Der neuste sogenannte Registerhai ist ein Jungunternehmer: Als dieser vor eineinhalb Jahren seine Einzelfirma E-Commerce Gutzwiller gründete, war er noch nicht einmal volljährig. Im Handelsregister musste seine Mutter mit ihrer Unterschrift bestätigen, dass sie mit den unternehmerischen Plänen ihres Sohns einverstanden ist. Seine Idee damals: über Tiktok Produkte zu verkaufen.

Inzwischen ist der Firmeninhaber volljährig und hat seine Geschäftstätigkeit neu ausgerichtet. Heute betätigt er sich auf einem Gebiet, das das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) unter dem Begriff «Adressbuchschwindler» zusammenfasst. Er verschickt Rechnungen für Einträge in sein «Schweizerisches Händler- und Firmenregister». Dieses Register hat aber keinen Zusammenhang mit dem amtlichen Handelsregister der Kantone. 

Partnerinhalte
 
 
 
 

Rechnungen für nie erteilte Aufträge

Sein Geschäftsmodell: Wenn irgendwo in der Schweiz eine Firma neu im Handelsregister eingetragen wird oder wenn es in einer bestehenden Gesellschaft zu Änderungen kommt, greift E-Commerce Gutzwiller diese öffentlich zugänglichen Informationen ab und verschickt ungefragt Rechnungen für einen Eintrag im privaten Register. Welchen Nutzen dieses Register bieten soll, ist unklar.

Für Firmeneinträge fordert der Jungunternehmer Fr. 194.55, bei Änderungen von Einträgen bestehender Firmen, also bei Mutationen, sind es Fr. 149.85 – inklusive «Bearbeitungskosten» und «Mehrkosten». 

Dreiste Datumsmasche

Besonders dreist dabei: In einem Fall, der dem Beobachter vorliegt, setzt er eine Zahlungsfrist, die bereits verstrichen ist. Er scheint darauf zu spekulieren, dass Firmen glauben, die Rechnung stamme vom Handelsregister und sei dringend zu begleichen. In Kleinschrift – und leicht überlesbar – heisst es lediglich: «Wünschen Sie keinen Eintrag in das Schweizerische Händler- und Firmenregister von E-Commerce Gutzwiller, welches unverbindlich und freiwillig ist, so bitten wir Sie, dieses Schreiben zu ignorieren.»

Solche Geschäftsmethoden sind seit Jahren ein Ärgernis, der Beobachter berichtet immer wieder darüber. Diese Pseudorechnungen für nie erteilte Aufträge verstossen gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Das Seco kann gegen Adressbuchschwindler Straf- oder Zivilklage einreichen. Aber nur wenn eine Vielzahl von Personen betroffen ist und diese die Fälle dem Seco melden. 

Eltern distanzieren sich vom Geschäft des Sohns

Aus Ermittlungsverfahren ist bekannt, dass sich mit solchen privaten Firmenregistern viel Geld verdienen lässt. In einem Fall im Kanton Thurgau bezifferte die Staatsanwaltschaft die Schadensumme auf 600’000 Franken, betroffen waren damals 1500 Geschädigte. In Ermittlungskreisen wird der mögliche jährliche Gewinn auf 400’000 bis 800’000 Franken geschätzt.  

Die Eltern des Jungunternehmers distanzieren sich gegenüber dem Beobachter inzwischen von der Geschäftstätigkeit ihres Sohns. Er selber liess eine Anfrage unbeantwortet.

So wehren Sie sich gegen Adressbuchschwindler
  • Ignorieren Sie fiktive Rechnungen von nichtamtlichen Firmenregistern.
  • Rechnungen für Einträge und Mutationen im Handelsregister werden ausschliesslich von den kantonalen Handelsregisterämtern verschickt. Deren Adressen finden Sie auf Zefix.ch.
  • Melden Sie fragwürdige Zahlungsaufforderungen mit dem Meldeformular dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco).
  • Betroffene Personen können gegen Adressbuchschwindler Strafanzeige wegen unlauteren Wettbewerbs einreichen oder ein Zivilverfahren anstreben.
  • Flyer des Seco zum Thema: «Vorsicht vor Adressbuchschwindlern!».
Quellen