Wenn SUV-Fahrer eine Nation wären, würden sie auf Platz sieben der weltweit grössten CO2-Sünder landen. Die Internationale Energieagentur IEA zeigt in einer neuen Studie: Der Geländewagenboom hat einen grossen Anteil an der Zunahme des CO2-Ausstosses seit 2010. Schlimmer ist nur noch die Energiebranche. Viele Motoren wurden zwar effizienter – doch der SUV-Boom hat diesen Effekt schlicht und ergreifend ausradiert. Die IEA befürchtet nun sogar, dass SUVs die positiven Effekte der Elektromobilität zunichtemachen.

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In der Schweiz werden SUVs nicht statistisch erfasst, die Abgrenzung zu anderen Autos ist unscharf. In der Regel sind vor allem grosse und schwere Personenwagen gemeint. Häufig haben sie einen Allradantrieb. 

Klar ist: Der grösste Klimasünder in der Schweiz ist der Verkehr. Auf sein Konto gehen knapp 32 Prozent des Ausstosses von Treibhausgasen. Anders als bei Gebäuden und Industrie gab es hier in den letzten Jahrzehnten praktisch keine Verbesserungen. Nicht einmal die geltenden Grenzwerte werden eingehalten. 

Allrad im Allzeithoch

Zu einem wesentlichen Teil mitverantwortlich für die miserable Situation auf den Strassen ist der geradezu entfesselte Allradboom. Fast jedes dritte Auto in der Schweiz hat einen Vierradantrieb. 2005 lag dessen Anteil bei den Neuwagen knapp über 20 Prozent. In nur 13 Jahren hat er sich mehr als verdoppelt, auf 48,9 Prozent im Jahr 2018. Das sind schlechte Nachrichten für das Klima. Solche Autos verbrauchen mehr Energie und stossen mehr CO2 aus.

Generell ging der Trend in den letzten Jahren in Richtung grosse, schwere und bullige Autos. Sie verbrauchen durch schlechtere Aerodynamik und höheres Gewicht allein schon mehr. Hinzu kommt, dass ein und dasselbe Auto mit dem gleichen Motor einen unterschiedlichen CO2-Ausstoss haben kann, je nachdem, ob es als 4x4 auf die Strasse kommt oder als 4x2. Ein 4x4 wiegt antriebsbedingt mehr, und die Reifen verursachen mehr Reibung. 

Der Allradanteil bei Neuwagen steigt

Anteil Allradantrieb Schweiz

Allradanteil der jährlich neu in Verkehr gesetzten Personenwagen, in Prozent.
 

Quelle: Infografik: Andrea Klaiber / Quellen: BFE, BFS
Klar erhöhter Verbrauch

Je nach Modell resultieren erhöhte Verbrauchswerte zwischen 3 und 24 Prozent, zeigt eine Auswertung des Bundesamts für Energie (BFE). Christian Bach von der Empa schätzt, dass der allradbedingte Zusatzverbrauch eines Mittelklassewagens bei rund 10 bis 17 Prozent liegt, wenn man die häufig stärkere Motorisierung einberechnet.

In keinem EU-Land gibt es auch nur annähernd so viele Allradfahrzeuge unter den Neuwagen wie in der Schweiz Neuwagen in der Schweiz Beliebte Dreckschleudern . Hinter der Schweiz lag 2017 Luxemburg mit 29 Prozent, der EU-Durchschnitt lag bei 14 Prozent. «Es ist unbestritten, dass es in den allermeisten Fällen keinen 4x4-Antrieb braucht. Die meisten Fahrzeuge kommen nie in eine Verkehrssituation, in der ein solcher nötig 
wäre. Das ist ein reines Wohlstandsphänomen», sagt der Mobilitätsexperte Peter de Haan.

Die Neuwagenstatistik bestätigt das: Im flachen, aber finanzstarken Kanton Zug liegt der 4x4-Anteil weit über dem Schnitt; im gebirgigen, aber weniger reichen Tessin darunter. Die Lösung liegt für de Haan auf der Hand: «Höhere Energiepreise und eine nach Energieeffizienz differenzierte Besteuerung.» Das gibt es zwar teils schon, die kantonalen Motorfahrzeugsteuern sind jedoch sehr unterschiedlich ausgestaltet. Und grundsätzlich sehr tief. «Ein kleiner Rabatt auf eine kleine Steuer hat nur einen kleinen Effekt», sagt de Haan. «Natürlich müssen wirs trotzdem machen. Aber höhere Anreize wie in der EU wären effektiver.»

Die Schweiz liebt 4×4

Allradanteil Europa

Im europäischen Vergleich liegt die Schweiz auf Platz 1: Im Jahr 2017 hatte fast die Hälfte der neu zugelassenen Personenwagen einen Allradantrieb.

Quelle: Infografik: Andrea Klaiber / Quellen: BFE, BFS

Schweizerinnen und Schweizer können es sich schlicht leisten, verbrauchsstarke Gefährte zu wählen. Und darauf zielt die Branche, sagt BFE-Mediensprecherin Sabine Hirsbrunner: «Schwere und leistungsstarke Fahrzeuge wurden in der Vergangenheit aktiv beworben und vermarktet und von den kaufkräftigen Schweizer Kundinnen und Kunden nachgefragt. Dazu trugen auch zahlreiche Marketing- und Verkaufsmassnahmen bei, bei denen der 4x4-Antrieb als gratis angepriesen wurde. In den letzten Monaten zeichnete sich hier eine Trendwende ab: Verschiedene Importeure fahren nun grössere Kampagnen für Elektrofahrzeuge Elektroauto & Co. Es geht auch ohne Benzin und Diesel

Grosszügige Übergangsregeln

Doch die 4x4-Kaufwut zeigt sich auch im laufenden Jahr: Der Skoda Octavia, das seit Jahren meistverkaufte Auto, wurde zwischen Januar und Oktober 2019 zu 55 Prozent in der Allradversion verkauft, zeigen Zahlen des BFE (siehe Grafik).

Jetzt zieht der Bund die Schraube an. Der Zielwert für neu zugelassene Autos ist nun bei 95 Gramm CO2 pro Kilometer. Nicht nur in der Schweiz, sondern europaweit. Eigentlich gäbe es ja Emissionsvorschriften: Seit 2015 gilt ein Grenzwert von durchschnittlich 130 Gramm CO2 für Schweizer Neuwagen – nur haben es die Importeure bisher nie geschafft, ihn einzuhalten.

Top 5: Meistverkaufte Modelle in der Schweiz

Meistverkaufte Autos Schweiz

Der Skoda Octavia führt die Schweizer Rangliste der meistverkauften Modelle an. Von Januar bis Oktober 2019 wurden 7518 Skoda Octavia neu zugelassen – über die Hälfte davon mit Allradantrieb.

Quelle: Infografik: Andrea Klaiber / Quellen: BFE, BFS

Bussen nützen wenig. Doch die neuen Regeln werden erst in einigen Jahren greifen. Grund für die Misere ist einerseits ein falscher Anreiz: Das Leergewicht eines Fahrzeugs ist ein Faktor für die Berechnung der CO2-Vorgaben. Jeder Importeur hat ein individuelles Ziel für seine Flotte. Wenn er viele schwere Autos im Angebot hat, lässt seine Vorgabe mehr CO2-Ausstoss zu. Er kann also über der gesetzlichen Grenze von 130 Gramm pro Kilometer liegen – ganz legal Neuwagen in der Schweiz Beliebte Dreckschleudern . Und das hat Folgen: Falls das Gewicht der Schweizer Neuwagen wie bisher ständig ansteigt, wird es schwierig, je den reduzierten Zielwert zu erreichen. Die Bussen für die Importeure haben bisher nichts genützt. 2018 betrugen sie 31 Millionen Franken – bei 300'000 verkauften Autos macht das im Schnitt gerade mal rund 100 Franken pro Fahrzeug.

Andererseits beschloss der Bundesrat eine grosszügige Übergangsphase zugunsten der Autoimporteure, obwohl das Volk mit der Energiestrategie dem 95-Gramm-Ziel zustimmte. Der Übergang funktioniert so: Im Jahr 2020 werden nur die 85 saubersten Prozent der Neuwagenflotte gezählt, 2021 dann 90 Prozent und so weiter, bis sich 2023 die gesamte Flotte an die Regeln halten muss. De facto gelten die 95 Gramm also erst ab dann. Es sei denn, das Parlament verschärft im CO2-Gesetz noch die Regeln. In dieser Übergangsphase können die Importeure besonders effiziente Fahrzeuge mit einem Ausstoss von unter 50 Gramm CO2 pro Kilometer sogar mehrfach an ihr Ziel anrechnen.

Um die strenger gewordenen Vorgaben zu erfüllen, bringt die Autoindustrie zahlreiche neue Elektromodelle auf den Markt. So wollen Hersteller 
und Importeure den durchschnittlichen CO2-Ausstoss aller Neuwagen hinunterdrücken. Die Schweiz wird die 95 Gramm pro Kilometer allerdings erst im Jahr 2026 erreichen, schätzt das Zürcher Planungsbüro Ernst Basler+Partner.

Bessere Etikette

Immerhin wird für Konsumenten ab nächstem Jahr einfacher ersichtlich, welches Auto dem 95-Gramm-Ziel entspricht: Die Energieetikette zeigt neu nicht mehr einfach den Durchschnitt der Emissionen aller Neuwagen. Das Leergewicht wird in Zukunft ebenfalls nicht mehr berücksichtigt. Schwere Autos seien bisher bevorzugt worden, sagt Markus Peter vom Autogewerbeverband Schweiz. «Kleine, sparsame Autos dürften deshalb jetzt in bessere Kategorien rutschen. Das kann dann beim einen oder anderen Kaufentscheid einen Einfluss haben.» 
 

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Tina Berg, Redaktorin
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