Auf den Spuren des Panters
Es ist wieder Zeit, mutige Menschen für den Beobachter Prix Courage zu nominieren. Wir haben über den Tellerrand hinausgeschaut – denn auch in Berlin fragt man sich: Was ist überhaupt Mut?
Veröffentlicht am 10. März 2024 - 06:00 Uhr
Der Panter kommt aus einem hippen Metallbau in Berlin-Kreuzberg. Darin die Redaktion der «Taz», der links-grünen deutschen Tageszeitung. Sie hat den Panter-Preis begründet.
Der Panter-Preis ist sozusagen das deutsche Pendant des Prix Courage des Beobachters – aber mit politischer Ausrichtung.
Deshalb haben wir gefragt: Wer erhält ihn? Was ist dort Zivilcourage? Zählen dieselben Dinge als mutig wie hier? Und: Sind das zwingend linke Anliegen?
Irene Scheda und Ole Schulz lachen. «Nein, Zivilcourage muss nicht links sein! Wir hatten auch schon eine Frau im Dirndl-Kleid, die den Preis gewann. Die war bestimmt nicht links – aber sie hat einfach Tolles geleistet und wollte den Leuten helfen», sagt Scheda. Sie und Ole Schulz arbeiten beide für die Panter-Stiftung der «Taz». Die Preisträgerin von damals unterstützte Kinder von Flüchtlingsfamilien und förderte deren Inklusion in der Schule im ländlichen Oberbayern.
«Eine richtige Gala»
Die «Taz» vergibt den Panter-Preis seit 2005. Das Motto von damals war «Heldinnen und Helden des Alltags». «Wir wollten Menschen auszeichnen, die tolle Dinge für unsere Gesellschaft leisten, aber nicht bekannt sind.» Schon die erste Preisverleihung sei ein voller Erfolg gewesen, erzählt Schulz. «Eine richtige Gala war das», so Scheda.
Auch der Beobachter Prix Courage hat mondäne Zeiten hinter sich – zeitweise wurde die Vergabe sogar live im Fernsehen ausgestrahlt. Und auch thematisch sind sich die beiden Preise ähnlich: Es werden Menschen ausgezeichnet, die ohne grosses Aufhebens Mut zeigen und sich für eine gerechtere Gesellschaft engagieren.
Der deutsche Mutpreis sollte von da an jedes Jahr verliehen werden. Dafür musste aber Geld her, und die Panter-Stiftung wurde gegründet. Jährlich wurde jeweils ein Preis von einer Jury, der andere von den Leserinnen und Lesern verliehen. Bis 2018 ging das so, dann gab es ein Jahr Pause. «Wir wollten uns umorientieren», sagt Schulz. Auszeichnungen für Helden des Alltags gab es in unserem nördlichen Nachbarland inzwischen wie Sand am Meer.
Die folgenden Jahre wurde der Preis dann zum Thema Klima ausgeschrieben – und damit im Gegensatz zum Prix Courage politisch. «Das ist gerade das wichtigste Thema», findet Irene Scheda. Nun wird aber etwas Neues ausprobiert. In drei Bundesländern, in denen die AfD besonders stark ist, finden dieses Jahr Wahlen statt. «Da steht viel auf dem Spiel für die Demokratie», sagt Ole Schulz. Deshalb soll in Brandenburg, Thüringen und Sachsen an Personen oder Initiativen, die die Demokratie stärken, jeweils ein Preis verliehen werden. Das sei mutig, denn solche Initiativen hätten Rechtsextreme oft auf dem Kieker. «Das kann schon mal gefährlich werden», so Irene Scheda.
Öffentlicher Verkehr für alle
Besonders in Erinnerung geblieben ist den beiden die Gewinnerin des letzten Jahres, die Initiative 9-Euro-Fonds. 2022 wurde in Deutschland während dreier Monate das 9-Euro-Ticket für den Personennahverkehr getestet. Für 9 Euro konnte man eine Monatskarte erwerben, die im Nahverkehr in ganz Deutschland genutzt werden konnte. «Damit hatten mehr Leute Zugang zum öffentlichen Nahverkehr – und das ist ja auch aus der Klimaperspektive total wichtig», sagt Scheda.
Das Angebot lief aber aus – und da entstand der 9-Euro-Fonds. Man zahlt 9 Euro in den Fonds ein und fährt ohne Billett. Wer erwischt wird, dem wird die Busse aus dem Fonds bezahlt. So soll der Druck auf die Regierung steigen, das günstige Billett wieder einzuführen.
«Das fanden wir eine ganz tolle Initiative – mutig, widerständig, aber doch friedlich», sagt Scheda. Aufregung habe es deswegen nicht gegeben. Das Thema passe ganz gut zur «Taz», findet sie. In Berlin sitzt ein nicht unerheblicher Teil der Gefangenen hinter Gittern, weil sie die Bussen wegen fehlendem Fahrschein nicht bezahlen können. Unverhältnismässig viele Menschen in prekärer finanzieller Lage landen so im Gefängnis – ein Thema, das auch die «Taz» immer wieder aufgreift.
«Man darf sich ja auch mal über unsinnige Regeln hinwegsetzen; wenn alle immer alles brav befolgen, bewegt sich nichts», sagt Irene Scheda. So läuft das also bei unserem deutschen Geschwister-Preis: Als mutig gilt, wer widerständig ist, sich aus guten Gründen nicht an alle Regeln hält. Wer dranbleibt und Biss hat. Und wer sich für Mitmenschen einsetzt und dafür selbst etwas riskiert. Ganz ähnlich wie Irene Scheda klang 2022 auch die Prix-Courage-Lifetime-Award-Gewinnerin Anni Lanz: «Es ist immer wichtiger, das Leben eines Menschen zu schützen, als ein Gesetz buchstabengetreu einzuhalten.» Die Seniorin wurde für ihr bald 40-jähriges Engagement für Menschen auf der Flucht ausgezeichnet.
BEOBACHTER PRIX COURAGE
MELDEN SIE UNS MUTIGE MENSCHEN!
Wer hat in den letzten Monaten besonders viel Zivilcourage gezeigt? Wer kann uns Vorbild sein? Der Beobachter sucht Menschen, die den diesjährigen Prix Courage verdienen. Um eine gute Auswahl zu treffen, brauchen wir Ihre Mitwirkung, liebe Leserinnen und Leser.
Gesucht sind Menschen, die halfen, wo andere weggeschaut haben. Die sich für eine Sache engagierten, ohne selbst davon zu profitieren. Die mit ihren Taten bewiesen haben, dass jede und jeder von uns die Welt ein Stück besser machen kann. Kurz: Melden Sie uns Menschen mit Mut!
Ihre Vorschläge bitte per E-Mail an: prixcourage@beobachter.ch oder per Brief an: Redaktion Beobachter, Vorschläge Prix Courage, Flurstrasse 55, 8021 Zürich
Kandidatinnen und Kandidaten direkt melden: beobachter.ch/prix-courage
1 Kommentar
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Wenn die traditionellen Parteien nichts Vernünftiges gegen offensichtliche politische Probleme unternehmen, müssen sie sich nicht wundern, wenn extreme Parteien Zulauf haben. Gegen diese "Brandmauern" zu errichten ist so ziemlich die falscheste Reaktion. "Brandmauern" haben in einer Demokratie nichts zu suchen. Sie sind Bankrotterklärungen.