Hassrede im Internet: Wo die Meinungsfreiheit endet
Im Internet können alle ungefiltert ihre Meinung äussern. Doch nicht alles ist durch die Meinungsfreiheit geschützt. Wir erklären, was gilt und wie man gegen Hasskommentare vorgehen kann.
Veröffentlicht am 14. April 2023 - 10:56 Uhr
Jede Person in der Schweiz hat das Recht, sich ihre Meinung frei zu bilden und sie ungehindert zu äussern und zu verbreiten. Das legt die Bundesverfassung fest. Diese Meinungsfreiheit ist für die Demokratie unabdingbar. Grundsätzlich fallen auch unanständige Äusserungen darunter, beleidigende, provozierende, schockierende, beunruhigende oder unwahre. Doch es gibt Grenzen.
- Wo endet die Meinungsfreiheit?
- Was versteht man unter Hassrede?
- Ist Hassrede strafbar?
- Warum wird Online-Hassrede bekämpft?
- Was kann ich tun, wenn ich direkt von Hass im Internet betroffen bin?
- Was soll ich tun, wenn ich online auf einen Hasskommentar stosse?
- Tipps: Wie kann ich aktiv dem Hass begegnen?
- Infos und Beratungsstellen für Opfer von Hassrede
Etwa bei Aussagen, die zu Gewalt gegen Angehörige einer Religion aufrufen oder einen Völkermord leugnen.
Wie jedes Grundrecht kann auch die Meinungsfreiheit eingeschränkt werden, etwa um andere in ihren Persönlichkeitsrechten zu schützen.
Damit die Einschränkung zulässig ist, muss sie eine gesetzliche Grundlage haben, im öffentlichen Interesse liegen oder durch den Schutz von Grundrechten anderer gerechtfertigt sein. Ausserdem muss sie verhältnismässig sein.
Ob eine Aussage noch von der Meinungsfreiheit geschützt ist oder nicht, müssen letztlich die Gerichte im Einzelfall abwägen.
- Lesen Sie dazu auch: Grundrechte in der Schweiz: Wie viel Macht hat der Staat?
Eine allgemeingültige Definition gibt es in der Schweiz nicht.
Unter den Begriff (englisch «hate speech») fällt ein ganzes Spektrum an herabwürdigenden, feindseligen oder diskriminierenden Äusserungen gegenüber einer Gruppe von Personen – seien es Einwanderer, Menschen mit physischen oder psychischen Einschränkungen, Personen eines bestimmten Geschlechts oder einer bestimmten sexuellen Orientierung. So gelten rassistische, fremden- oder frauenfeindliche sowie antisemitische Kommentare als Hassrede.
Nicht allgemein. Das Strafgesetz verbietet Hassrede hauptsächlich aufgrund der Rasse, Ethnie, Religion oder der sexuellen Orientierung. Wer eine Person in diesem Zusammenhang öffentlich herabsetzt oder diskriminiert und dabei gegen die Menschenwürde verstösst, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Die Tat wird von Amts wegen verfolgt – also auch ohne dass die betroffene Person es verlangt.
Nicht generell unter Strafe gestellt sind zum Beispiel diskriminierende Hassreden gegen Frauen, Transmenschen, Menschen mit Behinderungen oder soziale Minderheiten. Direkt Betroffene können sich hier nur gegen die Verletzung ihrer Ehre wehren, indem sie einen Strafantrag stellen oder eine zivilrechtliche Klage erheben.
Wenn sich die Aussage aber nicht gegen ein bestimmtes Individuum, sondern gegen eine ganze Personengruppe richtet, gibt es dagegen keine rechtliche Handhabe. Es gibt mit anderen Worten keine Strafnorm, die etwa gruppenbezogene sexistische Hassrede verbietet.
- Lesen Sie dazu auch: Hatespeech gegen Frauen: Das Netz der Hetzer (Be+)
Weil sie die Betroffenen verletzen, ängstigen und psychisch schädigen kann. Ausserdem senkt eine öffentliche Herabsetzung die Schwelle für strafrechtliche Handlungen und für Nachahmer.
«Hassreden im Internet sind ein Nährboden für körperliche Übergriffe und Einschüchterungen im Offline-Leben», sagt Sophie Achermann vom Projekt Stop Hate Speech, koordiniert vom grössten schweizerischen Frauendachverband Alliance F. «Sie können auch dazu führen, dass sich die betroffenen Minderheiten nicht mehr trauen, öffentlich ihre Meinung zu äussern.»
- Lesen Sie dazu auch: «Es ist verheerend, wenn die Mehrheit schweigt»
Zunächst sollten Sie Beweise sichern. Das heisst: Bildschirmfotos machen und speichern. Am besten suchen Sie dann Rat bei einer spezialisierten Fachstelle. Gemeinsam können Sie abwägen, ob sich ein straf- oder zivilrechtliches Vorgehen lohnt. Direkt Betroffene können sich gegen Ehrverletzungen wehren, mit Zivilklage oder Strafantrag. Und wenn Sie wegen Ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung herabgesetzt wurden, können Sie das bei der Polizei anzeigen.
- Lesen Sie dazu auch: Welche Beweismittel sind zugelassen?
Melden Sie ihn direkt bei der Plattform – etwa bei der Zeitung, in deren Forum er abgegeben wurde. Die Plattform kann Hasskommentare löschen oder verbergen.
Oder: Bringen Sie sich in die Diskussion ein, holen Sie sie auf eine sachliche Ebene zurück. Hasskommentatoren hören umso eher auf, je öfter sie zurückgewiesen werden.
Rassistische Hassrede kann man der Plattform Reportonlineracism.ch der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus melden.
Statt Hass im Internet einfach unwidersprochen zu lassen, können Sie aktiv etwas dagegen tun – mit der Gegenrede (englisch «counterspeech»). Gemäss einer Studie von ETH und Uni Zürich lassen sich Hasskommentare wirksam eindämmen, indem man mit Empathie für die Betroffenen reagiert.
Daneben bieten sich weitere Strategien als Antwort auf Hasskommentare:
- Verbreiten Sie positive Stimmung, indem Sie mit einem freundlichen Ton und einfühlsam reagieren. «Ihr Post ist für die betroffene Politikerin sehr schmerzhaft. Ich finde es prima, wie sie sich unermüdlich für Gleichstellung engagiert!»
- Zeigen Sie mit Fakten auf, warum der Hasskommentar falsch oder widersprüchlich ist. «Wenn Ihre Aussage wahr wäre, würde niemand mehr arbeiten, und alle würden einfach von der Sozialhilfe leben.»
- Appellieren Sie an die Moral und machen Sie darauf aufmerksam, dass der Kommentar abwertend ist und es sich um Hassrede handelt. «Denken Sie daran, dass Sie von echten Menschen mit Gefühlen sprechen. Ihr Kommentar ist sehr fremdenfeindlich und meiner Meinung nach Hatespeech.»
- Warnen Sie davor, dass der Online-Kommentar auch offline Konsequenzen haben kann. «Ihr Kommentar ist ein Aufruf zur Herabsetzung von Personen aufgrund ihrer Rasse und ist strafrechtlich verboten.»
- Je nach Situation können Sie auch versuchen, dem Hasskommentar mit Humor zu begegnen – und ihm so ein Stück seiner Ernsthaftigkeit zu nehmen und ihn zu relativieren. «Der Winter kommt. Ah nein, das ist bloss menschliche Kälte.»
- Helfen Sie, Hassrede aufzuspüren. Das Projekt Stop Hate Speech will es mit Hilfe eines Algorithmus tun. Wer sich auf Stophatespeech.ch anmeldet, kann Kommentare im Internet bewerten und so einen Bot Dog trainieren, Hass aufzuspüren. Die Hasskommentare werden auf Stophatespeech.ch aufgeschaltet. Die Mitglieder der Community können sich im Anschluss mittels Counterspeech in den Diskurs einbringen.
- Schutz gegen digitales Mobbing, Stalking & Co.: Wie man sich wehren kann
- Beratungsnetz für Rassismusopfer: network-racism.ch
- Eidgenössische Kommission gegen Rassismus: ekr.admin.ch
- Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund: swissjews.ch
- Anlauf- und Beratungsstelle der Föderation Islamischer Dachorganisationen Schweiz: fids.ch
- lgbt-helpline.ch
- netzcourage.ch
Auch die Polizei oder Stalking-Beratungsstellen können Tipps geben
Gerne würden wir auch Ihre Perspektive hören. Fehlt Ihnen ein Aspekt im Text? Sind Sie selber bereits Opfer von Hassrede geworden? Wünschen Sie sich härtere Regeln – oder laschere? Sagen Sie es uns in der Kommentarspalte.
2 Kommentare
Die Ehrverletzung als Starftatbestand war ausreichend aber hier eine Plattformform zu schaffen für Hobbyinquisitoren ist abartig! Hatespeed aufspüren, kommt den Hexenprozessen gleich, durch die Hintertür findet Zensur statt. Und der Staat maß sich an, Gesinnungsdiktatur zu betreiben im Namen des Schutzes! Wo der Staat Gesinnung kontrolliert, befinden wir uns auf dem Weg zum Totalitarismus!. Und jeder Staat der religiöse Züge annimmt ist potentiell gefährlich für die Meinungsfreiheit. Hier ein Spitzeltum einzurichten zeigt schon unseren gesellschaftlichen Zerfall auf.
Unglaublich, dass es Menschen gibt, die das Netz für einen rechtsfreien Raum halten.