«Ich habe Angst um meine Mutter»
Viele Menschen werden im Alter zerstreuter und haben grössere Mühe sich zu orientieren. Sind dies bereits Anzeichen für eine Alzheimer-Erkrankung?
Veröffentlicht am 12. Februar 2007 - 16:53 Uhr
Frage: Als ich mit meiner 70-jährigen Mutter eine Woche Urlaub machte, fiel mir ihre Zerstreutheit auf. Sie hatte grosse Mühe, sich im Ferienort zu orientieren. Sind das erste Anzeichen einer Alzheimererkrankung?
Es kann sich durchaus um normale Begleiterscheinungen des Alters handeln. Ihre Beunruhigung deutet allerdings darauf hin, dass Sie eine grössere Veränderung spüren. Das beste Mittel gegen diese Angst ist Wissen. Informieren Sie sich, welchen Verlauf die Erkrankung nehmen kann und wie man als Angehörige am besten damit umgeht.
20 Prozent der über 80-Jährigen erkranken an Alzheimer, der Prozess setzt aber oft schon früher ein. Ursache ist ein Abbau des Gehirns. Der Verlauf der Krankheit kann zwar beeinflusst, aber nicht aufgehalten werden.
Alzheimer beginnt harmlos und schleichend, indem das Kurzzeitgedächtnis nachlässt. Allmählich verlieren die Patienten aber ihr Orientierungsvermögen: Sie verlaufen sich, vergessen Herdplatten abzustellen, können die Hausarbeit nicht mehr bewältigen und vernachlässigen die Körperpflege. Schliesslich erkennen sie Verwandte nicht mehr und hören oder sehen Dinge, die nicht vorhanden sind.
80 Prozent der Betroffenen werden in der Familie gepflegt. Diese Aufgabe ist sehr belastend. Schwierig ist, dass der Zerfallsprozess nicht gleichmässig stattfindet. Mal wirken die Patienten völlig desorientiert und hilflos, mal sind sie wieder ganz die Alten; die Angehörigen wissen deshalb oft nicht, wie sie sich verhalten sollen. Es empfiehlt sich, mit den Kranken wie mit schwierigen Kindern umzugehen, sie aber zugleich als Erwachsene und Eltern zu respektieren.
Wer Alzheimerpatienten pflegt, muss die Verantwortung für ihre Lebensgestaltung liebevoll, aber konsequent übernehmen. Wichtig ist dabei, sich nicht zu überfordern. Die Betroffenen behalten sehr lange ein Gespür für die Atmosphäre. Überlastete, verzweifelte Betreuer können kein entspanntes, freundliches Klima mehr schaffen. Man sollte sich also nicht scheuen, frühzeitig Beratung in Anspruch zu nehmen, und auch die am Ende oft unvermeidliche Heimeinweisung nicht ausschliessen.
Laut der deutschen Psychotherapeutin Edda Klessmann kann «die Melodie der Alzheimergeschichte nur in Moll geschrieben werden». Gleichwohl gibt es auch Sonnenstrahlen. So wie bei meiner Mutter, die mit ihrem Mann über Jahrzehnte unzufrieden war und ihn im Alter nicht mehr erkannte. Eines Tages legte sie ihm spontan den Arm um die Schultern und sagte zufrieden: «Er ist ein Guter.» Sie hatte die belastenden Jahre ganz einfach vergessen.
Beratungsstelle
Schweizerische Alzheimervereinigung: www.alz.ch