Diese Lobbys müssen jetzt auf Parlamentariersuche
Mit einem Schlag hat der Gewerbeverband seinen Einfluss im Bundeshaus verloren. Aber auch die Gewerkschaften und die Krankenkassen wurden empfindlich geschwächt.
Veröffentlicht am 21. Oktober 2019 - 16:50 Uhr
Gleich mehrere mächtige Lobbyverbände wurden mit der Abwahl ihrer Exponenten im Nationalrat empfindlich geschwächt. Allen voran der Schweizerische Gewerbeverband, mit drei abgewählten Exponenten: Präsident Jean-François Rime (SVP, FR), Direktor Hans-Ulrich Bigler (FDP, ZH) und Vorstandsmitglied Hansjörg Brunner (FDP, TG).
Der Gewerbeverband machte in den letzten Jahren Gebühren und Abgaben zu seinem Hauptthema. Federführend war der Gewerbeverband etwa in der «No-Billag»-Diskussion, bei der Opposition zur neuen Energiestrategie oder er wehrte sich über die «Allianz der Wirtschaft für eine massvolle Präventionspolitik» gegen jegliche verschärfte Auflagen für die Tabakindustrie .
Geschwächt werden im Bundeshaus auch die Gewerkschaften.
- Der Berner SP-Mann Corrado Pardini, Geschäftsleitungsmitglied der Unia schaffte die Wiederwahl nicht.
- Ebenso der Oberaargauer Adrian Wüthrich (SP), Präsident und Geschäftsführer von Travail Suisse, dem Dachverband von zehn Arbeitnehmerverbänden.
- Eine dritte Abwahl schwächt die Gewerkschaften zusätzlich: Verkehrspersonal-Gewerkschaftssekretär Philipp Hadorn (SP, SO).
Immerhin sitzt mit der Wahl von Pierre-Yves Maillard (SP, VD) der Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbund SGB neu im Nationalrat.
Neue Verbindungen im Bundeshaus muss sich auch der Krankenkassenverband Santésuisse suchen. Ihr Präsident, der Bündner SVP-Nationalrat Heinz Brand, wurde abgewählt.
Ebenso die Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete. Direktor Thomas Egger (CSPO) schaffte die Wiederwahl nicht mehr.
Die Lobby der Heime und Institutionen (Curaviva) muss sich ebenfalls neu organisieren. Ihr Präsident Laurent Wehrli (FDP, VD) schaffte es nicht mehr in den Nationalrat.
Und mit der Abwahl von Gewerbeverbands-Direktor Bigler muss auch die Lobby der Atomwirtschaft über die Bücher. Bigler ist auch Präsident des Nuklearforums.
Dieser Beitrag erscheint hier dank einer Kooperation von Beobachter.ch mit Lobbywatch Schweiz. Lobbywatch Schweiz ist ein nichtkommerzieller Verein und betreibt ein webbasiertes Recherchetool für Medienschaffende sowie einen Blog. Die Plattform Lobbywatch thematisiert Interessenbindungen zwischen National‐ und Ständeräten zu Firmen, Vereinigungen und Institutionen. Gleichzeitig wird der Einfluss dieser Verbände, Organisationen und Firmen analysiert. Die Beobachter-Journalisten Otto Hostettler und Thomas Angeli sind Co-Präsidenten von Lobbywatch.
4 Kommentare
Verboten werden müssen endlich, die "lukrativen VR-Mandate" (Zusatzverdienste - Lobbyismus - Vetternwirtschaft, gegen die essentiellen und existenziellen Bedürfnisse der Bevölkerung) vom gesamten Verwaltungsapparat der Schweiz, welche allesamt schon von den Volks-Steuergeldern sehr gut entlöhnt sind! Es bedarf unbedingter, ehrlicher, verantwortungsbewusster, ganzheitlicher VOLKS-Politik! Unbedingte Transparenz von Spendegeldern der politischen Parteien = Volks-Vertreter!
Ich kann ganz gut leben damit, wenn Rime, Bigler und Co. nicht mehr das Sagen haben. Ich erinnere mich noch zu gut an die hirnlose Argumentationen bei der NoBilag-Initiative oder an die Diskussion über die Tabakwerbung (von wegen freier Marktwirtschaft und ähnlichem Unsinn). Nein, diesen Herren weine ich keine Träne nach.
Ich bin kein besonderer Lobby-Freund. Aber diese Schwächung von deren Vertretung im neuen NR scheint mir ungut. Vergessen wir nicht: Das Gewerbe bietet viele 10'000 Stellen in der Schweiz und besteht aus tausenden von Kleinbetrieben. Und die Krankenkassen engagieren sich (allerdings unterschiedlich stark) für ein moderates Kostenwachstum im Gesundheitswesen. Wenn nämlich die Leute ihre Prämien nicht mehr bezahlen, haben sie zuallererst ein Problem. Auch die Schwächung der Gewerkschaften kann man auch als Nicht-Linker nicht gut heissen. Es ist nicht jeder Millionär mit gutem Einkommen, die Gewerkschaften haben ihre Berechtigung besonders im gesamtarbeitsvertraglichen Bereich.
Das unselige Lobbying wird ja trotzdem weitergehen! Aber wenigstens haben die Gewerbeverbandsexponenten endlich mal die Quittung für ihre Schwarz-Weiss-Malerei und ihr Gehetze gegen alle Andersdenkenden bekommen.