In Sacramento war es brütend heiss. Die Luft, die war wie Feuer: so wüstenmässig – ganz anders als in Basel, wo ich wohne. Wegen der Hitze wurden alle Fussballspiele auf den frühen Morgen oder den späten Abend verlegt.

40 Nationen kämpften diesen Sommer am Homeless World Cup in Kalifornien um den Titel. Wir waren eine davon. Das Turnier gibts seit 20 Jahren. Einmal im Jahr soll es den Menschen am Rand der Gesellschaft ein Gesicht und vor allem Selbstvertrauen geben.

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Eine wild durchmischte Truppe

Zu Beginn mussten die Spielerinnen und Spieler obdachlos sein. Heute können auch Leute mitmachen, die einen anderen Lebenshintergrund haben. Aber wir sind alle auf eine Art benachteiligt. Unser Team ist eine durchmischte Truppe aus Frauen und Männern: Da gibts Spieler, die verschuldet oder suchtkrank sind, Spielerinnen, die eine schlimme Flucht hinter sich haben.

Ich habe eine kognitive Einschränkung und lebe mit Epilepsie. Die Krampfanfälle überkommen mich ohne Vorwarnung, ich muss starke Medikamente nehmen. Trotz aller Verschiedenheiten: Wir haben uns vom ersten Tag an gut verstanden.

Fan von Ronaldinho und Messi

Unsere gemeinsame Reise, die vom Strassenmagazin «Surprise» organisiert wurde, hat im Februar begonnen. An einem Sichtungstag konnte man sich für die Mannschaft empfehlen. Ich wurde als Goalie ausgewählt. Eine einmalige Chance! Man kann nämlich nur einmal im Leben am Homeless World Cup teilnehmen. Ich liebe die Goalie-Position: Idealerweise hält man alle Schüsse und hat das ganze Team im Blick.

Zu Hause spiele ich beim Dreamteam des FC Basel, einer Mannschaft für Menschen mit einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung. Natürlich bin ich auch grosser Fan des FC Basel. Mein Idol ist der Brasilianer Ronaldinho. Von den noch aktiven Spielern finde ich Messi am besten.

«Das Trainingslager war fast noch schöner als das Turnier selbst. Dort wuchsen wir zu einem richtigen Team zusammen.»

Nachdem die Mannschaft zusammengestellt war, trainierten wir zehn Mal. Während zweier Trainingsweekends haben wir auch Ausflüge unternommen. Kurz vor Abflug sind wir nach Dornach in ein einwöchiges Trainingslager gefahren. Das war die schönste Erfahrung für mich – fast noch schöner als das Turnier selbst. Dort wuchsen wir zu einem richtigen Team zusammen.

Seither ist jeder für den anderen da. Ein Beispiel: Nach dem Gruppenspiel gegen Finnland, in dem ich etwas unkonzentriert war, haben mich alle getröstet. Das hat mich motiviert, in den nächsten Matches noch besser zu spielen.

Die persönliche Betreuung

Der Flug nach Sacramento war der längste Flug meines Lebens. Überrascht war ich von der Zeitumstellung. Während ich in Kalifornien frühstückte, dunkelte es in Basel offenbar bereits ein, verrückt!

«So eine Unterstützung würde ich mir im normalen Leben manchmal auch wünschen.»

Die Spieltage waren eng getaktet. Zum Glück wurden wir vor Ort von zwei Coaches und zwei Managern begleitet, die das Rundherum für uns organisierten. Auch neben dem Rasen. Wir wurden persönlich betreut und lernten viel über Teambildung. So eine Unterstützung würde ich mir im normalen Leben manchmal auch wünschen.

Nach der Gruppenphase wurde das Tableau geteilt. Wir spielten das Turnier in der schwächeren Hälfte fertig und erreichten Rang 20. Ich ärgerte mich nicht, wenn wir verloren. Nur wenn wir als Team nicht gut zusammen gespielt haben. Gegen Australien etwa spielten wir katastrophal – auch wenn wir gewannen. Teamgeist ist alles.

Chillen mit den Österreichern

Auf dem Campus lernte ich auch Spieler aus anderen Ländern kennen. Mit den Österreichern spielte ich Karten und habe gechillt. Über unsere Leben sprachen wir kaum, eher über Penaltys, Fehlentscheide oder Goalie-Patzer – Fussball halt. Einmal besichtigten wir San Francisco. Ich habe noch nie so viele Hochhäuser gesehen. Und zum Abschluss ging ich im Pazifik schwimmen. Das Wasser war zuerst kalt. Aber man gewöhnte sich schnell daran.

Nun bin ich wieder zurück in der Schweiz, bei meinen Eltern, wo ich wohne. Und zurück in meinem Alltag als Lebensmittelverkäufer. Was mir als Erinnerung bleiben wird, ist unser Team. Definitiv! Hoffentlich werden wir nie den Kontakt zueinander verlieren. Wer weiss, vielleicht spielen wir sogar mal wieder Fussball zusammen.

Aufgezeichnet von Katharina Siegrist