Gegen den Prämienhorror – packen wir es an!
Der Beobachter lanciert den Prämienticker. Er will damit Missstände anprangern und – mit Ihrer Hilfe – einen Beitrag zur Senkung der Gesundheitskosten leisten. Machen Sie mit!
Veröffentlicht am 8. September 2024 - 06:00 Uhr
Der «Prämienherbst» ist zur stehenden Wendung geworden. Ende September verkündet das Innendepartement jeweils die Krankenkassenprämien für das kommende Jahr.
Seit 1996, als das Krankenversicherungsgesetz (KVG) in Kraft getreten ist, kennt die Prämienentwicklung immer nur eine Richtung: nach oben. Mit einer Erhöhung um 8,6 Prozent war der Anstieg im vergangenen Jahr besonders hoch.
Auch für das laufende Jahr ist keine Entwarnung in Sicht. Die Ausgaben der Krankenversicherer für Rechnungen von Spitälern oder Ärztinnen liegen nach den neusten Zahlen bereits rund 789 Millionen Franken über dem Vorjahr. Und das bedeutet: Die Prämien dürften erneut steigen.
Der Beobachter-Prämienticker
Hier kommt unser neues Werkzeug ins Spiel: der Beobachter-Prämienticker. Eine Webseite, die wir neu aufgeschaltet haben, um die Vorgänge im Gesundheitssystem quasi in Echtzeit zu monitoren, zu analysieren und einzuordnen.
Der Beobachter-Prämienticker
Ab sofort finden Sie dort konzentriert Informationen zu den Missständen im Gesundheitswesen: hintergründig recherchierte Geschichten, überraschende Nachrichten, nützliche Tipps, die Sie vor unnötigen Ausgaben bewahren sollen.
Und besonders wichtig: Auch Sie und Ihre ganz persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse sind gefragt.
Erzählen Sie uns Ihre Geschichte!
Sparen ohne Leistungseinbussen
Der Bund hat in einem Bericht festgestellt, dass bis zu 19 Prozent der Kosten von KVG-pflichtigen Leistungen eingespart werden könnten – ohne die geringste Einbusse bei den Leistungen.
Falls wir es mit dem Prämienticker und gemeinsam mit Ihnen schaffen, auch nur einen Bruchteil dieses Sparpotenzials zu realisieren, ist schon viel getan.
Warum die Kosten steigen
Doch warum braucht es überhaupt eine eigene Webseite dafür? Nun, die Gründe für das immense Kostenwachstum im Schweizer Gesundheitswesen sind vielfältig.
Vertreter der Spitäler sowie der Ärztinnen und Ärzte verweisen gern auf die älter werdende Bevölkerung und auf den medizinischen Fortschritt.
Auch bei Politikerinnen und Politikern beliebt ist der Hinweis auf das hochstehende Leistungsangebot und die moderne Infrastruktur. Das Gesundheitssystem sei zwar sehr teuer – aber eben auch sehr gut. Alt Bundesrat Alain Berset meinte vor einem Jahr, als Innenminister könne er nicht mehr gegen die Prämienlast tun – in der Verantwortung seien die Kantone.
Hohe Löhne, riesige Profite
Das alles ist zwar nicht falsch. Aber es beschreibt bloss die halbe Wahrheit. Immer noch können Ärztinnen und Ärzte jährliche Einkommen von über einer Million Franken erzielen.
Auch die Lohntüte mancher Krankenkassenchefs ist prall gefüllt. Sanitas-Chef Andreas Schönenberger etwa verdiente vergangenes Jahr mit 955’000 Franken etwa doppelt so viel wie ein Bundesrat.
Und das Pharmaunternehmen Novartis erzielte jüngst einen Quartalsgewinn von 3,2 Milliarden Dollar – auch dank einer pharmafreundlichen Gesetzgebung in der Schweiz. Der Konzerngewinn von Konkurrentin Roche für das vergangene Jahr beträgt 12,4 Milliarden Franken.
Auch Beraterinnen und Lobbyisten wollen Geld
Bezahlt werden wollen auch die Heerscharen an Beraterinnen und Beratern, die der Ärzteschaft die Vorteile eines neuen Medikaments oder Implantats nahebringen und den Spitaldirektionen Optimierungspotenzial aufzeigen.
Die Wirtschaftsanwälte, die in den Verhandlungen zwischen den Tarifpartnern das Optimale für ihre Klienten herausholen. Die Rechtsprofessorinnen und
Und schliesslich die Lobbyisten, die dafür sorgen, dass in den Parlamenten Gesetze im Sinne ihrer Auftraggeberinnen gemacht werden. Alle haben eine Lobby – nur die Prämienzahlerinnen und Prämienzahler nicht.
Das Gesundheitswesen ist eine Dunkelkammer
Von all diesen Vorgängen im Gesundheitswesen dringt nur wenig an die Öffentlichkeit. Die Materie ist für Einzelne kaum zu überschauen und setzt medizinische, rechtliche und politische Kenntnisse voraus. Tarifsysteme, Regelwerke und Organisationsstrukturen sind oft unfassbar kompliziert.
Manche sagen: mit Absicht. Neugierige und kritische Fragen können so verhindert werden.
Wie kommen wir zu tieferen Prämien?
Im Juni dieses Jahres scheiterten gleich zwei Gesundheitsinitiativen, die meinten, eine Antwort auf das leidige Trauerspiel zu liefern. Doch sowohl der Vorschlag der SP, die Krankenkassenprämien bei 10 Prozent des Einkommens zu deckeln, als auch die Kostenbremse der Mitte blieben chancenlos.
Die Schlussfolgerung daraus kann nur so lauten: Die Bevölkerung will zwar tiefere Kosten – nur nicht so.
Aber wie sonst? Der Beobachter-Prämienticker soll darauf mögliche Antworten liefern.
Auf der Webseite werden wir noch intensiver als bisher darauf aufmerksam machen, wenn auf Kosten der Allgemeinheit übermässige Profite realisiert werden, wenn Lobbyisten dafür sorgen, dass Steuer- und Prämienzahlende noch stärker zur Ader gelassen werden, und wenn man hinter verschlossenen Türen Preise und Tarife beschliesst, die kaum ein Mensch mehr nachvollziehen kann.
Wir brauchen Ihre Unterstützung
Vor allem aber möchten wir auch über Ihre Erfahrungen schreiben. Denn eine Perspektive fehlt in diesem Moloch Gesundheitssystem weitgehend: jene des Prämien- und Steuerzahlenden.
Deshalb haben wir ein eigenes Format geschaffen. Es heisst «Mini Gschicht».
- Wurden Ihnen Leistungen verrechnet, die Sie gar nie bezogen haben?
- Wollte man Ihnen Behandlungen aufschwatzen, die sich im Nachhinein als unnötig erwiesen, beispielsweise, weil Sie eine Zweitmeinung eingeholt haben?
- Haben Sie festgestellt, dass Ihre Medikamente anderswo, etwa im Ausland, viel günstiger zu haben wären?
- Oder haben Sie andere Erfahrungen gemacht?
Schreiben Sie uns auf redaktion@beobachter.ch, Betreff: Mini Gschicht. Oder ganz bequem via Formular. Wir greifen die Hinweise auf und publizieren die stossendsten Erlebnisse und die besten Tipps.
5 Kommentare
Wenn all die überteuerten, unnötigen Beteiligten an diesem lukrativen Geschäftsmodel mindestens um 50% reduziert, bzw. besteuert würden, ergäbe dies folgend Aufstellung:
+13’200’000’000 Gewinn Novartis
+12’000’000’000 Gewinn Roche
+ 2’000’000’000 überhöhte Löhne u. Boni Krankenkasse
+ 500’000’000 Broker für Kundenakquise Krankenkasse
+ 2’000’000’000 überhöhte Apothekerpreise und Bluttest
+ 100’000’000 Lobbyisten in Bern
+ 1’000’000’000 diverses
---------------
+30’800’000’000
- 50% | -15’400’000’000
---------------
+15’400’000’000
/ 9’000’000 Prämienzahler
---------------
+ 1’711 Prämienerleichterung pro Kopf u. Jahr
/ 12
---------------
+ 143 Prämienerleichterung pro Kopf u. Monat
Es ist an der Zeit, dass endlich die Eigenverantwortung zum tragen kommt (Bundesverfassung Art. 6). Dazu müsste ein jährlicher Gesundheitscheck vom Kleinkind bis zum Greis eingeführt werden. Dieser ist Grundlage für nötige Verhaltensänderungen (Verhaltensänderung /Ernährungsumstellung/Bewegung). Werden keine Verbesserungen innert nützlicher Zeit erreicht, müssten die Betroffenen für die Folgekosten selber aufkommen. Nach dem Grundsatz: nur wer sich sozial verhält hat Anspruch auf Sozialleistungen!
Das - äusserst lukrative - Schweizer "Gesundheits-Wesen" ist längst zu einem "Unwesen" mutiert, bei welchem es zu viele, Eigeninteressen verfolgende Zuständige/Verantwortliche gibt, welche aus "Habgier" entsprechend handeln, NICHT handeln!!!
DAS muss sich grundsätzlich ändern = ganzheitliche REVISION!!!
Hab ich es doch schon mal gesagt, es sind unsere gierigen Politiker/innen zusammen mit der Pharmalobby und den Ärztegesellschaften, die sich den Geldbeutel immer noch mehr füllen wollen!! Da ist man als Otto Normalbürger schlicht und einfach ausgeliefert und vor allem AUSGESCHLOSSEN! Und ein Grossteil dieser Otto Normalbürger ist noch dumm genug, den „Lügnern“ beim Wahlkampf um fairere Prämien zu glauben! Sie merken noch nicht mal, dass sie sich damit in den eigenen Rücken schiessen?! Ich kann einfach nicht verstehen, WARUM sich die Abstimmenden nicht mehr und besser über die Vorlagen informieren, sie glauben einfach den durch Politik und Lobbies lügnerischen Plakaten und lassen sich vors Licht führen!! Unglaublich, die Schweizer/innen scheinen einfach „kaufbar“ zu sein in jeder Art und Weise! Und diese Abstimmenden sind dann die ersten, die sich darüber mokieren, wenn die Prämien wieder und wieder steigen! Und die untere Schicht bekommt in gewissen Kantonen (z.B. Zürich) kaum Prämienverbilligungen. Da muss man erst am Verhungern sein, bevor der Kanton Prämienverbilligungen weitergibt!
Absolut richtig!