Nie waren Wissenschaftler so präsent wie während der Corona-Krise. Kaum eine öffentliche Debatte wird ohne Expertinnen geführt, kein vernünftiger Entscheid ohne Verweis auf wissenschaftliche Berichte gefällt. Mit der vom Bund eingesetzten Covid-19-Taskforce sind Forscher aus dem Elfenbeinturm getreten. Sie haben eine Debatte über den Wert der Wissenschaft provoziert – und über die Rolle einzelner Wissenschaftler.

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Bei der Bewältigung der Klimakrise mangle es an diesem intensiven Austausch mit der Politik, kritisieren Wissenschaftler. Ein beratendes Gremium für die Politik existiere praktisch nur auf dem Papier, monierte ETH-Klimaforscher Reto Knutti vor einem Jahr im Beobachter. Das soll sich ändern. Gleich zwei Expertengremien wollen sich neu ausrichten, um den Herausforderungen der Klimakrise gerecht zu werden. Beide sind der Öffentlichkeit kaum bekannt.

Eine Mammutaufgabe wartet

Das eine ist Proclim, das Forum für Klima und globalen Wandel der Schweizer Akademie der Naturwissenschaften. «Wir haben in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, den Klimawandel ganz grundsätzlich auf die gesellschaftliche und politische Agenda zu bringen», entgegnet Oliver Inderwildi Kritikern. Der Chemiker leitet das 1988 gegründete Proclim seit gut einem Jahr, zuvor war er unter anderem als Politikberater für das WEF tätig.

Jetzt will sich die Gruppe strategisch neu positionieren. «Die beschlossene Transformation zum Netto-null-Ausstoss von Treibhausgasen stellt uns vor eine Mammutaufgabe. Wir wollen Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit bei diesem Prozess näher begleiten», so Inderwildi. Dafür seien nicht nur die Erkenntnisse aus den Klimawissenschaften wichtig. Auch Experten aus den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sollen miteinbezogen werden.

So will Proclim im Herbst die Parteispitzen treffen und ihnen neue Erkenntnisse aus der Verhaltensökonomie aufzeigen. «Es geht darum, wie wir uns alle erfolgreich motivieren können, auf klimaschädliches Verhalten zu verzichten.» Proclim ist heute eine Plattform, die zwischen Wissenschaftlern vermittelt. Zudem bereitet sie Forschungsergebnisse auf, damit sie auch für Laien verständlich werden.

«Wir haben ja primär kein Wissensdefizit, sondern ein Handlungsdefizit.»

David N. Bresch, Klimaforscher

Während Proclim relativ unabhängig von der Politik agiert, hat ein zweites Gremium, das OcCC, ein Mandat des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek). Es existiert als «beratendes Organ für Fragen der Klimaänderung» seit 1996, ist aber ebenfalls kaum bekannt. «Da wir das Uvek direkt beraten, sind unsere Erkenntnisse auch weniger breit debattiert worden», sagt Klimaforscher und OcCC-Mitglied David N. Bresch. Ihre Berichte würden aber nach der Konsultation auch publiziert.

Das Uvek-Mandat läuft Ende Jahr aus. Das sei ein Anlass, die Strategie zu überdenken. «Wir können nicht erst 2040 etwas unternehmen, wollen wir die Klimaziele 2050 erreichen. Es geht jetzt darum, konkrete Massnahmen wissenschaftlich zu bewerten. «Wir haben in der Klimafrage ja primär kein Wissensdefizit, sondern ein Handlungsdefizit», sagt der ETH-Professor. Auch das OcCC will sich interdisziplinärer aufstellen. «Wenn es zum Beispiel um die konkreten Auswirkungen des Mobility-Pricings geht, sind nicht nur Naturwissenschaftler gefragt.»

Die Bevölkerung erreichen

Wie stark sich das OcCC direkt in öffentliche Debatten einbringen wird, hängt auch von Bundesrätin Simonetta Sommaruga ab. Sie muss ein neu definiertes Mandat absegnen.

Die ETH-Klimaforscher Reto Knutti und Sonia Seneviratne begrüssen den Effort. «Der Austausch zwischen Politik und Wissenschaft muss beschleunigt werden. Nicht nur Klimaexperten, sondern auch Ingenieure, Ökonominnen und Soziologen sollten beteiligt sein. Ob sie dann auch gehört werden, ist natürlich eine andere Frage», sagt Seneviratne. Für Reto Knutti müssen Beiträge und Stellungnahmen zwingend öffentlich kommuniziert und breit debattiert werden. «Nur so erreichen wir die Bevölkerung, die Entscheide letztlich mittragen muss.» Wichtig sei darum ein klarer Auftrag des Uvek.

Mehr Öffentlichkeit wird Debatten über «die Stimme der Wissenschaft» und die Stellungnahmen einzelner Wissenschaftler befeuern. Das zeigen die hitzigen Auseinandersetzungen um die Rolle der Corona-Taskforce oder das Engagement von Wissenschaftlerinnen für das CO2-Gesetz. In einem Punkt sind sich alle befragten Experten einig: Maulkörbe helfen beim Lösen der Probleme nicht – im Gegenteil.

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Das Klima wird vom Lockdown kaum profitieren. Es brauche schärfere Rahmenbedingungen, die für alle gelten, sagt ETH-Klimaforscher Reto Knutti.
Quelle: Beobachter Bewegtbild
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