Die Wendelspiess Partners AG ist nicht mehr zu erreichen. Mails kommen als unzustellbar zurück, am Telefon antwortet niemand mehr. Einzig zwei mit «WP» markierte Parkplätze erinnern am Firmensitz an der Zürcher Norastrasse noch an die Vermögensverwaltungsfirma. Sie hatte über Jahre der Kundschaft ihren WP Multi-Strategy Fund als «sicher und rentabel» angepriesen. Jetzt ist sie in Konkurs und ihr Fonds – mit 83 Millionen Franken von Kleinanlegerinnen und Kleinanlegern – illiquid. 

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Die Probleme zeichneten sich schon seit längerem ab. Mehrere Betroffene berichteten dem Beobachter, wie sie seit Herbst 2023 hingehalten wurden, wenn sie Fondsanteile verkaufen wollten oder sich nach dem Verbleib von vereinbarten Rentenzahlungen erkundigten. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie wenig von Finanzgeschäften verstehen und nur eines wollten: eine risikoarme Anlagestrategie für ihre Altersvorsorge. Sie bekamen letztlich genau das Gegenteil.

Anleger sitzen auf unverkäuflichen Anteilscheinen

Statt Kundengelder in mehrere unterschiedliche Fonds zu investieren, setzte Wendelspiess Partners einzig auf den WP Multi-Strategy Fund. Wer hinter dem in der Steueroase Cayman Islands beheimateten Fonds steckt, ist unklar. Klar ist aber, wer ihn managt: Firmeninhaber Pius Wendelspiess und seine Tochter. 

Die beiden verfolgten eine risikoreiche Anlagestrategie. 87 Prozent der Fondsgelder steckten sie in Form von Beteiligungen oder Krediten in eine einzige Firma: die Investmentfirma ESGTI AG im zugerischen Hünenberg. Die restlichen 13 Prozent wurden als Direktkredit an den Ceylan Global Equity Fund mit Sitz auf den Caymans vergeben. Dieser wiederum hält 35,5 Prozent der Aktien der ESGTI.

Anwaltskanzlei organisiert Hilfe für Wendelspiess-Opfer

Mehr Klumpenrisiko geht nicht – und die Strategie rächte sich. Im Februar 2024 schrieb Wendelspiess in einem Brief von «pendenten Transaktionen», die zu einer «Verzögerung in der Auszahlung der Gelder» führten. Ende April 2024 tauchte in den Schreiben zum ersten Mal das Wort «Liquiditätsengpass» auf, und Anfang Juni hiess es, die «Annahme von Rücknahmen» sei «bis auf weiteres ausgesetzt». Die Anlegerinnen und Anleger sitzen seither auf Anteilscheinen, die sie nicht verkaufen können.

Grosse Ankündigungen – insolventer Partner

Die ESGTI AG wiederum versuchte, mit Investments in Fotovoltaikanlagen Geld zu verdienen. Diese wickelte sie über ihre italienische Tochterfirma ESG Eko Agro Group ab. Der letzte spektakuläre Coup gelang angeblich im Februar 2024. Damals vermeldete die ESGTI AG in einer Ad-hoc-Mitteilung eine Partnerschaft ihrer Tochterfirma mit dem rumänischen Energieversorger Romelectro. Zusammen wollte man auf Landwirtschaftsland in Italien Fotovoltaikanlagen mit einer Nennleistung von 170 Megawatt errichten und so Strom für über 50’000 Haushalte produzieren. 

Recherchen des Beobachters zeigen, dass das Projekt schon bei der Ankündigung auf tönernen Füssen stand. Romelectro hatte in Rumänien bereits zwei Jahre zuvor Insolvenz angemeldet. Die ESGTI AG schreibt dazu auf Anfrage des Beobachters, Romelectro habe mittlerweile einen neuen Eigentümer, der Vertrag mit der Eko Agro Group bestehe weiterhin.

Bereits vor der Ankündigung des Deals hatte jedoch die Revisionsfirma der ESGTI AG Alarm geschlagen. Die ESGTI AG habe ihre «Fähigkeit, Barmittel aus eigenen Forderungen einzutreiben, den Verkauf von Vermögenswerten abzuschliessen oder Verbindlichkeiten zu refinanzieren, nicht ausreichend unter Beweis gestellt», schrieb PricewaterhouseCoopers (PWC) im Bericht zur Jahresrechnung 2022/23. Es gebe «keine hinreichenden Nachweise für die Fortführungsfähigkeit der Gesellschaft». Der Bilanzverlust betrug damals 35 Millionen Franken. Mittlerweile wuchs er auf 49 Millionen an.

«Wir haben keine hinreichenden Nachweise für die Fortführungsfähigkeit der Gesellschaft […] erhalten.»

PricewaterhouseCoopers im Jahresbericht 2022/23 der ESGTI AG

Doch davon erfuhren die Anlegerinnen und Anleger des Wendelspiess-Fonds erst einmal nichts. Der Jahresbericht 2022/23 der ESGTI AG wurde erst am 14. März 2024 veröffentlicht, fast ein Jahr nach dem Ende des Geschäftsjahrs. 

Die ESGTI erklärt das gegenüber dem Beobachter mit «Verzögerungen beim Abschluss der Revisionstätigkeit». Die Berner Börse BX Swiss indes scheinen die Argumente der Investmentfirma nicht überzeugt zu haben. Als der Jahresbericht nach einer angesetzten Frist nicht eintraf, drohte sie, den Handel mit ESGTI-Aktien auszusetzen.

Finma eröffnet Konkurs über Wendelspiess Partners AG

Bei der Wendelspiess Partners AG scheint das vorerst niemanden beunruhigt zu haben. Die Vermögensverwaltungsfirma, die laut Angaben der Berner Börse BX Swiss selber rund 20 Prozent der ESGTI-Aktien besass, unternahm – praktisch nichts. Erst am 30. Oktober 2023 erkundigte sie sich erstmals nach dem Jahresbericht 2022/23. Und kritische Fragen eines Wendelspiess-Vertreters sind erstmals im Protokoll der ESGTI-Generalversammlung im Juni 2024 protokolliert. 

Doch da war es längst zu spät. Die Kleinanlegerinnen und Kleinanleger, die Wendelspiess vertraut und teilweise ihr ganzes Vermögen in den WP Multi-Strategy Fund – und somit indirekt in die ESGTI AG – investiert hatten, konnten schon damals keine Anteile mehr verkaufen. Ende Januar berichtete schliesslich der «Kassensturz» über eine Frau, die fast eine Million Franken angelegt hatte und diese Anteile nicht mehr verkaufen konnte.

Darauf ging es Schlag auf Schlag. Anfang Februar leitete die Finanzmarktaufsicht (Finma) ein Enforcement-Verfahren gegen die Wendelspiess Partners AG ein. Anfang März wurde der Konkurs über die Firma eröffnet. 

ESGTI AG wird liquidiert

Auch die Firma ESGTI dürfte es nicht mehr lange geben. Die Aktionäre beschlossen an der letztjährigen Generalversammlung die Liquidation. Man habe festgestellt, dass die BX Swiss als Börsenplatz für das Unternehmen nicht geeignet sei, schreibt der ESGTI-Vertreter, ein Anwalt mit Büros an der Zürcher Bahnhofstrasse, in seiner Stellungnahme. Deshalb habe man sich nun entschieden, mit einem sogenannten Reverse Takeover eine andere Firma zu übernehmen und so den Aktionären den Zugang zu einer internationalen Börse wieder zu ermöglichen.

Fondsmanager Pius Wendelspiess war für den Beobachter nicht erreichbar. Gegenüber dem «Kassensturz» hatte er den Vorwurf zurückgewiesen, grob fahrlässig gehandelt zu haben, und erklärt, die Angelegenheit sei auch für sein Unternehmen «äusserst belastend». Es gilt die Unschuldsvermutung.

Quellen