern oder Appartements.

Bewegen Sie den Slider um die Entwicklung von 2010 bis 2015 nachzuvollziehen.

Hotels: Existenziell bedroht

Die Hotellerie in der Schweiz will sich das Phänomen Airbnb möglichst vom Leib halten. Deshalb führt sie jedes nur denkbare Argument gegen Airbnb ins Feld und sucht zunehmend Hilfe beim Staat. Am Ende bleibt der Eindruck der Hilflosigkeit.

Das kann nicht verwundern: Für viele Hotels geht es um das nackte Überleben. Die Branche ist der vom Internet getriebenen Umwälzung fast machtlos ausgesetzt: wie die Musikindustrie, die nach dem Kampf gegen das Filesharing nun mit dem Streaming zu überleben versucht. Wie die Medien, die nicht wissen, wie sie neben der Gratiskultur des Internets bestehen sollen. Wie die Taxi-Industrie, die im Kampf gegen Uber nur einen Verbündeten hat: die Gemeindebehörden.

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Thomas Allemann, bei Hotelleriesuisse Experte für Airbnb, spricht zwar beständig von Kooperation mit der Konkurrenz. Doch Kooperation klingt aus seinem Mund wie Konfrontation. «Wir wollen, dass diese Anbieter auf diesen Plattformen aus der Schattenwirtschaft herauskommen. Aber das geht nur, wenn sie mit gleich langen Spiessen kämpfen wie wir.»

Gleich lange Spiesse – das ist die neue Zauberformel der Hoteliers. Gleich lange Spiesse heisst für sie, dass Airbnb die gleichen Regeln einhalten muss, die für traditionelle Hotels gelten, wie diverse Branchenvertreter im Gespräch erklären. Dabei geht es wahlweise um: das Einziehen der Kurtaxe; die Zahlung von Mehrwertsteuern; die konsequente Einhaltung der Mietgesetze; das Sicherstellen des Brandschutzes inklusive Aufzeigen von Fluchtwegen und Installation von Feuerlöschern; die Durchsetzung der Lebensmittelhygiene, wie sie für Restaurationsbetriebe gilt; das Bezahlen von Mindestlöhnen gemäss dem Gesamtarbeitsvertrag für das Gastgewerbe; die Meldepflicht für alle Gäste sowie gleiche Regeln bei der Nutzung von Fernmeldediensten, damit Terroristen, Kinderschänder und Kriminelle nicht via Airbnb-Logen unerkannt ihr Unwesen treiben können.

Die Branche will zwar keine neuen Gesetze, aber die bestehenden sollen gefälligst auf die Airbnb-Anbieter angewendet werden. Und jene, die trotzdem unter dem Radar durchfliegen wollen, sollen Bussen zahlen, die richtig schmerzen.

Dennoch: Airbnb könne es sich nicht länger leisten, aus der Halblegalität heraus zu operieren, ist Allemann von Hotelleriesuisse überzeugt. Denn ohne Kooperation drohe eine scharfe Regulierung, die das ganze Geschäftsmodell in Frage stelle.

So hofft Allemann, dass Airbnb in der ganzen Schweiz die Kurtaxen direkt bei den Gästen einkassiert und entrichtet. Dabei geht es zwar nicht einmal um einen Fünfliber pro Gast, in der föderalistischen Schweiz hat es die Forderung aber in sich: Denn die 2352 Gemeinden und 26 Kantone verfügen über unzählige Kurtaxensysteme und unterschiedlichste Taxen. Allemann hält fest: «Es geht uns überhaupt nicht um ein Verbot. Wir wollen nur sicherstellen, dass alle Beherbergungsanbieter dieselben Rechte und Pflichten haben.»

Weniger Vorgaben für alle statt mehr Regulierung

Für Schweiz Tourismus «kommt eine Kooperation mit Airbnb nur dann in Frage, wenn für Airbnb die gleichen Vorgaben und Rahmenbedingungen gelten wie für die anderen kommerziellen Anbieter», sagt Sprecherin Daniela Bär. Pragmatischere Vertreter der Branche wie Martin von Moos, Präsident der Zürcher Hoteliers, wollen die Diskussion um Airbnb nutzen, um die Hotellerie von staatlicher Regulierung zu befreien.

Es könne nicht sein, dass die Hoteliers mit staatlichen Vorgaben geknebelt werden, während Airbnb unter dem Deckmantel des «Privatanbieters» überhaupt keine Auflagen erfüllen müsse.

«Man kann ein Hotel mit 400 Zimmern unmöglich mit einer Privatwohnung vergleichen», sagt dagegen Airbnb-Sprecher Julian Trautwein. «Auf Airbnb werden neben Wohnungen und Gästezimmern zudem verschiedenste Arten von Unterkünften wie Wohnwagen, Schlösser, Hausboote, Iglus oder Baumhäuser angeboten. Sie alle gleich zu behandeln ist weder sinnvoll noch möglich.»

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Sicherheit stehe für Airbnb an erster Stelle. Man lege grossen Wert auf einen guten Standard der Unterkünfte, und dazu hat Airbnb Gastgeberstandards eingeführt. «Denn nur wenn sich Gast und Gastgeber sicher fühlen, funktioniert das System», so der Airbnb-Sprecher.

In einem Punkt geht Airbnb auf die Hotellerie zu. Bisher zumindest in neun Städten, unter anderem Amsterdam, Paris und London. Hier hat die US-Firma gemeinsam mit den jeweiligen Stadtverwaltungen für die Gastgeber Modelle entwickelt, wie sie leichter die Kurtaxen zahlen können. Das habe sogar positive Folgen fürs Geschäft. «In Städten mit klaren Regulierungen ist die Zahl unserer Gastgeber gestiegen», sagt der Airbnb-Sprecher. Nichts unternehmen werde Airbnb dagegen bei den Einkommenssteuern. «Airbnb erinnert alle Gastgeber daran, ihr Einkommen und sonstige Steuern, dort, wo sie anfallen, zu versteuern, und die Gastgeber bestätigen, dass sie dies tun.»

Hinweis: Die Axel Springer AG hält seit 2012 eine Minderheitsbeteiligung an Airbnb.

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Lesen Sie die vollständige Titelgeschichte zur Schattenseite von Airbnb in der aktuellen Ausgabe des Beobachters.

Weitere Themen des Hefts: Neuer Ärger für die SBB bei der Einführung des Swiss Pass, wie die hohen Käsepreise Käufer aus dem In- und Ausland abschrecken, wie bekennende Christen ins Nationale Parlament einziehen wollen, wie Politiker den Einfluss von Lobbyisten dämpfen wollen und wie man auf dem Aletsch Ruhe und Einkehr findet.

Der Beobachter 16/2015 erscheint am Freitag, 7. August. Sie erhalten die Ausgabe am Kiosk, als E-Paper oder im Abo.

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Autor: Nicole Krättli und Martin Vetterli
Bilder: Luxwerk/Airbnb
Infografik: Beobachter/Andrea Klaiber; Quelle: Airbnb