4x4 bremst den Fortschritt aus
Viele Motoren werden zwar effizienter – doch der Boom bei SUVs und Allradantrieben macht sämtliche Umweltvorteile zunichte. Die Politik toleriert das grosszügig.
Veröffentlicht am 2. Januar 2020 - 18:50 Uhr
Wenn SUV-Fahrer eine Nation wären, würden sie auf Platz sieben der weltweit grössten CO2-Sünder landen. Die Internationale Energieagentur IEA zeigt in einer neuen Studie: Der Geländewagenboom hat einen grossen Anteil an der Zunahme des CO2-Ausstosses seit 2010. Schlimmer ist nur noch die Energiebranche. Viele Motoren wurden zwar effizienter – doch der SUV-Boom hat diesen Effekt schlicht und ergreifend ausradiert. Die IEA befürchtet nun sogar, dass SUVs die positiven Effekte der Elektromobilität zunichtemachen.
In der Schweiz werden SUVs nicht statistisch erfasst, die Abgrenzung zu anderen Autos ist unscharf. In der Regel sind vor allem grosse und schwere Personenwagen gemeint. Häufig haben sie einen Allradantrieb.
Klar ist: Der grösste Klimasünder in der Schweiz ist der Verkehr. Auf sein Konto gehen knapp 32 Prozent des Ausstosses von Treibhausgasen. Anders als bei Gebäuden und Industrie gab es hier in den letzten Jahrzehnten praktisch keine Verbesserungen. Nicht einmal die geltenden Grenzwerte werden eingehalten.
Zu einem wesentlichen Teil mitverantwortlich für die miserable Situation auf den Strassen ist der geradezu entfesselte Allradboom. Fast jedes dritte Auto in der Schweiz hat einen Vierradantrieb. 2005 lag dessen Anteil bei den Neuwagen knapp über 20 Prozent. In nur 13 Jahren hat er sich mehr als verdoppelt, auf 48,9 Prozent im Jahr 2018. Das sind schlechte Nachrichten für das Klima. Solche Autos verbrauchen mehr Energie und stossen mehr CO2 aus.
Generell ging der Trend in den letzten Jahren in Richtung grosse, schwere und bullige Autos. Sie verbrauchen durch schlechtere Aerodynamik und höheres Gewicht allein schon mehr. Hinzu kommt, dass ein und dasselbe Auto mit dem gleichen Motor einen unterschiedlichen CO2-Ausstoss haben kann, je nachdem, ob es als 4x4 auf die Strasse kommt oder als 4x2. Ein 4x4 wiegt antriebsbedingt mehr, und die Reifen verursachen mehr Reibung.
Der Allradanteil bei Neuwagen steigt
Je nach Modell resultieren erhöhte Verbrauchswerte zwischen 3 und 24 Prozent, zeigt eine Auswertung des Bundesamts für Energie (BFE). Christian Bach von der Empa schätzt, dass der allradbedingte Zusatzverbrauch eines Mittelklassewagens bei rund 10 bis 17 Prozent liegt, wenn man die häufig stärkere Motorisierung einberechnet.
In keinem EU-Land gibt es auch nur annähernd so viele Allradfahrzeuge unter den Neuwagen wie in der Schweiz . Hinter der Schweiz lag 2017 Luxemburg mit 29 Prozent, der EU-Durchschnitt lag bei 14 Prozent. «Es ist unbestritten, dass es in den allermeisten Fällen keinen 4x4-Antrieb braucht. Die meisten Fahrzeuge kommen nie in eine Verkehrssituation, in der ein solcher nötig wäre. Das ist ein reines Wohlstandsphänomen», sagt der Mobilitätsexperte Peter de Haan.
Die Neuwagenstatistik bestätigt das: Im flachen, aber finanzstarken Kanton Zug liegt der 4x4-Anteil weit über dem Schnitt; im gebirgigen, aber weniger reichen Tessin darunter. Die Lösung liegt für de Haan auf der Hand: «Höhere Energiepreise und eine nach Energieeffizienz differenzierte Besteuerung.» Das gibt es zwar teils schon, die kantonalen Motorfahrzeugsteuern sind jedoch sehr unterschiedlich ausgestaltet. Und grundsätzlich sehr tief. «Ein kleiner Rabatt auf eine kleine Steuer hat nur einen kleinen Effekt», sagt de Haan. «Natürlich müssen wirs trotzdem machen. Aber höhere Anreize wie in der EU wären effektiver.»
Die Schweiz liebt 4×4
Schweizerinnen und Schweizer können es sich schlicht leisten, verbrauchsstarke Gefährte zu wählen. Und darauf zielt die Branche, sagt BFE-Mediensprecherin Sabine Hirsbrunner: «Schwere und leistungsstarke Fahrzeuge wurden in der Vergangenheit aktiv beworben und vermarktet und von den kaufkräftigen Schweizer Kundinnen und Kunden nachgefragt. Dazu trugen auch zahlreiche Marketing- und Verkaufsmassnahmen bei, bei denen der 4x4-Antrieb als gratis angepriesen wurde. In den letzten Monaten zeichnete sich hier eine Trendwende ab: Verschiedene Importeure fahren nun grössere Kampagnen für Elektrofahrzeuge .»
Doch die 4x4-Kaufwut zeigt sich auch im laufenden Jahr: Der Skoda Octavia, das seit Jahren meistverkaufte Auto, wurde zwischen Januar und Oktober 2019 zu 55 Prozent in der Allradversion verkauft, zeigen Zahlen des BFE (siehe Grafik).
Jetzt zieht der Bund die Schraube an. Der Zielwert für neu zugelassene Autos ist nun bei 95 Gramm CO2 pro Kilometer. Nicht nur in der Schweiz, sondern europaweit. Eigentlich gäbe es ja Emissionsvorschriften: Seit 2015 gilt ein Grenzwert von durchschnittlich 130 Gramm CO2 für Schweizer Neuwagen – nur haben es die Importeure bisher nie geschafft, ihn einzuhalten.
Top 5: Meistverkaufte Modelle in der Schweiz
Bussen nützen wenig. Doch die neuen Regeln werden erst in einigen Jahren greifen. Grund für die Misere ist einerseits ein falscher Anreiz: Das Leergewicht eines Fahrzeugs ist ein Faktor für die Berechnung der CO2-Vorgaben. Jeder Importeur hat ein individuelles Ziel für seine Flotte. Wenn er viele schwere Autos im Angebot hat, lässt seine Vorgabe mehr CO2-Ausstoss zu. Er kann also über der gesetzlichen Grenze von 130 Gramm pro Kilometer liegen – ganz legal . Und das hat Folgen: Falls das Gewicht der Schweizer Neuwagen wie bisher ständig ansteigt, wird es schwierig, je den reduzierten Zielwert zu erreichen. Die Bussen für die Importeure haben bisher nichts genützt. 2018 betrugen sie 31 Millionen Franken – bei 300'000 verkauften Autos macht das im Schnitt gerade mal rund 100 Franken pro Fahrzeug.
Andererseits beschloss der Bundesrat eine grosszügige Übergangsphase zugunsten der Autoimporteure, obwohl das Volk mit der Energiestrategie dem 95-Gramm-Ziel zustimmte. Der Übergang funktioniert so: Im Jahr 2020 werden nur die 85 saubersten Prozent der Neuwagenflotte gezählt, 2021 dann 90 Prozent und so weiter, bis sich 2023 die gesamte Flotte an die Regeln halten muss. De facto gelten die 95 Gramm also erst ab dann. Es sei denn, das Parlament verschärft im CO2-Gesetz noch die Regeln. In dieser Übergangsphase können die Importeure besonders effiziente Fahrzeuge mit einem Ausstoss von unter 50 Gramm CO2 pro Kilometer sogar mehrfach an ihr Ziel anrechnen.
Um die strenger gewordenen Vorgaben zu erfüllen, bringt die Autoindustrie zahlreiche neue Elektromodelle auf den Markt. So wollen Hersteller und Importeure den durchschnittlichen CO2-Ausstoss aller Neuwagen hinunterdrücken. Die Schweiz wird die 95 Gramm pro Kilometer allerdings erst im Jahr 2026 erreichen, schätzt das Zürcher Planungsbüro Ernst Basler+Partner.
Immerhin wird für Konsumenten ab nächstem Jahr einfacher ersichtlich, welches Auto dem 95-Gramm-Ziel entspricht: Die Energieetikette zeigt neu nicht mehr einfach den Durchschnitt der Emissionen aller Neuwagen. Das Leergewicht wird in Zukunft ebenfalls nicht mehr berücksichtigt. Schwere Autos seien bisher bevorzugt worden, sagt Markus Peter vom Autogewerbeverband Schweiz. «Kleine, sparsame Autos dürften deshalb jetzt in bessere Kategorien rutschen. Das kann dann beim einen oder anderen Kaufentscheid einen Einfluss haben.»
10 Kommentare
David12
Zum Skifahren in die Berge braucht es keinen 4x4! Zu 95% sind die Zufahrtswege schneefrei! Mit einem normalen Auto funktioniert der Skiurlaub auch! Betreffend den Döffs ist der Verbrauch nicht das 5-10 fache eines 4x4, sondern eher das Gegenteil. 1 Person im 4x4 = 10 lt/100km oder 1 Person auf dem Döff = 3 lt/100km ergibt 7 lt weniger Treibstoffabgase. Dies kann man täglich feststellen, dass bei den Autos (Grossteil 4x4) zu ca. 80% nur 1 Person >oder= 2 Tonnen Fahrzeuggewicht umher fährt!
Der Ausstoss der Treibhausgase ist massgebend. Wie geringer die Masse, desto kleiner der Energiebedarf!
Die Schweiz ist eine Ski Nation. Wir wollen sicher und einfach zum Skilift kommen. Über den künstlichen Schnee und den hohen Stromverbrauch von den Skianlagen beschwert sich auch Niemand. Auch die gestörte Winterruhe von Natur und Tieren ist kein Thema.
Aber das Auto ist ein Problem?
Motorräder etwa haben veraltete und viel schlechtere Abgassysteme und werden nur zum Vergnügen gefahren. Im Verhältnis zum Auto (Gewicht-Verbrauch) braucht ein Motorrad ausserdem schnell mal das 5 bis 10 fache an Kraftstoff. Und das nur zum Spass.
Mein 4x4 hilft mir jedenfalls jeden Winter die steile, kurvige und vielfache auch glatten Strassen zubefahren. Auch morgens um 5 Uhr wenn noch Niemand den Weg gesalzen oder vom Schnee befreit hat. So kann ich schliesslich auf die Arbeit. Mit dem verdienten Geld kann ich dann Steuern zahlen, und eine Politik mitfinanzieren, die mir das Leben als Pendler schwer macht.
Was für ein tendenzieller Bericht. Damit helfen Sie niemanden.
Und technisch unkompetent.
Denn 4x4 zu verteufeln.
"in den meisten braucht es den 4x4 nicht, macht den Fortschritt zunichte, etc."
Die Feuewehr braucht es in den meisten Fällen auch nicht. Aber wenn, dann braucht es sie dringend. Aber wenn sie in die Berge fahren oder wohnen braucht es den 4x4. Wir haben nicht nur Städte in der CH. Solch ein Bericht kann nur von einem degenerierten Städter kommen, der nur sich sieht. Auch die Elektrofahrzeuge haben 4x4 (Tesla) weil es das Spurverhalten sicherer macht. (Sicherheit) Gleichmässiger Abrieb der Reifen etc.
Bitte in Zukunft Berichte mit mehr Fachkompetenz und Verstand.
Tendenziell und beleidigend ist auch Ihr Kommentar! Man kann in 99% aller Fälle "in die Berge fahren", ohne dass ein 4x4 notwendig wäre. Kaum ist eine Schneeflocke in Sicht, wird tüchtig gesalzen und gescheuert.
Ein weiteres Argument, das immer wieder durch die Presse rauscht, ist dasjenige der ach so abseits und in unzugänglichen Tälern lebenden Berglern, welche auf ihren Spritschlucker pochen. Aber es ist doch so, dass auch hier nicht nur Landwirte leben, welche ein kräftiges Zugfahrzeug (4x4/SUV) brauchen. Die Strassen sind meist überdimensioniert ausgebaut und auch hier wird Schnee geräumt, so dass Pendler und Ferienhausbesitzer mühelos mit einem 2x4 fahren könnten. Aber ein SUV ist halt auch Prestigesache und wird als Zweitwagen gerne als Kindertransporter benutzt.
Ich bin übrigens kein "degenerierter Städter", sondern ein "Landei" aus GR.
4x4 ist für mich ein absolutes Muss. Deshalb habe ich mich für das Tesla Model 3 entschieden. Damit geht das auch sehr energieeffizient. Umgerechnet ca. 2 Liter Benzin auf 100km. Mit einem umgerechnet 9-Liter Tank (75kWh Batterie) komme ich damit 450km. Das ist ein Wert den ich tatsächlich auch erreichen kann.