Kündigung nach 25 Jahren: Firma muss 26’500 Franken Entschädigung zahlen
Ein älterer Angestellter wird gekündigt – aus guten Gründen, urteilt das Gericht. Trotzdem erhält er eine happige Entschädigung. Der Beobachter erklärt, warum.
Veröffentlicht am 13. Februar 2025 - 10:15 Uhr
Das Bezirksgericht Muri AG sprach dem Entlassenen 3,5 Monatslöhne zu.
Eine Aargauer Firma kündigt 2023 einem Rohstoffeinkäufer. Er hat 25 Jahre für den Betrieb gearbeitet und wäre gut ein Jahr später pensioniert worden. Die Firma muss Betriebsabläufe straffen, um Kosten zu sparen.
Der Mann klagt gegen die Kündigung: Sie sei missbräuchlich, es habe keinen Anlass gegeben. Man habe ihn einfach durch einen jüngeren, günstigeren Arbeitnehmer ersetzen wollen.
Widersprüchliche Aussagen vor Gericht
Vor dem Bezirksgericht Muri AG stellt das der frühere Vorgesetzte anders dar, wie die «Aargauer Zeitung» schreibt. Der Mann sei schwer zu lenken gewesen, habe nicht auf digitale Prozesse umstellen wollen und Fehler gemacht beim Einkauf. Und er habe die betrieblichen Veränderungen abgelehnt und mit mieser Stimmung das Klima vergiftet.
Dem widerspricht der Mann: Er habe Beschlüssen immer Folge geleistet. Und man habe ihm nie mit der Kündigung gedroht. Falsch, sagt der Vorgesetzte: Mündlich habe er mehrmals damit gedroht. Etwas Schriftliches kann er aber nicht vorlegen.
Erhöhte Fürsorgepflicht bei älteren Angestellten
Das Bezirksgericht bestätigt, dass es sachliche Gründe für die Kündigung gegeben hat – dem Mann sei nicht wegen seines Alters gekündigt worden. Trotzdem heisst es die Klage des Einkäufers gut.
Denn der Arbeitgeber hätte bei der Kündigung schonend vorgehen müssen, weil er gegenüber älteren Angestellten eine erhöhte Fürsorgepflicht hat. Er hätte deshalb vorgängig klar die Konsequenzen aufzeigen müssen, wenn sich die Leistungen nicht verbessern. Das Gericht spricht dem Kläger 26’500 Franken als Entschädigung zu, das sind 3,5 Monatslöhne.
Der Entscheid ist noch nicht rechtskräftig. Er ist erst mündlich eröffnet worden, nun bekommen die Parteien den grundlegenden Entscheid zugeschickt. Danach können sie ein schriftlich begründetes Urteil verlangen. Und müssen dann entscheiden, ob sie Berufung einlegen.
Wann ist eine Kündigung missbräuchlich?
Im Gesetz steht dazu ein ganzer Katalog. Missbräuchlich kann es sein, jemandem allein wegen seines Alters zu kündigen – besonders kurz vor der Pensionierung und nach vielen Dienstjahren.
Nicht missbräuchlich ist die Kündigung, wenn Angestellte ihre Leistung nicht mehr erbringen. Grundsätzlich gilt Kündigungsfreiheit: Auch ältere Angestellte darf man entlassen.
Was genau heisst «erhöhte Fürsorgepflicht»?
Das lässt sich nicht generell sagen – wie genau und wie stark Firmen Rücksicht nehmen müssen, hängt vom Einzelfall ab. Grundsätzlich gilt aber, dass sie bei älteren Angestellten schonend vorgehen sollen.
Früher war das Bundesgericht noch der Meinung gewesen, dass Betriebe rechtzeitig informieren, Angestellte anhören und nach anderen Lösungen suchen müssen. Später ist es davon abgekommen und hat entschieden, dass Arbeitgeber nicht dazu verpflichtet sind.
- «Aargauer Zeitung»: Lehrbuchbeispiel einer diskriminierenden Alterskündigung?
- Beobachter-Ratgeber: Über fünfzig und keinen Job mehr
- Beobachter-Rechtsratgeber: missbräuchliche Kündigung, samt Checkliste und Musterbrief
- Obligationenrecht: Artikel 336
5 Kommentare
Wenn jemand nicht gut arbeitet, hätte man das innert 25 Jahren merken sollen. 1 Jahr vor der Pensionierung künden, das ist sehr unanständig, da diese Person sein gesamtes Leben lang bedeutend weniger Geld bekommt.
Man könnte ja auch mit einem Angestellten reden und ihm einen für beide Seiten guten Deal anbieten, das wäre fair gewesen.
hat den dieser einkäufer termine verpasst oder hat er schaden verursacht .... oder geht es nur um gewinnmaximierung
der vorgesetzte hat wohl auch nicht professionell gearbeitet. wenn man unzufrieden ist mit der leistung eines ag führt man standortgespräche welche unabdingbar schriftl. protokolliert werden müssen. auch die kündigungsandrohungen müssen natürlich schriftl. festgehalten sein. man nennt dies schriftl. verweise.
Normalerweise läuft das so: mit 60 heisst es: fühlen Sie sich noch gesund genug? Sie können gerne ihren Arzt konsultieren und sich bei der IV anmelden, 2 Jahre bezahlt der Betrieb, dann kündigen wir Ihnen ganz normal und das RAV ist mit diesem Alter auch kein Problem mehr und die IV übernimmt, danach winkt die Pensionierung und alle haben eine win-win-win Situation, was will man mehr
So einfach dies tönt, ist es leider nicht! Vor allem übernimmt die IV ganz sicher nicht einfach ein Jahr zur Überbrückung…..die verweisen (gesetzlich korrekt) auf das Angebot der Überbrückungshilfe bis zur Pensionierung…..