Studierende, die am Freitag, 17. Mai 2024, ihre Vorlesungen im Uni-Hauptgebäude an der Zürcher Rämistrasse besuchen wollten, mussten sich einiges gefallen lassen. Die Stadtpolizei führte ab dem Mittag «präventiv» Zugangskontrollen durch – denn für den Nachmittag hatte die Gruppe «Students for Palestine ZH» in sozialen Medien zu Protestaktionen aufgerufen. 

Wie Studierende dem Beobachter berichten, war die Polizei mit rund zehn Fahrzeugen und einem Wasserwerfer vor Ort. Eingänge der Universität wurden teils mit Polizeisperrband abgeriegelt, an den übrigen gab es Kontrollen. Wer ins Gebäude wollte, musste einen Studierendenausweis vorlegen und Taschen durchsuchen lassen. All das, bevor die Proteste überhaupt begonnen hatten.

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Abgewiesen wegen verdächtiger Kleidung

Speziell im Fokus standen Personen, die eine Kefije trugen oder dabeihatten – das karierte arabische Tuch, das an vielen propalästinensischen Protesten zu sehen ist. Sie mussten es abgeben oder wurden nicht eingelassen.

Der Beobachter weiss von zwei Personen, die an der Uni Zürich studieren und nicht ins Gebäude durften. Die eine Person, obwohl sie erklärte, sie habe einen palästinensischen Hintergrund und trage das Tuch seit längerem täglich. Um 17 Uhr wurde das Gebäude mitsamt Bibliotheken und Lernplätzen geschlossen – normalerweise sind die Gebäude bis 22 Uhr geöffnet. Für viele Studierende kam das mitten in der Lernphase für die Prüfungen ungelegen. 

Uni will nichts damit zu tun haben 

Die Uni Zürich informierte die Studierenden in keiner Weise. Sie äusserte sich am Freitagabend in einer Mitteilung zum Polizeieinsatz und schrieb, die Eingangskontrollen habe die Polizei «aufgrund ihrer eigenen Lagebeurteilung» gemacht, «ohne die Universitätsleitung einzubeziehen». 

Die Stadtpolizei soll demnach – ohne dass die Uni um Hilfe gebeten hätte – Eingänge gesperrt, Ausweise kontrolliert und gar Studierende abgewiesen haben? Die Polizei bestreitet das nicht direkt, bestätigt es aber auch nicht: «Wir haben im Rahmen unseres Grundauftrags gehandelt, […] um Besetzungen zu verhindern.» Ob es im Vorfeld des besagten Freitags tatsächlich gar keinen Kontakt zwischen Unileitung und Polizei gab, bleibt unklar. Die Uni Zürich beantwortete eine entsprechende Rückfrage des Beobachters bis Redaktionsschluss nicht.

Für viele Studierende stellt sich die Frage, ob ein präventiver Polizeieinsatz, insbesondere die Wegweisung wegen verdächtiger Kleidung, rechtens ist. Noch am Freitagnachmittag erklärte der Studierendenverband der Uni Zürich in einer Stellungnahme, man halte den Einsatz für unverhältnismässig und grundrechtswidrig

«Das geht sicher nicht»

Rückendeckung erhält der Verband von Staats- und Verwaltungsrechtsprofessor Markus Schefer von der Universität Basel: «Wenn das tatsächlich zutrifft und die Polizei ohne einen Auftrag der Universität gehandelt hat, ist das rechtlich nicht haltbar», sagt er gegenüber dem Beobachter. Damit die Polizei von sich aus einschreiten kann, bräuchte sie laut Schefer einen begründeten Verdacht, dass es zu «Straftaten einer gewissen Schwere oder Gewalt» komme. 

«Von den Kleidern geht keine Gefahr aus, sie sind eine Meinungsäusserung.»

Markus Schefer, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Uni Basel

Einen solchen Verdacht kann die Stadtpolizei gegenüber dem Beobachter aber trotz expliziter Nachfrage nicht nennen. Als Grund für den Einsatz nennt sie lediglich die Aufrufe zur Besetzung der Uni. Für Markus Schefer ist klar, dass das nicht reicht: «Wenn es nur um die Frage geht, ob eine Besetzung der Räumlichkeiten möglicherweise den universitären Betrieb stört, liegt das in der Zuständigkeit der Universitätsleitung, nicht der Polizei.»

Auch das Vorgehen, mögliche Besetzerinnen und Besetzer wegen eines Kleidungsstücks «überführen» zu wollen und sie deshalb wegzuweisen, sei kaum haltbar: «Das geht sicher nicht. Von den Kleidern geht ja keine Gefahr aus, sondern sie sind eine Meinungsäusserung», sagt Schefer.

Ein politisches Nachspiel

Der Fall hat ein politisches Nachspiel. In der letzten Sitzung des Zürcher Gemeinderats haben Vertreterinnen und Vertreter der SP, der Alternativen Liste und der Grünen eine dringliche Anfrage eingereicht. Sie verlangt eine Klärung der rechtlichen Grundlagen für den Einsatz und mehr Informationen über die Rolle der Unileitung.