Keine Wegweisungen mehr wegen Armut – höchste Zeit
Falls Ausländerinnen und Ausländer in finanzielle Nöte geraten, müssen sie mit einem Landesverweis rechnen, selbst wenn sie hier geboren wurden. Jetzt korrigiert das Parlament diesen Missstand endlich. Ein Kommentar von Beobachter-Redaktorin Tina Berg.
Veröffentlicht am 13. Juni 2023 - 17:43 Uhr
Der Ständerat hat am Montag der parlamentarischen Initiative «Armut ist kein Verbrechen» zugestimmt. Nach zehn Jahren anstandslosem Aufenthalt sollen Ausländer nicht mehr weggewiesen werden können, nur weil sie Soziahilfe beziehen. Das ist ein wichtiger Entscheid. Damit gibt die kleine Kammer allen Menschen mit C-Ausweis ein fundamentales Stück Sicherheit zurück.
Früher besser geschützt
Etwa ein Viertel aller Erwerbstätigen in der Schweiz hat keinen Schweizer Pass, zahlt aber munter Sozialabgaben ein. Das soziale Netz, das sie damit finanzieren, ist heute aber vor allem eine Absicherung für Schweizerinnen und Schweizer. Denn seit der Revision des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) 2019 gelten neue Regeln für Ausländer: Wer einen C-Ausweis hat und Sozialhilfe bezieht, kann die Niederlassungsbewilligung verlieren. Auch wenn man hier geboren wurde, seit der Kindheit in der Schweiz lebt oder schon Jahrzehnte hier gearbeitet hat.
Früher waren Menschen mit C-Ausweis besser geschützt. Zumindest wenn sie länger als 15 Jahre «ununterbrochen und ordnungsgemäss» in der Schweiz gelebt hatten. Sie mussten gravierende Straftaten begehen, um weggewiesen zu werden. Sozialhilfe beziehen allein war nicht Grund genug.
2019 zog ihnen das Parlament diese soziale Absicherung unter den Füssen weg. Man wollte diejenigen Ausländer bestrafen können, die sich partout nicht integrieren wollen, schoss mit der Aufhebung der 15-jährigen Schutzzeit aber weit übers Ziel hinaus. Migrationsämter konnten jetzt einen C-Ausweis auf einen B-Ausweis zurückstufen, wenn gewisse Integrationskriterien nicht erfüllt waren, etwa die wirtschaftliche Selbständigkeit. Die Regeln sind seither aber widersprüchlich, weil die Niederlassungsbewilligung, also der C-Ausweis, eigentlich als unbeschränkt gilt.
Verzicht auf Sozialhilfe aus Angst
Das verunsichert viele Ausländerinnen und Ausländer, zumal die Gefahr real ist: Bei Armut droht tatsächlich Wegweisung. Seit 2019 wurden schweizweit schon mehrere Hundert Personen von C auf B zurückgestuft. Wer den C-Ausweis verliert, droht auch kurz darauf den B-Ausweis zu verlieren, wenn man sich nicht innert kürzester Zeit aus den finanziellen Nöten befreien kann. Denn die Aufenthaltsbewilligung (B-Ausweis) ist nur befristet gültig.
Darum leben einige lieber unter dem Existenzminimum, statt aufs Sozialamt zu gehen. Auch wenn sie Anspruch auf Unterstützung hätten . Ein sichtbarer Ausdruck dieser Entwicklung waren die langen Schlangen vor den Lebensmittelabgabestellen während der Pandemie.
Der Nichtbezug von Sozialhilfe bleibt für die meisten unsichtbar – nimmt aber zu, wie eine Studie der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) letztes Jahr zeigte.
Noch ist das Ergebnis offen
Das darf nicht sein. Wer in der Schweiz heimisch ist, aber unverschuldet den Job verliert, einen Unfall hat oder einfach viel Pech, sollte nicht gleich aus dem Land geschmissen werden. Das ist nicht verhältnismässig, wie auch das Bundesgericht in einem Grundsatzentscheid festgehalten hat.
Das Parlament tut gut daran, das soziale Netz für Ausländerinnen und Ausländer wieder etwas enger zu knüpfen. Noch können Menschen mit C-Ausweis nämlich nicht aufatmen – die konkrete Vorlage zur Änderung des Gesetzes muss erst ausgearbeitet und dann wiederum von beiden Räten abgesegnet werden.
5 Kommentare
Es muss jeder Fall selbstständig angeschaut werden. Zum Beispiel der Prediger der Moschee in Biel gehört aus der Schweiz geschmissen
Es gibt Ausländer mit C Bewilligung, die hier geboren sind, perfekt Deutsch sprechen, sich angemessen oder sogar hilfsbereit verhalten und welche die Schweiz und ihre Kultur lieben. Diese dürfen nicht einfach so ausgewiesen werden. Dann gibt es Ausländer mit B-Ausweis, welche sich nur schwer integrieren wollen, dafür ständig fordern. Ich kenne eine eingeheiratete Person, die mir seit 7 J. das Leben schwer macht, weil sie es meiner Meimung nach schwer an ihren Kindern auslässt, wenn sie nicht das bekommt, was sie will. Ohne sich um eim Deutschzertifikat (Niveau A2/A1) zu bemühen, verlangt sie von mir immer wieder, dass ich eine Referenz ans Migrationsamt schreibe, damit sie den C-Ausweis erhält, ohne die offiziellen Bedingungen erfüllen zu müssen. Macht mir das Leben kaputt mit ihrer fordermden Art. Ständig bettelt die Person mir mein letztes Geld ab, welches ich noch mit ihren reichen Verwandten teilen soll, die in ihrer Heimat sogar eigene Häuser besitzen. Lebt in einer 100m2 Billigwohnung, dank meiner Hilfe, die sie voll herunterwirtschaftet. Frech, hilfsunbereit, nützt mich ständig aus, eine grosse Belastung seit Jahren. Täglich Koran auswendiglernen.
Sehr geehrte Frau Berg, herzlichen Dank für Ihren Artikel und die gute Nachricht über Regelungen in der Schweiz.
Es gibt nicht "den Ausländer" oder "den C-Ausweis". Jeder Ausländer oder C-Ausweis muss individuell betrachtet werden. So hat die Schweiz z.B. seit Begin des 19. Jahrhundert Staatsverträge mit anderen EU - Staaten geschlossen hinsichtlich einer Niederlassung im jeweiligen Land. Diese Verträge gelten gegenseitig, also Schweiz-EU und EU-Schweiz. Und in diesen speziellen Verträgen, sog. Staatsverträge, steht u.a., das die Niederlassungsbewilligung an Ausländern, ohne an Bedingungen geknüpft, auszugeben ist, wenn sie ohne Strafen etc. seit mehr als 5 Jahren in der Schweiz/EU leben - Punkt!
Anders verhält es sich mit Menschen aus Nigeria, Eritrea oder Mexico. Hier gibt es keine Staatsverträge und diese Menschen müssen um ihren Status zittern.
Süffisant an dieser verbreiteten Praxis war der Umstand, dass Menschen aus Nachbarländern der Schweiz und auch der EU, wie Menschen aus sogenannten Drittstaaten (Nigeria, Kongo etc.) behandelt wurden, obwohl es mit div. EU und Nachbarländern explizite Regelungen (sog. Staatsverträge) dazu gibt. Auch ist die Praxis im hohen Mass menschenverachtend, wenn Menschen die unverschuldet (Unfall, Verbrechen etc.) in die Armut gefallen sind, wie Menschen behandelt werden, die selbst ihren Sozialhilfestatus verursacht haben. Es ist unfassbar!
Oh du Armer Hans