Eine Frage der Haltung
Bürojobs können krank machen: Schmerzhafte Verspannungen, der Mausarm, Kopfweh oder gereizte Augen sind weit verbreitet. Doch schon ein paar einfache Regeln können helfen.
aktualisiert am 9. Januar 2018 - 14:20 Uhr
Der Büromensch muss keine Lasten schleppen, keine schweren Maschinen bedienen und ist vor Wind und Wetter geschützt. Ein Arbeitsplatz ohne Gesundheitsrisiken also? Schön wärs! Insbesondere die Arbeit am Computer kann eine ganze Palette von Beschwerden hervorrufen. Bildschirmarbeit zwingt den Menschen in eine starre Haltung: Wohin er schauen muss und wie er zu sitzen hat, ist vorgegeben. Arbeit am Computer erfordert zudem Konzentration, was Verspannungen zusätzlich fördert. Steife Nacken und verspannte Schultern sind deshalb in allen Büros dieser Welt verbreitete Leiden. Auch Augenbeschwerden und Kopfweh haben Büroangestellte oft.
Wer zudem Schmerzen im Arm, Handgelenk, Ellbogen, Nacken oder in den Schultern verspürt, hat sich möglicherweise einen sogenannten Mausarm zugezogen. Er kommt häufig bei Büroangestellten vor, die immer die gleichen Bewegungen an Tastatur oder Computermaus ausführen müssen oder in ungesunder Haltung vor dem Bildschirm sitzen. Ärzte sprechen vom RSI-Syndrom. Die Abkürzung steht für Repetitive Strain Injury und heisst übersetzt «Verletzung durch wiederholte Belastung». Das abertausendfache Tastaturtippen und Mausklicken kann auf Dauer Bänder, Gelenke, Muskeln, Nerven und Sehnen schädigen. Die Symptome gleichen jenen des Tennisarms oder einer Sehnenscheidenentzündung.
Wie viele Menschen von den typischen Büroleiden betroffen sind, ist in der Schweiz nicht statistisch erfasst. Laut Schätzungen aus der EU geht bis zu ein Drittel aller Absenzen auf Schmerzen am Bewegungsapparat zurück.
Eines haben diese Büroleiden gemeinsam: Sie sind oft diffus und die Ursachen nicht immer eindeutig zuzuordnen. Deshalb handelt es sich nicht um anerkannte Berufskrankheiten, sondern um arbeitsplatz- und tätigkeitsbedingte Beschwerden.
Am besten lässt man es jedoch gar nicht so weit kommen, denn wer am Büroarbeitsplatz leidet, ignoriert oft die einfachsten Regeln. Gift für Wirbelsäule und Muskulatur ist etwa, zu lange ohne Pause am Bildschirm zu kleben. Wer auch noch seine Freizeit überwiegend sitzend und wiederum am Computer verbringt, läuft Gefahr, sich gravierende Beschwerden zuzuziehen, die im schlimmsten Fall chronisch werden können.
Büroangestellte, die auf sich achtgeben, müssen auch vor der «E-Thrombose» keine Angst haben. Der Begriff ist zu einem richtigen Hype geworden, nachdem ein junger Neuseeländer im Büro an einem Blutgerinnsel gestorben war. Der 32-Jährige war 18 Stunden vor dem Computer gesessen - ohne Unterbruch. Büroangestellte, die immer wieder aufstehen, sich die Beine vertreten, viel Wasser trinken und nicht rauchen, müssen sich indessen keine Sorgen machen, dass ihre Überstunden am PC lebensbedrohlich werden.
Arbeitsmediziner und Ergonomen reden auch den Arbeitgebern ins Gewissen: Würde mehr auf korrekt eingerichtete Arbeitsplätze geachtet, ginge es der Belegschaft besser. Oft lässt auch die Arbeitsorganisation zu wünschen übrig. Mitarbeiter, deren Aufgabe sich jahrein, jahraus darauf beschränkt, am Computer Daten einzutippen, sind anfällig für Beschwerden wie das RSI-Syndrom. Immerhin: Das Bewusstsein für Prävention ist in den letzten Jahren gestiegen, da den Unternehmen klar wird, dass nur eine gesunde Belegschaft leistungsfähig sei.
Hier setzt auch das Programm «KMU-vital» der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz an. Die Idee: Den Unternehmen soll gezeigt werden, wie sie mit geringem Aufwand für gesunde Büroarbeitsplätze sorgen. Denn oft sind einfach nur Tische und Stühle verkehrt eingestellt sowie Bildschirme und Tastaturen falsch platziert. Es umfasst unter anderem eine Mitarbeiterbefragung für interessierte Betriebe. Vorgesetzte können so herausfinden, wie es den Büroangestellten geht und wo sie Verbesserungspotential sehen. Empfohlen wird, neues Mobiliar unbedingt unter ergonomischen Gesichtspunkten zu beschaffen und für Bewegungsfreiheit sorgen. Ideal sind beispielsweise Schreibtische, die sich mit wenigen Handgriffen in Stehpulte verwandeln lassen. Das erlaubt, die Muskulatur abwechslungsreicher zu gebrauchen. Denn eines ist klar: Nur der bewegliche Büromensch bleibt auf Dauer gesund.
- Wer am Bildschirm arbeitet, sollte nicht zu lange in derselben Position verharren. Nehmen Sie immer wieder eine andere Sitzposition ein («dynamisches Sitzen»). Gönnen Sie sich ausserdem kleine Pausen, sie haben einen grossen Erholungseffekt - am besten jede Stunde die Arbeit kurz liegenlassen: Lockern Sie die Schultern, strecken Sie sich, stehen Sie auf, vertreten Sie sich die Beine. Ein guter Trick: Installieren Sie Pausen-Software, sie erinnert Sie daran, wann die nächste Mini-Auszeit fällig ist (www.micropause.ch).
- Auch Ihre Augen brauchen öfter mal Pause. Regelmässiges Blinzeln beugt trockenen Augen vor. Starren Sie nicht immer nur auf den Bildschirm, sondern fokussieren sie ab und zu ein entferntes Objekt. Auch Schummerlicht bekommt den Augen nicht: Schalten Sie ruhig auch am Tag das Licht ein. Achten Sie auch darauf, dass Sie nicht geblendet werden. Schlecht ist es beispielsweise, den Bildschirm vor dem Fenster zu platzieren.
- Achten Sie auf richtiges Sitzen: Passen Sie den Stuhl Ihren Körpermassen an. Ober- und Unterschenkel sollten einen rechten Winkel bilden. Idealerweise ist die Sitzfläche etwas kürzer als die Oberschenkel und die Vorderkante des Bürostuhls abgerundet. So wird der Blutfluss in den Beinen nicht behindert. Die Rückenlehne soll der Wirbelsäule in allen Abschnitten guten Halt geben.
- Ist der Tisch zu hoch eingestellt, sind Schmerzen in den Armen, im Nacken oder in den Schultern programmiert. Beim Tippen auf der Tastatur sollte der Unterarm waagrecht liegen, der obere Rand des Bildschirms sollte sich etwa fünf bis zehn Zentimeter unter der Augenhöhe befinden - das verhindert Nacken- und Schulterverspannungen. Der ideale Abstand zum Bildschirm beträgt 60 bis 80 Zentimeter.
- Warten Sie nicht zu lange, wenn Ihnen etwas weh tut. Achten Sie auf Warnsignale wie Kribbeln oder Taubheit in den Fingern, Schmerzen in den Armen oder Verspannungen im Nacken.
- Sorgen Sie in der Freizeit für genügend Bewegung, am besten an der frischen Luft. Und kräftigen Sie Ihre Muskulatur: Trainierte Muskeln schützen die Wirbelsäule, das macht sie weniger anfällig für Beschwerden.