Ausgangssperre für Kinder: Ist das legal?
In Studen BE dürfen Kinder unter 14 nach 22 Uhr nicht mehr allein auf die Strasse. In einem Zürcher Fall war das illegal.
Veröffentlicht am 17. Juni 2024 - 09:19 Uhr
Die Gemeindeversammlung von Studen BE war sich einig. Mit 100 zu 2 Stimmen hat sie am 10. Juni 2024 ein neues Polizeireglement verabschiedet. An sich unspektakulär – wenn da der Passus «Jugendschutz» nicht wäre. Der verlangt, dass unter 14-Jährige zwischen 22 und 6 Uhr zu Hause bleiben müssen. Es sei denn, sie wären auf dem Heimweg von einer für Kinder zugelassenen Veranstaltung.
Darf eine Gemeinde überhaupt so weit gehen und über die Bewegungsfreiheit der Kinder bestimmen?
Ein wichtiges Grundrecht
Eine Ausgangssperre tangiert die Versammlungsfreiheit – ein wichtiges Grundrecht, das in der Bundesverfassung verankert ist. Es darf nur unter bestimmten Voraussetzungen eingeschränkt werden; wenn ein öffentliches Interesse dafür besteht (wie etwa der Jugendschutz) und der Eingriff verhältnismässig ist. Das heisst, dass es keine milderen Massnahmen gibt.
In einem vergleichbaren Fall pfiff das Verwaltungsgericht die Zürcher Gemeinde Dänikon zurück. Sie hatte 2008 ein nächtliches Ausgangsverbot für schulpflichtige Jugendliche beschlossen und das damit begründet, dass man Vandalenakte verhindern und die Nachtruhe schützen wolle.
Unbescholtene werden bestraft, sagt das Gericht
Das Zürcher Verwaltungsgericht hatte dafür kein Gehör. Vandalenakte könnten auch vor 22 Uhr verübt und die Nachtruhe nicht nur von Jugendlichen gestört werden. Zudem würde das Ausgangsverbot auch unbescholtene Jugendliche bestrafen. Das Gericht hiess eine Beschwerde gegen das Ausgangsverbot gut.
Andere Gemeinden waren vom Urteil offensichtlich nicht abgeschreckt. Auch der Aargauer Bezirk Zurzach oder die Gemeinde Kehrsatz BE wollten danach ihre Jugendlichen nachts nicht mehr auf die Strassen lassen. Cédric Wermuth, heutiger Co-Präsident der SP, fragte darum 2013 den Bundesrat an, was er zu den nächtlichen Ausgangssperren meine.
Der Bundesrat zeigte zwar Verständnis, wenn Gemeinden zu Verboten greifen. Er machte aber klar, dass nur die Kantone über solche Regelungen entscheiden können – und er sich darum nicht zur Rechtmässigkeit von kantonalen und kommunalen Regeln äussern könne. Das müssten die Gerichte beurteilen.
Ob die Polizeiverordnung von Studen BE rechtens ist, wird also letztlich ein Gericht entscheiden müssen. Sofern denn jemand klagt.
3 Kommentare
Weiterhin ist liebevolle, ganzheitliche, verantwortungsbewusste, vielfältige, konsequente....ERZIEHUNG der Kinder = ELTERN-Aufgabe/Verantwortung!
So müsste doch eigentlich allen ELTERN klar sein, dass Minderjährige nach 22:00 Uhr nichts mehr draussen zu tun haben!
Ausser im eigenen Garten ums Haus oder aber, wenn die Eltern dabei sind woanders!
Es ist eine schwierige Frage oder: wir tun uns schwer damit. So viel ich weiss ist es in Österreich und sogar in Spanien so geregelt, dass Kinder, bzw. Jugendliche unter 16 Jahren ab 22 Uhr nicht mehr alleine unterwegs sein dürfen. Im Artikel geht es auch um Vandalismus, d.h. Sachbeschädigung von Dritten. Warum nicht eine klare Grenze ziehen? Es ist die Rede von 14 Jährige abwärts. Manchmal muss es einfach sein.
Das wäre doch eine gute Sache, um noch schulpflichtige Kinder abends zum (verbilligten) Theater-, Opern- und Konzertbesuch zu animieren. Auch wenn das nicht speziell für Kinder ist, aber um vieles eindrücklicher und prägender als mal ein obligater Besuch als Klasse mit Lehrpersonal. Und zivilisierter als bis weit nach Mitternacht herumgrölende Teenies (Wodka-Orangensaft intus), denen die Erziehungsberechtigten das erlauben oder nicht verbieten können. Ob das so gewollt ist, damit unter dem Deckmäntelchen der „Freiheit“ Klassenunterschiede bleiben?