Wie funktioniert der Drogenhandel in der Schweiz? Ein kürzlich publiziertes Urteil des Kriminalgerichts Luzern gibt einen Einblick, wie Drogenkartelle junge Leute für ihre Zwecke einspannen – und zum Sündenbock machen, wenn etwas schiefgeht. 

Arlian Morina wächst in Pogradec, Albanien, in ärmlichen Verhältnissen auf. Schon als Kind muss er arbeiten, um seine Familie zu unterstützen. Mit seinen Eltern und zwei älteren Brüdern zieht er in die Hauptstadt Tirana – in der Hoffnung auf ein besseres Leben.

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Zwar schliesst er das Gymnasium ab, einen Beruf aber lernt er nicht. Stattdessen arbeitet er in prekären Verhältnissen in der Hotellerie und verdient gerade einmal 200 Euro im Monat. Zu wenig, um davon leben zu können.

Albanische Jugend in Not

Damit ist er nicht allein. Die Jugendarbeitslosigkeit in Albanien liegt bei 26 Prozent. Nicht ohne Grund hat die Schweiz über Jahre den Aufbau eines besseren Berufsbildungssystems finanziell unterstützt. Mit mässigem Erfolg. «Nichts wie weg! Albanien verliert die Jungen», titelte SRF Anfang dieses Jahres einen Audiobeitrag. In den letzten drei Jahrzehnten hätten mehr als eine Million Albanerinnen und Albaner ihr Land verlassen. Die Gründe: Korruption, Kriminalität, kaum berufliche Perspektiven.

Arlian, der eigentlich anders heisst, ist 20 und hat 5000 Franken Schulden, als ihm die Mafia einen Ausweg bietet. Er wird angeworben, um als Dealer in die Schweiz zu kommen. Arlian, jung, unauffällig und ohne Vorstrafen, ist der ideale Kandidat für den Job.

Der Deal: Arlian kommt für einen Monat in die Schweiz und verkauft hier Drogen.

Der Deal: Arlian kommt für einen Monat in die Schweiz und verkauft hier Drogen für «Monika», mit der er per SMS in Kontakt steht. Dafür soll er ein Entgelt bekommen. Wie viel ihm versprochen wird, erfährt nie jemand. Auch die Schweizer Strafverfolgungsbehörden nicht.

Arlian sieht eine Chance, seine Schulden loszuwerden. Er reist am 4. Januar 2024 mit einem Car von Belgien in die Schweiz. In der Tasche hat er nicht mehr als 200 Euro, sein letztes Geld. «Monika» hat ihm über Airbnb ein Zimmer in der Nähe der Touristenstadt Luzern angemietet. Zwei Tage später taucht ein unbekannter, etwa 55-jähriger Mann in einem grauen Auto auf und bringt eine grössere Menge Kokain und Heroin, die Arlian verticken soll.

Drogendeal mit einem verdeckten Polizisten 

Die Karriere als Drogendealer ist kurz. Drei Tage nachdem er den Stoff bekommen hat, gerät Arlian an den Falschen: Er verkauft Kokain im Wert von 600 Franken an einen verdeckten Ermittler der Kantonspolizei Aargau. Und er wird auch nicht stutzig, als der vermeintliche Kunde nur Stunden danach nochmals fünf Gramm Kokain bestellt. Arlian geht nochmals hin – und wird verhaftet. 

In seiner Bleibe findet die Polizei 200 Gramm Heroin und 130 Gramm Kokain. Arlian gibt alles zu. Noch bevor er vom Kriminalgericht Luzern zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten bedingt verurteilt wird, wird er ausgeschafft. Acht Jahre lang darf er die Schweiz nicht mehr betreten. Obligatorischer Landesverweis. 

Die Mafia lockt verzweifelte Jugendliche ins Drogenmilieu

Die Luzerner Polizei bestätigt, dass es sich um ein bekanntes Muster handelt. «Immer wieder werden Personen festgenommen, die in Albanien rekrutiert wurden, um in der Schweiz als sogenannte Läufer für den organisierten Drogenhandel zu arbeiten», schreibt Mediensprecher Yanik Probst auf Anfrage.

Kriminelle Organisationen wie diejenige, die sich hinter dem Pseudonym «Monika» verbirgt, heuern junge Leute an, um die Drecksarbeit auf der Strasse zu machen – während die Hintermänner kein Risiko eingehen. Und wenn einer erwischt wird, bestellt «Monika» sich den Nächsten.

Quellen
  • Länderporträt der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit 
  • Projektbeschrieb «Besseres Berufsbildungssystem in Albanien» der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza)
  • SRF-Sendung «International»: «Nichts wie weg! Albanien verliert die Jungen»
  • Urteile 2P6 24 150 und 1P6 24 88 des Kriminalgerichts Luzern vom 4. November 2024