Liebe Leserinnen und Leser

Rahmsauce. Ausser in der Bubble meiner Jugend (die damals natürlich noch nicht Bubble hiess) hat es dieser Begriff vermutlich nie aus den Kochbüchern geschafft. Rahmsauce war für uns das Synonym für Mittelmass. Die neue Platte der Stones war Rahmsauce, der letzte Roman von Günter Grass, der Auftritt der Fussball-Nati. Rahmsaucen gelten als ausgewogen; von nichts zu viel, von nichts zu wenig. Wir betonten indes die negative Auslegung: unentschlossen, profillos, lahm, abgestanden. Letztlich: langweilig. Etwas, was man zu sich nimmt und gleich wieder vergisst.

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Auch die Jugend selber – bis heute das beliebteste soziologische Untersuchungsobjekt – war lange Zeit Rahmsauce. Ein bisschen glücklich, ein bisschen trübselig. Tendenziell pessimistisch über den Zustand der Welt, vorsichtig optimistisch, was die eigenen Aussichten anbelangt. Heute haben sich Würze und Dosierung grundlegend geändert: Arrabbiata statt Rahmsauce.

Die Geschichte der Woche

Seit der Pandemie ist das Fazit sämtlicher Jugendstudien in allen Ländern dasselbe: Generation Z ist unzufrieden und entmutigt. Und die Lage verschärft sich zusehends. Ein «radikaler Pessimismus» mache sich breit, hiess es über die Untersuchung «Jugend in Deutschland 2024». In Italien hätten die Jungen «eine neue Dimension der Hoffnungslosigkeit» erreicht, kommentierten Experten mit landestypischer Dramatik. Einer sagte einen Satz, der betroffen macht: «Ein Wort wie Zukunft kommt in ihrem Wortschatz gar nicht vor.»

Und in der Schweiz? Hier fällt die Analyse – gleichfalls landestypisch – moderater aus; ein Schuss Rahm ist da noch drin. Im Kern geht es aber ums Gleiche: «Die Zukunft ist für junge Menschen unlesbarer geworden.» Das sagt der Genfer Jugendforscher Sandro Cattacin in einem Beobachter-Interview, in dem es um die Altersvorsorge geht. Meine Kollegin Conny Schmid hat ihre Schlüsse aus dem Gespräch mit Cattacin gezogen: 

«Pessimismus und Unzufriedenheit müssen nicht schlecht sein, sondern können Wandel und Veränderung befeuern. Das war für mich eine überraschende Einsicht.»

Ausserdem

  • Bislang mussten prominente Zoll-Sünder damit rechnen, dass ihre Delikte öffentlich werden. Der Bund will das ändern. Die meisten Strafverfügungen und -bescheide des Zolls werden neu für Medienschaffende nur noch anonymisiert einsehbar sein. Neue «interne Weisung»: Zoll-Sünder bleiben künftig anonym. Jetzt lesen.
  • Für unsere Serie legen Leute ihr Einkommen offen – und sagen, wofür sie ihr Geld ausgeben. Michael Russ geht es finanziell sehr gut. Sein Ziel ist Freiheit – zuerst muss er aber wieder gesund werden. Budget-Serie «Die Abrechnung» mit einem Unternehmensberater: «Ich habe Einkünfte von knapp 14'000 Franken». Jetzt lesen (mit Abo).
  • Erneut schüttet die Pharmaindustrie fast 250 Millionen Franken aus. Dabei profitieren Ärzte, Spitäler, Organisationen und Firmen der Gesundheitsbranche. Pharma-Sponsoring: Der ewige Geldsegen. Jetzt lesen (mit Abo).

Aus der Redaktion

Sechs Prozent mehr werden wir im Schnitt 2025 für die Krankenkassenprämie zahlen. Mal wieder ein ziemlicher Schock. Allerdings – leider – ein erwartbarer. Darum haben wir beim Beobachter uns diesmal vorbereitet. Weil wir das alljährliche Rumgedruckse über die wahren Kostentreiber und die leeren Versprechen von griffigen Reformen nicht mehr länger hinnehmen. Wir haben monatelang einen journalistischen Gegenschlag geplant, gebaut und recherchiert. Willkommen zum Prämienticker.

Und zum Schluss

Noch ein Gedanke zur anscheinend perspektivlosen Jugend. Vielleicht sind Optimismus respektive Pessimismus ja gar nicht die richtigen Kategorien, um die Befindlichkeit junger Menschen abzubilden. Eine Aussage wie «Kein Plan, wie die Welt in 20 Jahren aussieht» muss nicht zwingend resigniert sein. Vielmehr kann dahinter auch eine Haltung stehen, die der Zukunft mit kritischer Offenheit begegnet. 

Der deutsche Schriftsteller Simon Strauss schreibt dazu treffend: «Die Jungen, die von uns voreilig als ‹pessimistisch› beschrieben werden, sind vielleicht viel besser dazu geeignet, dem Unerwarteten zu begegnen, als all die Optimisten, die unter Zukunft nur das verstehen, was sie sich selbst vorstellen können.»      

So viel für den Moment. Mehr von uns gibt es nächste Woche, wenn Sie mögen.