Nemo, Champion 2024 beim Eurovision Song Contest, ist weder Held noch Heldin der Stunde, sondern etwas Drittes. Wie vor zehn Jahren schon Conchita Wurst, die ebenfalls den Eurovision Song Contest als Bühne nutzte, um Geschlechtsidentitäten zum Thema zu machen.  

Die Kategorie Geschlecht ist durchlässiger geworden in den letzten Jahren, längst nicht mehr nur in Mode, Film und Musik, sondern auch im Gesetz. Zwar kann man in der Schweiz offiziell nur entweder Frau oder Mann sein. Ein drittes amtliches Geschlecht, wie es Nemo nach dem Sieg gefordert hat, gibt es nach wie vor nicht. Seit 2022 braucht es aber nur noch eine Erklärung vor dem Zivilstandsamt, um das Geschlecht von Mann zu Frau oder umgekehrt anzupassen. Vorher hatte ein Gericht darüber zu entscheiden, ob eine Person dafür Frau oder Manns genug war. Es hat den Anschein, als seien trans Menschen in der Gesellschaft angekommen.

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Opfer von Gewalt, Mobbing, Spott und Ausgrenzung

Zugleich füllen sich die Kommentarspalten der Onlinemedien mit Hass und Ablehnung, sobald über Themen wie «Genderneutrale Sprache» oder «Das dritte Geschlecht» berichtet wird. «Müssen die sich so wichtig nehmen?», «Genug mit Gender-Wahnsinn!» und Ähnliches. Trans Menschen werden aussergewöhnlich oft Opfer von Gewalt, Mobbing, Spott und Ausgrenzung. Für das Jahr 2023 vermeldete die LGBTQI-Helpline, ein inländischer Beratungsdienst für LGBTQI-Personen, 305 «Hatecrimes» gegen trans- und queere Menschen in der Schweiz.

Was heisst trans, nonbinär, genderfluid?

Verlässliche Zahlen darüber, bei wie vielen Menschen das psychische und das körperliche Geschlecht nicht übereinstimmen, fehlen noch. Erst seit kurzem interessiert sich die Forschung überhaupt für das Phänomen. Der Verein Transgender Network Switzerland gibt an, dass ausländische Studien von 0,5 bis 3 Prozent der Bevölkerung ausgehen – das wären in der Schweiz zwischen 43’000 und 260’000 Betroffene. Rund 36 Prozent von ihnen ordnen sich dem non-binären Spektrum zu, stehen also zwischen den Polen «männlich» und «weiblich».

Immer mehr junge Menschen bezeichnen sich als nonbinär oder trans, wollen weder Mann noch Frau sein – oder beides. Sie schreiben sich mit Genderstern, suchen neue Bezeichnungen und variieren ihr Aussehen.

Aber warum? Ist das bloss eine Phase, ein Trend? Oder steckt doch mehr dahinter? Und weshalb tun wir uns so schwer mit dem Gedanken, dass es nicht nur Mann und Frau gibt?

Wir haben im Beobachter bereits vor drei Jahren mit Betroffenen und ihren Familien gesprochen. Ihre Geschichten und die Hintergründe dazu finden Sie in unserer vierteiligen Artikelserie «Zwischen den Geschlechtern» mit den Themenbereichen «Medizin», «Gesellschaft», «Recht» und «Umfeld».


Dieser Artikel wurde erstmals am 19.11.2021 publiziert; am 14. 6. 2024 aktualisiert

Weitere Informationen und Unterstützung / Ausstellungstipps
  • Transgender Network Switzerland (TGNS): Organisation von und für trans Menschen. Vernetzt und informiert.
     
  • Trans Welcome: Ein Projekt vom TGNS und dem Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann, das trans Menschen Mut macht, sich am Arbeitsplatz zu outen. 
     
  • Checkpoint: Medizinische, psychologische und soziale Dienste für Männer, die Sex mit Männern haben, trans und andere queere Menschen. 
     
  • Nonbinary.ch: Informationen für non-binäre Menschen sowie Personen und Organisationen, die mit ihnen zu tun haben. 
     
  • Du-bist-du.ch: Eine Plattform für junge Menschen und Fachpersonen. Du-bist-du informiert, sensibilisiert und veranstaltet Workshops zu Themen rund um sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität. 
     
  • Milchjugend: Grösste Jugendorganisation für lesbische, schwule, trans, bi-, inter- und asexuelle Jugendliche. 
     
  • InterAction: Ein Verein für intergeschlechtliche Menschen, ihre Familien, Freundinnen und Freunde.
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