Wenn die Polizei pfuscht: Was tun?
In Schaffhausen soll die Polizei nicht sauber gearbeitet haben. Was können Betroffene in einer solchen Situation unternehmen?
Veröffentlicht am 31. Mai 2024 - 11:26 Uhr
Es sind schreckliche, verstörende Bilder: Eine Frau wird in einer Wohnung brutal verprügelt. Das zeigen die Aufnahmen einer Überwachungskamera von Ende 2021, die die SRF-Sendung «Rundschau» am 22. Mai ausstrahlte.
Die Polizei rückte zwar gleich am nächsten Morgen aus. Doch sie hat nie alle Aufnahmen sichergestellt. Ein Verfahrensfehler, kritisieren etwa der bekannte Strafverteidiger Konrad Jeker oder der ehemalige Kantonsgerichtspräsident Werner Oechslin.
Das Verfahren zum Prügelangriff läuft noch – so lange gilt die Unschuldsvermutung. Die Schaffhauser Behörden weisen die Vorwürfe zurück, sie hätten Verfahrensfehler begangen.
Wie geht eine Strafuntersuchung eigentlich vor sich, und wie sollen sich Opfer am besten verhalten? Was kann man generell tun, wenn man nicht damit einverstanden ist, wie Behörden vorgehen?
Wie läuft das Strafverfahren ab?
Die Polizei muss ermitteln, wenn ihr Straftaten angezeigt werden oder sie selbst solche mitbekommt. Sie befragt verdächtige Personen sowie Zeugen und stellt möglichst viele weitere Beweise sicher. Sie muss in diesem sogenannten Vorverfahren klären, ob eine strafbare Handlung begangen worden sein könnte.
Das Ergebnis rapportiert sie an die Staatsanwaltschaft. Die eröffnet ein Strafverfahren, wenn sie einen hinreichenden Anfangsverdacht sieht. Sie kann weitere Untersuchungen durchführen oder von der Polizei durchführen lassen. Danach schliesst sie das Vorverfahren ab und stellt die Strafuntersuchung entweder ein, erlässt einen Strafbefehl oder erhebt Anklage. Das Ganze landet vor dem Gericht, wenn die beschuldigte Person Einsprache gegen den Strafbefehl erhebt oder wenn Anklage erhoben wird.
An welche Grundsätze müssen sich die Strafbehörden halten?
Für Polizei und Staatsanwaltschaft gilt: Wenn unklar ist, ob die Straftat tatsächlich stattgefunden hat, muss sie die Sache untersuchen und weiterleiten. Die Polizei an die Staatsanwaltschaft und die Staatsanwaltschaft ans Gericht. Oder indem sie einen Strafbefehl erlässt.
Das Credo lautet also «Im Zweifel für das Verfahren». Das Gegenteil gilt für das Gericht: Es entscheidet nach dem Grundsatz «Im Zweifel für den Angeklagten». Falls also nicht genügend Beweise vorhanden sind, muss es freisprechen.
Wo finden Opfer von Straftaten Hilfe?
Wer Gewalt erlebt hat und darunter leidet, sollte professionelle Hilfe in Anspruch nehmen – möglichst schnell nach dem Vorfall. Kosten muss man dabei nicht befürchten. In jedem Kanton gibt es mindestens eine Beratungsstelle. Das schreibt das Opferhilfegesetz vor.
Die Beratungsstelle gibt Opfern unentgeltlich medizinische, psychologische, soziale, finanzielle und rechtliche Hilfe. Die Fachleute haben viel Erfahrung und wissen, was in welcher Situation als Nächstes zu tun ist.
Wenn nötig, vermitteln die Beraterinnen und Berater weitere Fachpersonen wie Ärzte oder Anwältinnen. Die Kosten übernimmt die Beratungsstelle, falls die betroffene Person sie sich nicht leisten kann.
Brauche ich einen Anwalt, wenn ich Opfer einer Straftat wurde?
Bei gravierenden Gewalttaten ist es ratsam, dass sich das Opfer einen Anwalt oder eine Anwältin nimmt. Denn die meisten Menschen sind in einer solchen Situation nicht mehr fähig, die Lage objektiv einzuschätzen. Es entlastet, wenn sich ein Profi darum kümmert und auch mit den Behörden ringt.
Wie kann ich gegen die Polizei oder die Staatsanwaltschaft vorgehen?
Wer mit dem Vorgehen der Polizei und generell von Behörden nicht einverstanden ist, kann sich an eine Ombudsstelle wenden, falls es in der betreffenden Stadt oder dem Kanton eine gibt. Leider ist das nicht überall der Fall. Ein Verzeichnis der Ombudsstellen gibt es hier.
Die Beschwerdestelle kann den Behörden Empfehlungen abgeben. Meist nimmt sie zuerst das Gespräch mit der betroffenen Person auf. Dann kann sie Einsicht nehmen in Akten und von den Beamten eine Stellungnahme verlangen.
Wenn es ein formelles Rechtsmittel wie eine Einsprache oder eine Beschwerde gibt, sollte man zuerst dieses einreichen. Zum Beispiel, wenn die Staatsanwaltschaft eine sogenannte Nichtanhandnahmeverfügung erlässt, also kein Verfahren eröffnet, weil es nicht genug Beweise gibt: Dagegen kann man eine Beschwerde einreichen. Das Gleiche gilt, wenn die Staatsanwaltschaft zwar das Verfahren eröffnet, dann aber sistiert oder einstellt, also abbricht. Achtung, Frist nicht verpassen!
Was kann ich tun, wenn Behörden nicht vorwärtsmachen?
Falls es weder ein Rechtsmittel noch eine Ombudsstelle gibt, kann man trotzdem etwas machen: eine Aufsichtsbeschwerde einreichen. Denn jede staatliche Behörde hat eine Aufsichtsbehörde, die Verfügungen und alle anderen Handlungen der ihr unterstellten Behörden überwacht. Sie muss den Brief entgegennehmen und lesen. Darauf reagieren muss sie aber nicht. Am besten reicht man die Aufsichtsbeschwerde per Einschreiben ein und bringt darin auf den Punkt, mit welcher Handlung man nicht einverstanden ist und aus welchen Gründen.
Eine gute Möglichkeit, sich Hilfe zu holen, ist auch das Beobachter-Beratungszentrum. Hier können sich Beobachter-Mitglieder zu allen diesen Fragen beraten lassen.