Als Shraga Elam seine Antikörper gegen Sars-CoV-2 bestimmen liess, erlebte er eine Überraschung. Sein Zürcher Hausarzt teilte ihm mit, dass er Abwehrmoleküle im Blut habe. Dabei konnte er sich gar nicht an eine Krankheit erinnern. Nun war die Konzentration an Antikörpern mehr als zehnmal so hoch wie die Schwelle, ab der ein Nachweis als positiv gilt. Sein Arzt habe ihm gesagt, dass er damit höchstwahrscheinlich geschützt sei vor einer weiteren Infektion.

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Doch die Freude über den unverhofften Schutz war schnell getrübt. Denn weil der 73-Jährige, gebürtiger Israeli, seit 42 Jahren in der Schweiz, keine Ahnung hatte, wann er infiziert gewesen war, hatte er auch keinen PCR-Test gemacht. «Ich habe versucht, ein Covid-Zertifikat zu bekommen», sagt Elam. «Aber bei der Impfhotline des Kantons Zürich sagte man mir, das sei ohne positiven PCR-Test nicht möglich.» Eine Nachfrage bei der Infoline des Bundesamts für Gesundheit ergab dasselbe.

Damit ist Elam nicht allein. «Uns sind einige solche Fälle bekannt», heisst es bei der Infohotline des Kantons Zürich. Das Bundesamt für Gesundheit führt dazu keine Statistik. «Es ist nicht möglich, aus den Antikörpern einen Rückschluss auf anhaltenden Schutz zu ziehen. Das ist nur eine Momentaufnahme», heisst es auf Anfrage. «Auf europäischer Ebene ist der Nachweis von Antikörpern ebenfalls nicht gültig für das Covid-Zertifikat.» Die Antikörpertests seien unterschiedlich je nach Hersteller und schlecht vergleichbar. Im Moment ist das Zertifikat für Genesene ab PCR-Test 180 Tage gültig.

Unterschiedliche Anzahl Antikörper

Shraga Elam kann nicht nachvollziehen, warum er kein Zertifikat bekommt. «Ich würde verstehen, wenn ich in einigen Monaten noch mal einen Test machen müsste, um zu überprüfen, ob ich noch Antikörper habe», sagt er. «Aber so ergibt das keinen Sinn.»

Das räumen auch Immunologen ein. «Das ist eher eine regulatorische Frage», sagt Christian Münz, Professor für virale Immunbiologie an der Uni Zürich. «Bislang gibt es nur wenige Vorschläge, verbindlich Antikörperspiegel Impfdurchbrüche Wie gut und wie lange schützt die Corona-Impfung? festzulegen.» Das hat allerdings eine kuriose Folge: Menschen mit per Test nachgewiesenen Antikörpern können kein Covid-Zertifikat bekommen. Andere erhalten es, obwohl sie keine Antikörper im Blut haben. Denn nicht alle Infizierten bilden überhaupt Abwehrmoleküle. 

Das zeigte sich etwa bei der Corona-Immunitas-Studie, einer Untersuchung zur Immunität gegen Sars-CoV-2 in der Schweiz. «Bei wenigen Infizierten waren keine Antikörper, sondern nur gegen Sars-CoV-2 gerichtete T-Zellen vorhanden», sagt Münz. Bei ihnen geht man davon aus, dass sie durch T-Zellen allein das Virus in Schach gehalten haben und dadurch auch künftig einen Schutz vor schweren Verläufen haben werden. 

Breite Immunantwort bei Genesenen

Klar erscheint gemäss Studienlage jedenfalls, dass Genesene generell relativ gut geschützt sind vor einer erneuten Infektion, auch wenn die Antikörperspiegel geringer sind als bei Geimpften. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Immunantwort breiter ist. Denn das Virus enthält mehr Proteine, als nach der Impfung gebildet werden; es werden mehr Mechanismen des Immunsystems aktiviert – erkauft allerdings mit dem Risiko, schwer krank zu werden.

Ein Los, das Elam erspart blieb. Er ärgert sich darüber, dass man ihm das Covid-Zertifikat versprochen habe, wenn er sich einmal impfen lasse. «Wer einen positiven PCR-Test hat, bekommt das Zertifikat auch ohne Impfung, das ist nicht gerecht.» Allerdings raten Fachleute einhellig auch Genesenen, sich impfen zu lassen. «Die Antikörperkonzentration geht auch nach der Infektion recht schnell zurück», sagt Münz. «Mit einer Impfdosis gehen Genesene auf Nummer sicher.» Studien haben gezeigt, dass diese Kombination derzeit den besten Schutz vor Sars-CoV-2 überhaupt bietet.

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