Liebe Leserinnen und Leser

Haben Sie auch was gelesen in den Ferien? Ich setze in dieser Zeit üblicherweise auf leichte Kost – Krimis, Thriller, solche Sachen. Storys also, bei denen man nach der letzten Seite schon wieder vergessen hat, worum es ging. Diesmal war es anders, es gab Gründe dafür. Aber ich habe gemerkt: Man kann auch leichtfüssig über schwere Kost schreiben. 

Der bulgarische Autor Georgi Gospodinov hat das mit dem Roman «Zeitzuflucht» gemacht – über Demenz. In der Geschichte eröffnet der Protagonist eine «Klinik der Vergangenheit», um den Vergessenden einen sicheren Hafen in ihren eigenen Erinnerungen zu schenken. Jede Etage ist einem Jahrzehnt nachempfunden, mit passenden Möbeln, Musik, Essen und Zeitungen von damals. Das Projekt wird zum durchschlagenden Erfolg: Bald wollen auch die Gesunden der Gegenwart entkommen. Wunderbar verquer, berührend, klug.

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Darf man eine schwere Krankheit wie Demenz von der humorigen Seite anschauen? Ich finde: Man darf.

Die Geschichte der Woche

Auch die 21-jährige Johanna sagt: «Manchmal weiss ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll.» Für sie und ihre zwei Jahre ältere Schwester Myrjam ist Demenz allgegenwärtig. Die Schwestern waren noch Teenager, als ihr Vater daran erkrankte. So wuchsen sie früh in eine Rolle hinein, die sie mit vielen Angehörigen der 153’000 Menschen teilen, die aktuell in der Schweiz mit Demenz leben: Sie kümmern sich um ein betroffenes Familienmitglied. 

Johanna und Myrjam sind das, was neudeutsch Young Dementia Carers genannt wird. Wie löst man eine solche Aufgabe, ohne dabei das eigene Erwachsenwerden zu verpassen? Meine Kollegin Manuela Enggist war auf Hausbesuch bei den Schwestern. Sie sagt:       

«Es dauerte fast ein halbes Jahr, bis die beiden in meine Reportage einwilligten. Sie hatten grossen Respekt davor, die Erkrankung ihres Vaters öffentlich zu teilen. Deswegen hat mich ihre Offenheit umso mehr beeindruckt. Aber es war ihnen ein Anliegen, für ihren Vater zu sprechen; er selber kann sich nicht mehr so ausdrücken, wie er möchte. So haben Johanna und Myrjam der Krankheit eine Stimme gegeben.»

Ausserdem

Die Sommerferien sind durch; in Bern wird wieder eifrig politisiert. Und auch abseits der Hauptstadt gabs diese Woche reichlich Nachrichten, die Sie kennen sollten, wenn Ihnen Recht und Gerechtigkeit am Herzen liegen. Hier sind sie. «Das war richtig wichtig»: SBB, Milch und Kaltakquise. Jetzt den Nachrichtenüberblick lesen.

Ab 2025 empfangen analoge Radiogeräte keine SRG-Sender mehr. Roger Schawinski schäumt auf allen Kanälen: Die SRG spare am falschen Ort und verärgere ihre Kunden. Wir ordnen ein und schreiben, was Sie nun wissen müssen. Radioabschaltung: Ein Ärgernis für Konsumenten. Jetzt lesen (mit Abo).

Und unser Tool «Hesch gwüsst?» erleichtert Ihnen das Leben. Diesmal: Worauf müssen Sie bei der Veloversicherung achten? Hesch gwüsst? So versichern Sie Ihr neues Velo richtig. Jetzt lesen.

Aus der Redaktion

Da war zum Beispiel die Dame aus dem Mittelland, die seit Monaten auf ihre Miete gewartet hatte. Schwierige Geschichte. Offenbar hatte ihre Mieterin mit dem Sozialamt Ärger. Die Dame war ja lange geduldig. Aber irgendwann musste sie halt die Schlösser wechseln. Und jetzt? Betreiben? 

Eine von 35'000 Fragen, die Jahr für Jahr unsere Rechtsberatung erreichen. Tendenz steigend. Warum rufen so viele Menschen den Beobachter an, wenn man vieles doch eigentlich einfach googlen könnte? Eine Recherche nach innen.

Noch einmal zurück zur Demenz

Für die Krankheit gilt, was auf viele Dinge zutrifft, die irgendwie unheimlich sind: Die Menschen tun sich schwer, für sie die richtigen Worte zu finden. Früher sprach man derb von «Altersblödsinn». Für den Nervenarzt Alois Alzheimer, der Demenz 1906 erstmals beschrieb, war es die «Krankheit des Vergessens». Später versuchten Betroffene, ihren Zustand mit Symbolik zu schildern. «Ich segle in die Dunkelheit», so die britische Schriftstellerin Iris Murdoch. Für das bisher charmanteste Bild von Demenz sorgte 2014 eine deutsche Tragikomödie: «Honig im Kopf». Gibt es einen besseren Beleg dafür, dass auch schwerer Kost manchmal eine gewisse Leichtigkeit guttun kann?  

So viel für den Moment. Mehr von uns gibt es nächste Woche, wenn Sie mögen.