Natalie Urwyler verklagt Inselspital erneut
Natalie Urwyler, Gewinnerin des Prix Courage 2018, will gegen das Berner Inselspital klagen. Es soll den Millionenschaden zahlen, den ihre Entlassung verursachte.
Veröffentlicht am 27. September 2019 - 15:08 Uhr
Natalie Urwyler hatte elf Jahre lang als Anästhesieärztin am Inselspital Bern gearbeitet. Wegen ihrer Forschungstätigkeit im Ausland galt sie als Nachwuchshoffnung. Sie war auf bestem Weg, eine Professur zu erhalten.
Nach der Geburt ihrer Tochter kam es 2014 jedoch zum Bruch. Ihr wurde gekündigt «aufgrund eines komplett zerrütteten Vertrauensverhältnisses». Urwyler hatte wiederholt Diskriminierung von Frauen und den ungenügenden Schutz von Schwangeren und Müttern am Inselspital kritisiert, bevor sie selber Mutter wurde.
Gegen ihre Entlassung wehrte sie sich bis vor Obergericht und bekam nach einem aufwendigen Prozess recht. Gemäss Gleichstellungsgesetz handelte es sich um eine verbotene Rachekündigung. Das Inselspital musste sie wieder anstellen und ihr die ausstehenden Löhne für die letzten vier Jahre zahlen. Es war das erste Urteil, das aufgrund des Gleichstellungsgesetzes erreicht wurde. Für diesen Kraftakt und ihren Einsatz für die Gleichstellung wurde Natalie Urwyler mit dem Prix Courage 2018 ausgezeichnet .
«Das Urteil wurde bisher nur teilweise umgesetzt», sagt die 45-Jährige. «Die ‹Insel› hat mich pro forma wieder eingestellt und sofort freigestellt ; sie lässt mich in Bern nicht arbeiten, nicht mal wissenschaftlich. Damit ist meine wissenschaftliche Karriere als Anästhesieärztin ruiniert.»
Nachdem die Auszahlung monatelang auf sich hatte warten lassen, überwies das Inselspital ihr immerhin teilweise die Differenz, die sich zwischen ihrem Einkommen als Assistenzärztin an ihrem zeitweiligen Arbeitsort am Spital Wallis und dem Einkommen als Oberärztin am Inselspital ergeben hatte.
Doch das reicht ihr nicht. Natalie Urwyler geht nun einen Schritt weiter. «Es ist an der Zeit, dass der Schaden, der durch das Verhindern von Frauenkarrieren entsteht, eingeklagt und gerichtlich festgestellt wird.» Deshalb bereitet sie eine Klage vor.
Der Hintergrund: Wenn Urwyler mit 40 einen Autounfall gehabt hätte und aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage gewesen wäre, ihre Karriere fortzusetzen, hätte die Haftpflichtversicherung den dadurch entstandenen Schaden decken müssen. Dieses Prinzip will sie auch für ihre Kündigung durchsetzen. «In meinem Diskriminierungsfall beläuft sich der Schaden bereits auf mehrere Millionen Franken – durch die entgangene Wissenschaftskarriere.» Diesen Schaden will sie einklagen.
Diskriminierung sei kein Kavaliersdelikt und der wirtschaftliche Schaden an den Frauen und der Gesellschaft müsse sichtbar gemacht werden, sagt Urwyler. Ihr Anwalt Rolf P. Steinegger rechnet mit guten Chancen, einen Haftpflichtprozess zu gewinnen und den Anspruch auf Schadenersatz durchzusetzen.
Nachdem der Oberärztin für Anästhesie am Inselspital gekündigt worden war, fand sie lange keine neue Stelle. Wegen des laufenden Rechtsstreits wollte ihr niemand einen Job geben. Sie musste sich umschulen zur Intensivmedizinerin. In der Folge arbeitete sie als Assistenzärztin am Spital Wallis – für einen Drittel ihres ursprünglichen Lohns.
«Heute geht es mir gut. Ich habe seit dem 1. Mai 2019 wieder eine Anstellung in meinem erlernten Beruf als Anästhesieärztin», erzählt Natalie Urwyler. Die öffentliche Haltung ihr gegenüber habe sich grundlegend geändert. «Der Prix Courage hat viel bewegt und Gleichstellungsfragen salonfähig gemacht . Das macht Mut für die nächsten Schritte.»
2 Kommentare
Der Bericht lässt einige Fragen auftauchen: Auf welche Weise intervenierte Frau Urwyler damals an der Insel gegen die mutmassliche Diskriminierung ? Geschah das anständig, argumentativ und wie verhielt sich der/die Vorgesetzte ? Darüber liest man nichts im Beitrag. Dann zur Forderung von "einigen Millionen" wegen der "entgangenen wissenschaftlichen Karriere". Das tönt nicht gerade bescheiden, welcher Wissenschaftler verdient schon einige Millionen ? Und ob und wie man eine solche Karriere macht, ist auch nicht garantiert. Das tönt schon recht fordernd, fast etwas unverschämt. Es tut mir leid, aber den Eindruck habe ich beim Lesen des Beitrags ohne Kenntnis der Details, wie gesagt.
Die Vorgeschichte des Falls wurde schon in verschiedensten Zeitungen dargestellt. Es wurde m.W. nie in Zweifel gestellt, dass Frau Urwylers Interventionen anständig und korrekt waren.
Allein, dass sie diesen ersten Prozess gewonnen hat, zeigt, dass Alles mit rechten Dingen zugeht. Die Risiken gegen eine Institution wie das Inselspital vorzugehen sind immens.