Wie Kleider das Wasser verschmutzen
Schweizer Waschmaschinen spülen jeden Tag kiloweise Kunststofffasern in Gewässer. Forscher streiten darüber, was dagegen helfen soll.
aktualisiert am 3. August 2017 - 17:08 Uhr
Das Wanderhemd von Mammut hat sie genauso wie das Sommerkleid von H&M und die Chino-Hose von Benetton: Polyesterfasern. Ob teure Qualitäts-Outdoorkleidung vom Fachhändler oder Billig-Shirts vom Discounter – immer mehr Textilien enthalten Kunststoffgarne. Das leichte, langlebige Material ist bei der Textilindustrie heiss begehrt. In Schweizer Kläranlagen und Flüssen wird es zum Problem.
«Alle Kleidungsstücke aus Polyester, Nylon oder Polyamid sondern beim Waschen Kunststofffasern ab», sagt Bernd Nowack von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa). In einer neuen Studie zeigt der Professor, wie aus Polyesterkleidern problematisches Mikroplastik entsteht.
Für die Studie wusch die Forschergruppe Polyestertextilien mit einem handelsüblichen Vollwaschmittel bei verschiedenen Temperaturen und unterschiedlicher Waschdauer. Die Resultate variierten kaum. Pro Kilogramm Gewebe spülte die Testwaschmaschine über 100'000 Fasern aus, die höchstens fünf Millimeter lang waren und daher als Mikroplastik gelten. Aus einem Kilogramm Wäsche entstanden so bis zu 0,1 Gramm Mikroplastik.
Das klingt nach wenig, aber es summiert sich. «Wir nehmen an, dass das Waschen von Kunstfaserkleidern erheblich zur Entstehung von Mikroplastik beiträgt», sagt Bernd Nowack. Entscheidend sei, wie gut das Abwasser gereinigt werde. Doch hier liegt das Problem. Die Kläranlagen entfernen nur rund 90 Prozent des Kleinstplastiks. Pro Liter bleiben 40 bis 60 Teilchen übrig. Allein im Kanton Zürich gelangen täglich 31 Milliarden Teilchen durch die Filter der Kläranlagen in Bäche und Seen. Das sind 219 Kilo Mikroplastik im Jahr, wie eine Studie des kantonalen Amts für Abfall, Wasser, Energie und Luft zeigt.
Doch Mikroplastik taucht nicht nur in Form von textilen Polyesterfasern auf. Es ist auch in vielen Duschgels, Peelings oder Zahnpasten enthalten. Die Kügelchen sollen die Reinigungskraft erhöhen. Kleinste Plastikpartikel entstehen zudem durch Pneuabrieb, in der Industrie oder wenn sich weggeworfenes Plastik zersetzt.
INFOGRAFIK
Kläranlagen entfernen nicht alle Formen gleich gut. «Fasern werden schlechter eliminiert als Kugeln und Partikel», sagt Wolfgang Bollack vom Zürcher Baudepartement. Die Kläranlagen des Kantons filtern die mikroskopisch kleinen Fasern nur zu 76 Prozent raus. Wie viel Prozent davon aus Kleidern stammten, wisse man jedoch nicht.
Bekannt ist aber, was danach passiert. Kleinlebewesen fressen das Mikroplastik, worauf es in die Nahrungskette gelangt. Die biologisch schwer abbaubaren Teilchen überdauern bis zu 60 Jahre.
Das Plastik aus Schweizer Waschküchen und Industriehallen landet schliesslich in den Meeren. Laut einer Studie der Uni Basel schwemmt allein der Rhein zehn Tonnen Mikroplastik pro Jahr in die Nordsee. Damit gehört er zu den weltweit am stärksten belasteten Flüssen. Die Forscher fanden unterhalb von Kläranlagen entlang des Rheins besonders hohe Mikroplastikkonzentrationen. In Genf spült die Rhone täglich zehn Kilo Kleinstplastik Richtung Mittelmeer. 14 Prozent der Teilchen sind Kunststofffasern, wie sie die Textilindustrie verwendet, zeigt eine Studie der ETH Lausanne.
Forscher untersuchten 400 in Nord- und Ostsee lebende Fische und fanden in über zwei Dritteln Mikroplastik, schreibt das deutsche Umweltbundesamt. In Grossbritannien plant die Regierung daher, Ende Jahr Plastik-Mikrokügelchen in Kosmetikprodukten zu verbieten.
Keine Priorität hat der Kampf gegen die Mikroplastikverschmutzung beim Bundesamt für Umwelt (Bafu), obwohl es in einer Studie ebenfalls erhebliche Mengen Mikroplastik in Schweizer Gewässern und Tieren nachwies. So fand man Mikroplastikteile in drei von 40 untersuchten Fischen sowie in acht von neun Kadavern von Graureihern, Enten und Schwänen.
Trotz diesen Befunden sei das Gefährdungspotenzial von Mikroplastik für die Tierwelt nicht klar, sagt Christian Leu, Leiter der Sektion Wasserqualität beim Bafu. Es brauche weitere Studien. Die Gewässerverschmutzung durch Mikroplastik widerspreche aber dem Verunreinigungsverbot. «Massnahmen sind nötig», sagt Leu. Diese müssten verhältnismässig sein. Eine Aufrüstung der Kläranlagen oder Waschmaschinen mit besseren Filtern sei derzeit kein Thema. Die Wirkung sei im Verhältnis zu den Kosten klein.
Dagegen betonen die Forscher der Empa in ihrer Studie, dass die Reduktion von Mikroplastikfasern aus Kleidern oben auf der Prioritätenliste stehen müsste, wenn man die fortwährende Plastikverschmutzung der Natur bekämpfen wolle. Ein besserer Waschmaschinenfilter sei ein guter Anfang, auch wenn er nicht alle Mikrofasern zurückhalten könne.
Auch die Fachleute des Zürcher Wasseramts fordern effizientere Faserrückhaltefilter für Waschmaschinen sowie Kosmetika, die ohne Plastikkügelchen hergestellt werden. Ein Verbot solcher Produkte hat das Bundesparlament erst diesen Juni abgelehnt. Mehrere Hersteller haben immerhin angekündigt, künftig auf Mikroplastik zu verzichten.
- Verwenden Sie keine Kosmetika, die Mikroplastik enthalten. Die Gratis-App «Codecheck» zeigt, hinter welchen Inhaltsangaben sich Mikroplastik versteckt. Einfach den Strichcode des Produkts scannen.
- Werfen Sie keine Feuchttüchlein und keinen Plastikabfall ins WC oder in die Natur.
- Vermeiden Sie kunststoffhaltige Kleidungsstücke und waschen Sie diese nur, wenn sie wirklich schmutzig sind.