«Zürich könnte zum Vorzeigebeispiel für eine inklusive Stadt werden»
Islam Alijaj ist seit Jahren politisch aktiv. Er engagiert sich für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen. Nun wurde der letztjährige Prix-Courage-Kandidat in den Gemeinderat der Stadt Zürich gewählt.
Veröffentlicht am 16. Februar 2022 - 15:44 Uhr
Beobachter: Herr Alijaj, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl in den Gemeinderat der Stadt Zürich. Was bedeutet Ihnen persönlich diese Wahl?
Islam Alijaj: Für mich hat sie eine grosse Bedeutung. Ich hatte vom neunten SP-Listenplatz aus eine sehr schlechte Ausgangslage. Dass ich trotzdem gewählt wurde, zeigt mir, wie wichtig den Zürcherinnen und Zürchern das Thema Inklusion ist.
Wie wollen Sie das Thema konkret anpacken?
In einem ersten Schritt möchte ich das Stimm- und Wahlrecht für alle
vorantreiben. Dazu zählen Menschen mit Migrationshintergrund und 16-Jährige, aber auch Menschen unter umfassender Beistandschaft. Sie gingen nämlich bisher vergessen. Ein weiteres Thema, das mir am Herzen liegt, ist die Klimapolitik. Denn wenn das Klima verrückt spielt, trifft es Menschen am Rand der Gesellschaft als Erstes. Um sie zu schützen, müssen wir zusammenarbeiten und schnell umfassende Massnahmen ergreifen.
Was ist Ihnen sonst noch wichtig?
Die SP engagiert sich in Zürich bereits für bezahlbaren Wohnraum. Daran will ich anknüpfen und vor allem neue, inklusive Wohnkonzepte fördern. Ein Beispiel dafür ist der Kulturpark Zürich West. Hier können Menschen mit Behinderungen schon heute selbstständig leben und bekommen im Kompetenzzentrum des Vereins «Leben wie du und ich» vor Ort alle Leistungen, die sie dafür brauchen. Solche Angebote gibt es heute noch zu wenig. Langfristig könnte Zürich so zum Vorzeigebeispiel für eine inklusive Stadt werden, und zwar in allen Bereichen, von Wohnen über Bildung und Arbeit bis hin zur Politik.
Wie glauben Sie, stehen Ihre Chancen, solche Vorstösse im Gemeinderat umzusetzen?
Das wird sich zeigen. Bisher ist es mir immer gut gelungen, Menschen für meine Ideen zu begeistern.
Wo sehen Sie persönlich Ihre grössten Herausforderungen?
Zurzeit besteht die Herausforderung darin, genügend Assistenzstunden zu bekommen. Die IV bezahlt mir zwar Assistenzbeiträge
, die reichen aber knapp für private Belange und keinesfalls, um meine politische Karriere zu bewältigen. Dafür muss die IV jetzt eine Lösung finden. Denn das Volk hat mich in den Gemeinderat gewählt, und ich benötige die Mittel dazu, um dieser Aufgabe nachzukommen.
Um Assistenzbeiträge geht es auch bei der nationalen Initiative, die Sie mit Ihrem Verein Tatkraft 2023 vors Schweizer Stimmvolk bringen wollen.
Unter anderem, ja. Die Beiträge sind ein zentraler Bestandteil, wenn es darum geht, Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Die Initiative soll aber über finanzielle Aspekte hinausgehen. Sie fordert Gleichstellung und Inklusion in allen Lebensbereichen.
1 Kommentar
Ist es die Aufgabe der IV (oder sonst irgendeiner öffentlichen Hand) eine politische Karriere zu finanzieren?