Achtsam den Knoten im samtigen Band lösen. Das Geschenkpapier glattstreichen. Die Kleberli abklauben, an allen Seiten, vorsichtig. Dann das Papier umschlagen.
 
Oder eher «Ritschratsch-Style»: Das zum Ende hin gekräuselte Bändeli schwungvoll über eine Ecke schieben, beherzt zugreifen – bis das Goldpapier in Fetzen auf dem Boden liegt. 

Der Zauber beim Auspacken

Dass das Auspacken eine besondere Faszination auf uns ausübt, weiss der Basler Philosophieprofessor und Wirtschaftsethiker Andreas Brenner: «In der Wissenschaft wurde schon lange vermutet, dass es den Menschen mehr um den Akt des Auspackens geht als um den Inhalt.»

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Denn: Warum sollten wir uns sonst die ganze Zeit Dinge kaufen, wenn wir doch schon alles haben? Da wir es online ja schon angeschaut haben, wissen wir ja auch bereits, wie es aussieht.

Chinesische Wissenschaftler wollten es genauer wissen. Sie verglichen mehrere Versuchsgruppen miteinander: Solche, die ein bestelltes Paket auspackten. Solche, die ein Geschenk öffneten. Und solche, die etwas erhielten, das in einer transparenten Verpackung steckte.

Das Resultat war überall das gleiche: Den grössten Dopamin-Kick hatten die Versuchspersonen beim Auspacken an sich und nicht dann, wenn sie das Erhaltene in den Händen hielten.

«Vielleicht war es für die Höhlenmenschen wichtig, neugierig zu sein.»

Andreas Brenner, Philosoph

Man könne sich jetzt fragen, warum das so ist, sagt Philosoph Brenner. Wenn etwas unerklärbar sei, dann argumentiere man gern mit der Evolution. «Vielleicht war es für die Höhlenmenschen wichtig, neugierig zu sein. Und wir sind es anscheinend immer noch, allerdings lediglich auf Päckli-Niveau.» 

Von der Höhle zu Social Media. «Unboxing» heisst das Phänomen, das unabhängig von Weihnachten existiert. Und das ganz simpel ist: Jemand filmt, wie er etwas auspackt.

Ein Star der Szene ist Ryan Kaji. Videos, in denen der 13-Jährige riesige Überraschungseier voller Spielzeug auspackt, generieren auf YouTube über zwei Milliarden Aufrufe.

Die Hingabe beim Einpacken

Stéphanie Meyer arbeitet bei Manor in Basel und leitet den Päcklitisch. Im Dezember packen die Mitarbeitenden dort mehr als 200 Geschenke pro Tag ein. «Schenken macht Freude. Und hat das Geschenk eine schöne Verpackung, macht es gleich doppelte Freude», so die 45-Jährige.

Am herausforderndsten seien die grossen, schweren und sperrigen Geschenke. «Etwa unser Riesenteddybär oder ein Puppenhaus.» Dann sei jeweils Teamwork gefragt.

«Wenn fünf Menschen gemeinsam etwas einpacken, kann es zu besonders schönen Momenten kommen.»

Stéphanie Meyer, Manor

«Nicht selten helfen auch die Kunden mit. Wenn fünf Menschen gemeinsam etwas einpacken, kann es zu besonders schönen Momenten kommen.» Schnell und einfach einzupacken seien hingegen Lego-Sets. Weil viereckig und leicht. «Dann kommt auch das Geschenkband gut zur Geltung.»

Ihre eigenen Geschenke würde sich Meyer nie von jemand anderem einpacken lassen. Sie geniesst es, sich selbst Zeit dafür zu nehmen. «Dann schliesse ich die Tür hinter mir, höre Weihnachtslieder und geniesse die Vorfreude.»

Falten hat Tradition

Das kennt auch Christiane Grimm-Angelrath. Sie faltet aus Leidenschaft. Kunstvolle Schächtelchen zum Beispiel. Origami – also die japanische Faltkunst – wird damit meist in Verbindung gebracht.

Dabei hat das Falten auch in Europa eine lange Tradition. So waren früher in der Schweiz gefaltete Taufbriefe weit verbreitet. In diese konnte der Götti oder die Gotti dann ein Goldvreneli stecken.

«Wertvoll ist das Schenken an sich. Die Tätigkeit, Zeit und Zuwendung, die ich dem anderen dabei gewidmet habe.»

Christiane Grimm-Angelrath, Origami-Künstlerin

«Mich dünkt fast, dass das in uns Menschen drin ist: Wenn wir ein Papierchen in die Hände bekommen, dann falten wir es», so Grimm-Angelrath.

Was schlussendlich in ihren sorgfältig gefalteten Verpackungen lande, das sei nicht so wichtig, sagt die 62-Jährige. Eine Blumenzwiebel oder ein Schöggeli vielleicht. «Wertvoll ist das Schenken an sich. Die Tätigkeit, Zeit und Zuwendung, die ich dem anderen dabei gewidmet habe.»