Tierschützer kritisieren Schweizer Instagram-Star
Dean Schneider versucht sich in Südafrika als Tierschützer. In Videos kuschelt er mit Wildtieren. Damit fördert er indirekt eine Streichelfarm-Industrie – zum Schaden der Tiere.
Veröffentlicht am 31. Juli 2019 - 16:39 Uhr
Süss, wie Junglöwe Dexter den Kopf von Dean Schneider anstupst und dann wohlig gähnt. Herzig, wie Hyäne Chuckie sich über ihren neuen Badeteich freut und wild um den lachenden Schneider herumrennt. Der junge Schweizer veröffentlicht auf Instagram täglich solche und ähnliche Videos.
Vor zwei Jahren ist er nach Südafrika ausgewandert und hat in der Nähe von Johannesburg eine Auffangstation gegründet. Dort nimmt Schneider verletzte oder verwaiste Wildtiere auf. Sie alle stammen aus Beschlagnahmungen durch den staatlichen Tierschutz, sagt er – mit Ausnahme von Löwe Dexter und den beiden Kapuzineräffchen Jay-Jay und Momo. Den Löwen habe er freigekauft, er wäre sonst in einem Zoo in Dubai gelandet. Die Äffchen hätten ihm die überforderten Vorbesitzer anvertraut. Hin und wieder postet Schneider auch Erklärvideos mit wissenswerten Fakten über einzelne Tierarten.
Über eine Million Fans folgen dem 26-Jährigen auf Instagram
. Er sieht sich als eine Art Botschafter. Mit
seinen Videos wolle er möglichst viele Menschen für die Tierwelt begeistern und sie anregen, sich für den Tierschutz einzusetzen. Seine Mission: «Tiere in die Herzen der Menschen bringen, denn Menschen schützen nur, was sie lieben.» Um Herzen zu erobern, brauche es Inhalte, die ans Herz gehen. «Aufmerksamkeit ist das Fundament, von dem aus man später etwas erreichen kann», sagt er. Zum Beispiel Spender für Tierschutzorganisationen gewinnen.
«Dean Schneider befriedigt eigene Bedürfnisse, aber sicher nicht jene der Tiere.»
Samuel Furrer, Zoologe
Die sehen die Sache anders. Videos von Menschen, die mit Löwen herumtollen, lassen Tierschützern die Haare zu Berge stehen. Weltweit raten Tierschutzorganisationen
dringend ab von direktem Kontakt zu Wildtieren. «Ich kenne die Gegebenheiten bei Dean Schneider vor Ort nicht, möglicherweise sind die Haltebedingungen dort ordentlich. Doch es scheint, dass die Tiere stark vermenschlicht werden», sagt etwa Samuel Furrer, Zoologe und Leiter der Fachstelle Wildtiere beim Schweizer Tierschutz. Damit befriedige Schneider allenfalls eigene Bedürfnisse, aber sicher nicht jene der Tiere.
Die sogenannte Hands-on-Methode sei sehr problematisch, sagt Peter Höffken von der Tierschutzorganisation Peta. «Sie führt zu menschlicher Prägung und damit zu Verhaltensänderungen.» Schimpansen etwa entwickelten ein gestörtes Sozialverhalten und könnten nicht mehr richtig mit Artgenossen kommunizieren. «Sie müssen dann oftmals einzeln gehalten werden und leiden lebenslang darunter; denn für sie ist der Austausch mit ihresgleichen das Wichtigste überhaupt.» Auch Tiere, die nicht mehr ausgewildert werden können, sollte man möglichst in Ruhe lassen. «Auf keinen Fall darf die Fehlprägung verstärkt werden.»
Lucia Oeschger von Vier Pfoten begrüsst grundsätzlich jede Bemühung, auf Tierschutzprobleme aufmerksam zu machen und sichere Plätze in Auffangstationen anzubieten. «Der Bedarf ist gross.» Doch sei es äusserst problematisch, den innigen Körperkontakt derart zu bewerben. «Damit wird ein komplett falsches Bild vom Umgang und vom Verhalten dieser Tiere vermittelt.»
So werden in Südafrika Löwen für die sogenannte Gatterjagd gezielt gezüchtet. «Die Löwenbabys werden ihren Müttern entrissen, von Hand aufgezogen und auf Streichelfarmen als Touristenattraktion feilgeboten», sagt Oeschger. Sobald die Löwen heranwachsen und zu gefährlich werden, kommen sie auf Jagdfarmen in Einzelhaltung und landen später in einem eingezäunten Gelände – vor der Flinte eines Jagdtouristen.
In Südafrika leben rund 6000 bis 8000 Löwen in Gefangenschaft und weniger als 3000 in der Wildnis. Das Perfide: Die Zuchtbetriebe sprechen tierliebende Touristen an. Sie bezeichnen sich als Auffangstationen und geben vor, Artenschutz zu betreiben. Die Löwenjungen seien Waisen und würden später ausgewildert.
Doch von Hand aufgezogene Raubkatzen lassen sich nie mehr auswildern. «Jeder, der Bilder in die Welt setzt, auf denen er mit Löwen kuschelt, befeuert die Nachfrage nach solchen höchst problematischen Tourismusangeboten und kurbelt die grausame Löwenindustrie an», kritisiert Lucia Oeschger.
Der Wildtiertourismus floriert. Elefantenreiten in Thailand, Faultierbabys streicheln in Südamerika, Schwimmen mit Delfinen in Florida – Touristen versprechen sich von solchen Angeboten berührende Erlebnisse und Selfies, die ihnen in den sozialen Medien viele Likes einbringen. Für die Tiere hingegen bedeuten sie oft unsägliches Leid. Elefanten werden hinter den Kulissen mit Stachelketten und Schlagstöcken gefügig gemacht, Delfine in viel zu kleinen Becken gehalten, Faultiere aus Wäldern gewildert.
Instagram kennzeichnet Inhalte mit Hashtags, die auf Tierselfies verweisen, und warnt vor möglicher Tierquälerei. Doch bei #lioncubselfie etwa (deutsch: «Löwenbabyselfie») klappt dies nicht.
Gefragt ist auch der Voluntourismus . Das sind kostenpflichtige Freiwilligeneinsätze auf der ganzen Welt. Reisende können in Waisenhäusern Kinder hüten oder aktiv den Tier- und Naturschutz unterstützen. In Deutschland etwa leisten gemäss Schätzungen jährlich zwischen 23000 und 33000 Personen solche Einsätze. Die meisten von ihnen wählen kommerzielle Anbieter, weil diese auch Kurzzeitprojekte im Programm haben. Für die Schweiz gibt es keine Daten.
Der Voluntourismus setzt weltweit mehrere Milliarden Euro um. Wie gross der Anteil an Wildtierangeboten ist, weiss man nicht. Gewinnorientierte Anbieter führen aber immer wieder fragwürdige Projekte im Programm. Das merken die freiwilligen Helfer jedoch meist erst vor Ort. Klar ist: Seriöse Anbieter werben nicht mit Direktkontakten zu Wildtieren.
Freiwillige Helfer sind auch bei Dean Schneider in Südafrika willkommen. Für zwei Wochen bezahlen sie 2000 Franken und helfen bei täglichen Arbeiten mit. Einige posten auf Instagram Fotos und Videos, die sie beim Spielen mit dem Löwen Dexter und anderen Tieren zeigen. «Es wird nichts erlaubt, was gefährlich sein könnte», sagt Schneider. Er züchte keine Tiere und biete keine Touristenattraktionen an. «Das Grundstück ist privat.»
«In meinen Videos erkläre ich, dass Löwen nicht zum Streicheln da sind.»
Dean Schneider, Instagram-Star
Er sei sich aber bewusst, dass seine Aktivitäten in den sozialen Medien falsch interpretiert werden könnten. «In meinen Videos weise ich deshalb immer wieder darauf hin, dass Wildtiere keine Haustiere und Löwen nicht zum Streicheln da sind. Ich warne auch vor touristischen Angeboten, bei denen man Tiere streicheln und Fotos mit ihnen machen darf», erklärt Schneider. Das Risiko, missverstanden zu werden, nehme er in Kauf. Es gehe um eine gute Sache.
Seine Löwen – neben Dexter leben weitere zwei Männchen und ein Weibchen auf einem zwei Hektaren grossen Areal – zeigten keine Verhaltensstörungen, sagt der Schweizer. «Sie haben sich zu einem Rudel zusammengeschlossen und pflegen einen natürlichen, liebevollen Umgang miteinander.» Sie seien gerade dabei, auf begleiteten Spaziergängen über das 360 Hektaren grosse Farmgelände das Jagen zu lernen, und würden wöchentlich mit einem ganzen Beutetier gefüttert, das sie selber zerlegen. Für Schneider ist dies der Beweis, dass bei ihm alles gut läuft.