Illegales Geschäften auf Kosten der Steuerzahler?
Im Parlament wird darüber gestritten, wann Firmen Auslandbussen von den Steuern abziehen dürfen. Wirtschaftsethiker Florian Wettstein findet den Ansatz falsch.
Veröffentlicht am 7. März 2019 - 16:30 Uhr,
aktualisiert am 7. März 2019 - 11:11 Uhr
Sollen Schweizer Steuerzahler dafür geradestehen, wenn Unternehmen sich im Ausland Geldstrafen aufhalsen? Darüber führen National- und Ständerat schon seit Jahren kontroverse Debatten. Auslöser waren damals die hohen Bussen der USA gegen Schweizer Banken.
Mit seinem Gesetzesvorschlag wollte Bundesrat Ueli Maurer es daraufhin explizit regeln, dass Bussen und Bestechungsgelder nicht steuerlich abzugsfähig sind. Der Nationalrat drehte den Spiess letzten Herbst jedoch um und begann Ausnahmeregelungen ins Gesetz zu schreiben. Also Situationen festzulegen, in denen es wiederum explizit erlaubt wäre, sich im Ausland strafbar zu machen und trotzdem hier von Steuergeschenken zu profitieren.
Nun hätte der Ständerat wieder darüber befinden sollen. Die zuständige Kommission hatte auch eine Kompromisslösung vorbereitet. Doch die kleine Kammer ist über die kürzlich verhängte spektakuläre Milliardenbusse der UBS in Frankreich gestolpert. Und über die Frage, ob die UBS diese 4,5 Milliarden Euro mit dem neuen Gesetz ihrem Geschäftsaufwand steuerlich anrechnen könnte. Der Rat hat die Vorlage deshalb nochmals zurück an die Kommission überwiesen.
Es ist bezeichnend, dass die Politiker vorerst daran gescheitert sind, ein mehrheitsfähiges Gesetz auszuarbeiten. Die Sachlage ist in den Details durchaus knifflig. Und der UBS-Fall zeigt auf, dass die Ständeräte selber gar nicht wissen, ob diese Busse mit ihrer neuen Regelung abzugsfähig wäre oder nicht.
Die vorangegangenen Debatten waren über der Frage entbrannt, wen es zu schützen gelte: Unternehmen gegen staatliche Willkür im Ausland oder aber die hiesigen Steuerzahler vor illegal wirtschaftenden Unternehmen.
So betonte FDP-Ständerat Ruedi Noser beispielsweise: «Es geht nicht immer um kriminelle Angelegenheiten». Wenn etwa vom Staatssekretariat für Wirtschaft bewilligte Exporte nach Syrien gegen Sanktionen der USA verstossen würden, könne das Bussen zur Folge haben. Und SVP-Ständerat Peter Föhn ergänzte: «Wir machen Geschäfte mit Staaten, die nicht eine Rechtsordnung kennen wie die schweizerische, die unter Umständen sogar korrupt sind.» Deshalb müsse man den Unternehmen gegen politisch motivierte Sanktionen den Rücken stärken, meinte auch SVP-Nationalrat Thomas Matter.
SP-Ständerätin Anita Fetz konterte hingegen, niemand sei gezwungen, in korrupten Staaten wirtschaftlich tätig zu sein. Bussen in solchen Ländern würden zum Unternehmensrisiko gehören. Im Nationalrat bezeichnete Susanne Leutenegger Oberholzer (SP) die von der bürgerlichen Mehrheit vorgeschlagene Änderung am Gesetzesvorschlag gar als «pervers» und rechtlich und moralisch nicht haltbar.
Ist es gerecht, wenn Firmen ausländische Bussen von den Steuern abziehen können, aber normale Bürgerinnen und Bürger nicht? Florian Wettstein, Professor für Wirtschaftsethik an der Universität St. Gallen, hält nicht viel von den Ausnahmeregelungen, die das Parlament plant. Das sagt er im Interview.
Beobachter: Was halten Sie aus wirtschaftsethischer Sicht von den Diskussionen in Bern?
Wettstein: Grundsätzlich ist das für mich ein Rückschritt in längst vergangen geglaubte Zeiten, als man auch im Ausland getätigte Bestechungszahlungen an Beamte in der Schweiz von den Steuern abziehen konnte. Auch herrschte damals die Ansicht vor, es sei ein Angriff auf die Schweiz als solche zu werten, wenn zum Beispiel Banken im Ausland unter die Räder kamen. Die Rückkehr zu diesen Argumenten kommt mir sehr seltsam vor.
Müssen wir unseren Unternehmern im Ausland nicht den Rücken stärken?
Die Annahme, dass Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für Gesetzesverstösse von Grossbanken und anderen Unternehmen geradestehen müssen, finde ich absurd. Zudem stört mich die Scheinheiligkeit der Argumentation.
Wie meinen Sie das?
Die Argumentation der Kreise, die den Firmen für Straftaten Steuergeschenke machen will, ist willkürlich. Normalerweise pochen genau diejenigen darauf, dass es den anderen Ländern selbst obliegt, etwa tiefere Umweltstandards festzulegen. Und dass es deshalb nicht angeht, wenn die Schweiz höhere Standards einfordert. Bestimmungen, wie die der Konzernverantwortungsinitiative (Anm. d. Redaktion: Florian Wettstein ist im Initiativkomitee), die auch im Ausland Wirkung entfalten würden, deutet man als Rechtsimperialismus. Zum Beispiel hat Nigeria seine eigenen Normen bezüglich Umweltverschmutzung und da solle sich die Schweiz gefälligst nicht einmischen. Aber wenn es dann um Strafen gegen eigene Firmen geht, die gegen ebendiese lokalen Regeln im Ausland verstossen, ...
Dann sieht die Situation anders aus?
Ja genau. Solche Schweizer Bestimmungen entfalten ebenfalls Wirkung im Ausland. Sie setzen einen Anreiz zur Nichteinhaltung lokaler Gesetze. Unternehmen können bewusst Bussen riskieren, wenn es sich für sie geschäftlich lohnt, die Regeln zu verletzen. Die Geldstrafe kann dann in der Schweiz von den Steuern abgezogen und der Gewinn eingestrichen werden. Damit hebelt man hier in der Schweiz die lokalen Gesetze in anderen Ländern aus. Das Argument des Rechtsimperialismus wird aber nur dann eingesetzt, wenn es den Unternehmen nützt.
Sie würden also keine Ausnahmen machen bei der Abzugsfähigkeit von Bussen.
Man setzt damit falsche Anreize. Schweizer Unternehmen sollen durchaus dabei unterstützt werden, wenn sie in schwierigen Ländern etwas aufbauen wollen. Entsprechende Anreize sollten sie aber dabei unterstützen, mit legitimen und nachhaltigen Mitteln die Gesellschaft und die Institutionen in diesen Ländern zu stärken. Von Unternehmen wird heute allgemein mehr erwartet, als dass sie nur auf ihren Profit schauen. Sie sollen sich konstruktiv am Aufbau und der Entwicklung der Gesellschaft beteiligen. Bei der Haltung einzelner Politiker scheint in dieser Debatte ein sehr antiquiertes Verständnis von Unternehmertum durch: Sie sollen Profite maximieren, koste es, was es wolle.
2 Kommentare
Die Schweiz, sollte betreffend Skandalen, sich um die eigenen Sünder kümmern = skrupellose Profitgier um jeden Preis weltweit (Banken, Wirtschaft, Industrien...)!